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BGH - Entscheidung vom 19.09.2019

I ZR 29/18

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
MarkenG § 24 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 19.09.2019 - Aktenzeichen I ZR 29/18

DRsp Nr. 2019/15978

Anhörungsrüge aufgrund der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in einem Markenverfahren; Vorliegen von berechtigten Gründen im Sinne des § 24 Abs. 2 MarkenG

Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Urteil des Senats vom 25. Juli 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; MarkenG § 24 Abs. 2 ;

Gründe

I. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Anspruch der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör ist durch das Senatsurteil vom 25. Juli 2019 ( I ZR 29/18, WRP 2019, 1311 - ORTLIEB II) nicht verletzt.

1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen. Die Verfahrensgarantie des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt erst in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, NJW 2009, 1584 f. [juris Rn. 14] mwN; FamRZ 2013, 1953 Rn. 14).

2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten liegt danachnicht vor.

a) Die Beklagten rügen, der Senat habe sich mit ihrem Vortrag, berechtigte Gründe im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG lägen unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Juli 2010 nicht vor (EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - C-558/08, Slg. 2010, I-6959 = GRUR 2010, 841 Rn. 91 - Portakabin), inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Der Senat habe in Randnummer 40 seines Urteils darauf abgestellt, dass der Verkehr beim Anklicken der Anzeige erwarte, eine markenreine Trefferliste zu finden; das stelle aber keinen berechtigten Grund dar. Es sei nicht begründet worden, warum die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht angewendet und die Sache nicht zur Aufklärung der Umstände an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden sei.

Die von den Beklagten behauptete Gehörsverletzung liegt nicht vor. Der Senat hat in den Randnummern 36 bis 41 seines Urteils ausführlich die Frage erörtert, ob berechtigte Gründe im Sinne des § 24 Abs. 2 MarkenG vorliegen. Der Umstand, dass er zu einem von der Rechtsauffassung der Beklagten abweichenden Ergebnis gekommen ist, begründet keine Gehörsverletzung. Die Entscheidung entspricht entgegen der Auffassung der Anhörungsrüge auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren "Portakabin" (EuGH, GRUR 2010, 841 Rn. 81), die in Randnummer 38 des Senatsurteils wörtlich wiedergegeben ist.

b) Die Anhörungsrüge rügt weiter, der Senat habe seiner Entscheidung in Randnummer 38 Gesichtspunkte zugrunde gelegt, deren Relevanz für die Beklagten nicht erkennbar gewesen sei. Mit dem Rechtssatz des Senats, dass Umstände, unter denen ein Markeninhaber gemäß § 14 MarkenG berechtigt sei, die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens durch einen Werbenden als Schlüsselwort zu verbieten, gleichzeitig berechtigte Gründe im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG darstellten, hätten die Beklagten nicht rechnen müssen.

Die von den Beklagten insoweit gerügte Überraschungsentscheidung liegt nicht vor. Der beanstandete Rechtssatz ergibt sich eindeutig aus der auch von der Anhörungsrüge zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, GRUR 2010, 841 Rn. 81 - Portakabin).

c) Entgegen der Auffassung der Anhörungsrüge liegt eine Überraschungsentscheidung auch nicht deshalb vor, weil der Senat von Feststellungen ausgegangen wäre, die das Berufungsgericht so nicht getroffen hat.

aa) Soweit die Anhörungsrüge meint, das Berufungsgericht habe (ausschließlich) darauf abgestellt, der Verkehr erwarte aufgrund der streitgegenständlichen Anzeigen Ergebnislisten, in denen Konkurrenzprodukte abgetrennt angezeigt würden, während der Senat darauf abstelle, der Verkehr erwarte eine markenreine Trefferliste, liegt dem ein unrichtiges Verständnis des Berufungsurteils zugrunde. Wie der Senat in Randnummer 30 seines Urteils ausgeführt hat, hat das Berufungsgericht eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion nicht allein in der fehlenden Trennung von tatsächlich passenden Treffern und sonstigen Produkten in der Ergebnisliste gesehen. Vielmehr hat es seine Beurteilung der konkreten Gestaltung der Anzeige insbesondere auf die selektiv wiedergegebenen URLs gestützt, aufgrund deren der Verkehr gerade mit spezifisch zur Anzeige passenden Anzeigen rechne (vgl. OLG München, GRUR-RR 2018, 151 [juris Rn. 36 bis 38]).

bb) Soweit der Senat in der Randnummer 41 seines Urteils von einer Irreführung ausgegangen ist, hat er seiner Beurteilung ebenfalls keine vom Berufungsgericht nicht festgestellten Umstände zugrunde gelegt. Die Irreführung ergibt sich - wie die Anhörungsrüge selbst anführt - aus der (enttäuschten) Erwartung des Verkehrs, es werde eine markenreine Trefferliste angezeigt. Das hat das Berufungsgericht festgestellt, soweit es ausgeführt hat, dem Verkehr werde durch die Gestaltung der streitgegenständlichen Anzeige suggeriert, dass er durch Anklicken der Anzeige zu der Webseite www.amazon.de gelange und zwar dort zu einer Zusammenstellung von Angeboten, die die genannten Kriterien erfüllten, somit zu entsprechenden Produkten der Marke Ortlieb (OLG München, GRUR-RR 2018, 151 [juris Rn. 37]).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog.

Vorinstanz: LG München I, vom 12.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 7 O 22589/15
Vorinstanz: OLG München, vom 11.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 29 U 486/17