Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BFH - Entscheidung vom 10.12.2019

VIII R 30/16

Normen:
KStG § 32a Abs. 1 Satz 1, Satz 2
KStG § 32a Abs. 1 S. 1-2

Fundstellen:
BFH/NV 2020, 885

BFH, Urteil vom 10.12.2019 - Aktenzeichen VIII R 30/16

DRsp Nr. 2020/8972

Zulässigkeit der Änderung des Einkommensteuerbescheides des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft wegen einer verdeckten Gewinnausschüttung vor Änderung der Festsetzung der Körperschaftsteuer der Gesellschaft

NV: Wird ein Einkommensteuerbescheid des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft wegen einer vGA nach Ablauf der Festsetzungsfrist geändert, bevor wegen derselben vGA ein Körperschaftsteuerbescheid der Gesellschaft geändert oder erlassen wird, ist der geänderte Einkommensteuerbescheid rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids wird jedoch nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG nachträglich beseitigt, wenn ein erstmaliger oder geänderter Körperschaftsteuerbescheid wegen derselben vGA vor Ablauf der für diesen Bescheid geltenden Festsetzungsfrist erlassen wird.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.10.2015 – 8 K 8191/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

KStG § 32a Abs. 1 Satz 1, Satz 2;

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Ehefrau des Insolvenzschuldners im Verfahren VIII R 2/17. Streitig ist, ob der Insolvenzschuldner im Streitjahr 2004 (Streitjahr) Einkünfte aus einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) erzielt hat und diese Einkünfte bei Zusammenveranlagung der Eheleute im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 17.05.2010 noch berücksichtigt werden konnten.

Der Insolvenzschuldner war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der E–GmbH. Gegenstand der E–GmbH war der Handel mit Grundstücken, Autos und Schiffen sowie die Vercharterung von Schiffen und die Verwaltung und Vermietung von Immobilien.

Der Insolvenzschuldner hatte mit notarieller Urkunde vom ...09.2002 u.a. Herrn D eine Generalvollmacht erteilt, die diesen (und eine weitere Person) unter Befreiung von den Bestimmungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Veräußerung der Geschäftsanteile der E–GmbH und zur Ausübung des Stimmrechts sowie zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung berechtigte.

Zum Umlaufvermögen der E–GmbH gehörte im Jahr 2003 u.a. die im … 2002 für 605.000 € erworbene Yacht A. Sie soll mit Vertrag vom ...03.2003 auf Ibiza zu einem Preis von 610.000 € veräußert und dort an den Käufer übergeben worden sein. Der Käufer soll den Kaufpreis durch Übergabe an D in bar am gleichen Tag an die E–GmbH gezahlt haben. Käufer war nach den unterschiedlichen Darstellungen während des Verfahrens entweder eine spanische natürliche Person (Herr M) oder eine von dieser vertretene spanische Gesellschaft (N–BC) mit Sitz in Malaga. Nach Mitteilung des Bundeszentralamts für Steuern handelte es sich bei der N–BC um ein wirtschaftlich inaktives Unternehmen, das erst am ...04.2003 —nach dem angeblichen Erwerb des Schiffs— im spanischen Handelsregister eingetragen wurde und vermögenslos war. In der Bilanz der N–BC per 31.12.2003 war die Yacht weder im Anlage- noch im Umlaufvermögen aufgeführt.

