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BGH - Entscheidung vom 07.02.2019

1 StR 484/18

Normen:
StPO § 267 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 07.02.2019 - Aktenzeichen 1 StR 484/18

DRsp Nr. 2019/6614

Anforderungen an die Ausgestaltung der Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung; Erfüllung der Anforderungen des § 267 Abs. 1 S. 1 StPO ; Revisionsrechtliche Überprüfung einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in 22 Fällen

Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung müssen die Urteilsgründe regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben. Diesen Anforderungen wird ein Urteil nicht gerecht, das das Hinterziehungssystem nur rudimentär darstellt und keine Feststellungen zum Umfang der steuerlich relevanten Beträge gemacht werden.

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 267 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Steuerhinterziehung in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten K. wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Daneben hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 303.600 € gegen den Angeklagten C. und von 103.500 € gegen den Angeklagten K. angeordnet.

Die hiergegen gerichteten, jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.

1. Die Verurteilung der beiden Angeklagten hat keinen Bestand, weil das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.

a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise nachvollziehbar geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2018 - 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79 , 80 und vom 24. Mai 2017 - 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 f. jeweils mwN; Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546 , 2547). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO ).

Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO ) wird materiell-rechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2018 - 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79 , 80 und vom 24. Mai 2017 - 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 f. jeweils mwN). Auch hierzu bedarf es ausreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2018 - 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79 , 80 und vom 26. April 2001 - 5 StR 448/00, wistra 2001, 308 , 309 mwN).

b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Mitgeteilt wird neben einer rudimentären Darstellung des verfahrensgegenständlichen Hinterziehungssystems, das offenbar aus einer Vielzahl von - teilweise gesondert verfolgten - Personen bestand, dass die Angeklagten für die jeweils von ihnen geführten Gesellschaften, die in das vom gesondert Verfolgten W. unterhaltene groß angelegte Hinterziehungssystem, nämlich eine darin integrierte fiktive Lieferkette eingebunden waren, auf Geheiß des W. Eingangs- und Ausgangsrechnungen über den An- und Verkauf von Kupferkathoden erstellten. Sie wussten, dass diesen Rechnungen keine realen Vertrags- und Leistungsbeziehungen zugrunde lagen, dass sie in den benannten Voranmeldezeiträumen Umsatzsteuererklärungen über die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge abgaben und dass sie hierbei jeweils Vorsteuerbeträge in Abzug brachten und hierdurch die "ins Soll zu stellenden Beträge" minderten, was zu einer entsprechenden "Festsetzung" durch das Finanzamt führte.

In welchem Umfang und über welche Beträge von den Angeklagten Rechnungen erstellt wurden und Umsatzsteuer sowie Vorsteuer bei den jeweiligen Steuererklärungen angegeben bzw. geltend gemacht wurde, ergibt sich aus den landgerichtlichen Feststellungen nicht. Ebenso wenig lässt sich dem Urteil entnehmen, ob die Steueranmeldungen zu einem Erstattungsanspruch geführt haben und ob das Finanzamt diesem gegebenenfalls zugestimmt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 StR 196/14, wistra 2014, 486 , 487 f.). Das Landgericht teilt lediglich mittels Tabellen mit, die nicht einmal vollständig mit der knappen Darstellung im Fließtext übereinstimmen, zu welchen Zeitpunkten für welche Zeiträume Erklärungen abgegeben wurden und auf welche Beträge sich die Umsatzsteuerverkürzung seiner Auffassung nach in den jeweiligen Zeiträumen und in der Summe beläuft. Dabei wird nur ein Berechnungsergebnis angegeben, das mangels weitergehender Angaben zu den Berechnungsgrundlagen, insbesondere den in den Rechnungen ausgewiesenen Brutto- und Nettobeträgen, in keiner Weise nachvollziehbar ist. Den Urteilsgründen lässt sich daher auch nicht entnehmen, welcher Hinterziehungsumfang gerade durch die unrichtigen Steuererklärungen der Angeklagten verursacht wurde.

2. Der Senat hebt die gesamten Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO ).

Vorinstanz: LG Berlin, vom 21.12.2017