Die Veräußerung der Yacht diente nach dem Vorbringen der Beteiligten der Finanzierung des Erwerbs eines Grundstücks in Deutschland durch die E–GmbH zum Preis von 750.000 €. Verkäuferin des Grundstücks war eine spanische Gesellschaft mit Sitz in Marbella; der Insolvenzschuldner trat im Beurkundungstermin vom ...03.2003 vor der deutschen Notarin für die Verkäuferin als Vertreter ohne Vertretungsmacht auf. D sollte nach dem Grundstückskaufvertrag aus dieser Veräußerung ein Provisionsanspruch in Höhe von 150.000 € gegen die E–GmbH zustehen. Der Kaufpreis für das Grundstück soll noch im März 2003 vor einem spanischen Notar von D in bar an den Generalbevollmächtigten der Verkäuferin übergeben worden sein. 610.000 € sollen aus dem Verkauf der Yacht A stammen und der Restbetrag von 140.000 € soll von D in bar verauslagt worden sein. Ob der Grundstücksverkauf seitens der spanischen Verkäufergesellschaft vor dem spanischen Notar genehmigt worden ist und hierüber eine Apostille gefertigt wurde, ist unklar geblieben.

Die E–GmbH verbuchte anlässlich des Grundstückserwerbs im Kassenkonto einen Abgang in Höhe von 750.000 €. Weder die behauptete Verauslagung des Betrags von 140.000 € durch D in bar vor dem spanischen Notar noch deren ebenfalls behauptete Rückzahlung durch die E–GmbH wurden buchhalterisch erfasst.

Die Yacht A soll im Streitjahr —in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer angebahnten Veräußerung des Schiffs an eine englische Käuferin— für einen deutlich niedrigeren Kaufpreis von der E–GmbH (470.000 €) vom spanischen Käufer (M oder der N–BC) zurückgekauft worden sein, um sie im eigenen Namen und gegen Provision für Rechnung des M an die englische Käuferin zu veräußern. Aufgrund des Rückerwerbs wurden bei der E–GmbH eine Verbindlichkeit in Höhe von 140.000 € gegenüber M und im Kassenkonto die Barzahlung des Restkaufpreises von 330.000 € gebucht.

Nach einem —von der Außenprüfung an die spanische Finanzverwaltung gerichteten— Auskunftsersuchen gab M gegenüber den spanischen Finanzbehörden an, den Kaufpreis von 470.000 € nicht an die E–GmbH entrichtet zu haben. Die Yacht A sei von der E–GmbH unter Anrechnung auf bestehende Verbindlichkeiten zurückgekauft worden. Auf eine weitere Anfrage des Betriebsfinanzamts der E–GmbH bei den spanischen Finanzbehörden erklärte M später, Gesellschafter und Geschäftsführer der N–BC zu sein; diese habe den Kaufpreis gezahlt.

Am ...11.2004 verkaufte die E–GmbH die Yacht A zum Preis von 480.000 € an die P–Ltd. mit Sitz auf Guernsey. Die P–Ltd hatte den Kaufpreis nach dem Kaufvertrag in Höhe von 340.000 € in Geld und in Höhe von 140.000 € nach Wahl der E–GmbH entweder in Geld oder durch Inzahlungnahme der Yacht B zu erbringen. Der Insolvenzschuldner erhielt als Geschäftsführer der E–GmbH in Zürich von der P–Ltd —was das Finanzgericht (FG) im Einzelnen offen gelassen hat— entweder einen Barbetrag in Höhe von 340.000 €, von denen er 330.000 € unmittelbar dem D übergab oder, weil die P–Ltd bereits eine Anzahlung von 50.000 € an die von D beherrschte F–GmbH geleistet hatte, einen Barbetrag in Höhe von 280.000 €, den er in dieser Höhe unmittelbar dem D übergab. D sollte mit dem übergebenen Geld nach dem Vorbringen der Beteiligten Verbindlichkeiten der E–GmbH gegenüber M aus dem Rückkauf der Yacht A erfüllen.

Eine Abmeldung der E–GmbH als Eigentümerin der Yacht A im Schiffsregister und die Ummeldung der Versicherungen für das Schiff durch die E–GmbH erfolgten erst im Zuge der Veräußerung des Schiffs an die P–Ltd.

In einer Außenprüfung bei der E–GmbH für die Jahre 2002, 2003 und das Streitjahr beurteilten die Prüferinnen den behaupteten Verkauf der Yacht A im Jahr 2003 für 610.000 € und den behaupteten Rückkauf im Streitjahr durch die E–GmbH für 470.000 € als Scheingeschäfte, die nicht durchgeführt worden seien. Die Yacht A habe bis zur Veräußerung an die P–Ltd durchgehend zum Betriebsvermögen der E–GmbH gehört. Sie verwarfen wegen der aus ihrer Sicht widersprüchlichen und nicht wahrheitsgemäßen Verbuchung der tatsächlichen Geschäftsvorfälle die Kassenbuchführung der E–GmbH. Die Prüferinnen stornierten bei der E–GmbH die Buchungen zum Verkauf der Yacht A für 610.000 € im Jahr 2003 und zum Rückkauf im Streitjahr für 470.000 €. In der bei der E–GmbH als Kaufpreiszahlung verbuchten Übergabe des Geldes durch den Insolvenzschuldner an D in Höhe von 330.000 € im Streitjahr sahen die Prüferinnen eine vGA sowohl auf Ebene der E–GmbH gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ( KStG ) als auch beim Insolvenzschuldner gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden jeweiligen Fassung. Eine betriebliche Verwendung des dem D (und ggf. der F–GmbH) zur Verfügung gestellten Kaufpreises aus der Veräußerung des Schiffs sei nicht feststellbar.

Der Insolvenzschuldner und die Klägerin reichten die gemeinsame Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 18.10.2005 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ein.

Das FA erließ nach der Außenprüfung bei der E–GmbH am 17.05.2010 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ( AO ) einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, da dem Insolvenzschuldner in Höhe eines Betrags von 330.000 € eine vGA zugeflossen sei. Es berücksichtigte unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens im geänderten Bescheid weitere Einkünfte des Insolvenzschuldners aus Kapitalvermögen in Höhe von 165.000 €.

Gegenüber der E–GmbH erging am 28.05.2010 ein geänderter Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr, in dem u.a. eine vGA in Höhe von 330.000 € berücksichtigt wurde.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das FG hat die anschließend erhobene Klage des Insolvenzschuldners und der Klägerin abgewiesen. Dem Insolvenzschuldner sei im Streitjahr eine vGA zuzurechnen, weil er die empfangene Kaufpreiszahlung an D entweder in Höhe von 330.000 € oder in Höhe von 280.000 € in bar übergeben habe und —bei Übergabe des niedrigeren Barbetrags— in Höhe von weiteren 50.000 € der Vereinnahmung der der E–GmbH geschuldeten Anzahlung durch die von D beherrschte F–GmbH zugestimmt habe. Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr habe gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG geändert werden können. Der Mangel, dass der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr elf Tage vor dem wegen der vGA ergangenen Körperschaftsteuerbescheid geändert worden sei, sei durch den Erlass des Körperschaftsteuerbescheids geheilt worden.

Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Klägerin wegen Einkommensteuer für das Streitjahr wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Ehemanns abgetrennt. Nach Zulassung der Revision der Klägerin wurde das Verfahren gemäß § 116 Abs. 7 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) als Revisionsverfahren fortgesetzt.

Die Klägerin macht im Revisionsverfahren geltend, dem Insolvenzschuldner (und ehemaligen Kläger im Verfahren VIII R 2/17) sei im Streitjahr keine vGA zuzurechnen. Falls dem doch so sei, habe jedenfalls der Einkommensteuerbescheid des Insolvenzschuldners für das Streitjahr nicht mehr geändert werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 06.10.2015 – 8 K 8191/14, den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 17.05.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 28.07.2014 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Auf Anfrage des Berichterstatters haben die Beteiligten mitgeteilt, dass die auf die Einkünfte der Klägerin für das Streitjahr (ohne die Einkünfte aus der vGA) entfallende Einkommensteuerschuld von der Klägerin getilgt worden sei und die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin gemäß § 278 Abs. 1 AO auf die von ihr geschuldeten Beträge ohne den Erlass formeller Aufteilungsbescheide "faktisch" beschränkt werde.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO ).

1. Die Revision ist allerdings nicht deshalb als unbegründet zurückzuweisen, weil während des Revisionsverfahrens eine Beschwer der Klägerin gemäß § 40 Abs. 2 FGO und damit eine Sachurteilsvoraussetzung für die Klage nachträglich entfallen ist. Ob eine Sachurteilsvoraussetzung für die Klage während des Revisionsverfahrens entfällt und das FG-Urteil hierdurch unrichtig wird, hat der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (vgl. BFH-Urteile vom 15.04.2010 – V R 11/09, BFH/NV 2010, 1830 , Rz 14; vom 18.08.2015 – V R 39/14, BFHE 251, 125 , BStBl II 2017, 755 ). Da das FG die Klage als unbegründet abgewiesen hat, wäre sein Urteil im Fall des Wegfalls der Klagebefugnis während der Revision im Ergebnis weiterhin richtig. Aber auch in der Sache ist die Klagebefugnis der Klägerin nicht während des Revisionsverfahrens entfallen. Ihre Beschwer durch den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 17.05.2010 durch den Ansatz von Einkünften des Insolvenzschuldners aus der vGA folgt aus der Zusammenveranlagung und der damit verbundenen Haftung als Gesamtschuldnerin für die gesamte Steuerschuld, die durch den gegen beide Ehegatten gerichteten einheitlichen Bescheid festgesetzt worden ist (BFH-Urteile vom 27.11.1984 – VIII R 73/82, BFHE 143, 32 , BStBl II 1985, 296 , unter II.1.a, juris, Rz 30; vom 02.10.1987 – VI R 149/84, BFHE 151, 78 , BStBl II 1987, 852 , unter 2., juris, Rz 11; Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 252; von Beckerath in Gosch, FGO § 40 Rz 204). Die Beschwer der Klägerin gemäß § 40 Abs. 2 FGO durch diesen Bescheid würde erst entfallen, wenn sie einen Antrag auf Aufteilung der rückständigen Gesamtschuld gemäß § 269 Abs. 2 Satz 2 AO wegen einer vollständigen Tilgung der Steuerforderung nicht mehr zulässig stellen könnte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 07.11.1986 – III B 50/85, BFHE 148, 126 , BStBl II 1987, 94 , unter II.1.; vom 29.06.2004 – IV B 127/03, juris). Dies ist nicht der Fall. Das FA hat gegenüber der Klägerin lediglich eine "faktische" Vollstreckungsbeschränkung auf diejenigen Steuerbeträge ausgesprochen, die auf die von der Klägerin selbst erzielten Einkünfte entfallen. Dass die im Bescheid festgesetzte Steuerschuld zwischenzeitlich vollständig getilgt wurde, ist nicht ersichtlich. Gemäß § 43 der Insolvenzordnung könnte das FA die Klägerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach wie vor auf die volle Einkommensteuerschuld (Gesamtschuld) aus der angefochtenen Festsetzung grundsätzlich in Anspruch nehmen.

2. Die Revision der Klägerin ist jedoch in der Sache unbegründet. Dem mit der Klägerin im Streitjahr zusammenveranlagten Ehemann (dem Insolvenzschuldner und ehemaligen Kläger im Verfahren VIII R 2/17) ist im Streitjahr eine vGA zugeflossen, die das FA im geänderten Einkommensteuerbescheid vom 17.05.2010 unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens bei den Kapitaleinkünften des Ehemanns in Höhe von 165.000 € zu Recht erfasst hat. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 17.05.2010 konnte, wie das FG im Ergebnis ebenfalls zu Recht entschieden hat, gemäß § 32a Abs. 1 Sätze 1 und 2 KStG geändert werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung der Entscheidung im Verfahren VIII R 2/17 vom heutigen Tage Bezug.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg, vom 06.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 8 K 8191/14
Fundstellen
BFH/NV 2020, 885