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BFH - Entscheidung vom 19.09.2019

III R 29/17

Normen:
InvZulG 1999 § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Satz 3
InvZulG 2010 § 3 Abs. 1 Satz 2
InvZulG (1999) § 2 Abs. 1
InvZulG (2010) § 3 Abs. 1 S. 2
InvZulG (1999) § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und S. 3

Fundstellen:
DStRE 2020, 614

BFH, Urteil vom 19.09.2019 - Aktenzeichen III R 29/17

DRsp Nr. 2020/746

Gewährung einer Investitionszulage für einen Betrieb, der aus in einem Steinbruch gewonnene Hartsteine Splitter und Mineralgemische erzeugt und abgebaute Sande und Krise aufbereitet

NV: Ein Betrieb, der aus den im Steinbruch gewonnenen Hartsteinen durch mehrmaliges Brechen, Mahlen, Sieben und Waschen sowie Beimischen Splitte und Mineralgemische erzeugt und abgebaute Sande und Kiese durch Sieben, Waschen und Brechen aufbereitet, ist nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen (vgl. Senatsurteil vom 18.05.2017 - III R 20/14, BFHE 259, 188 , BStBl II 2017, 1167 ); das gilt auch dann, wenn zugekaufter Sand beigemischt wird und die Tätigkeiten nicht "auf dem Gelände des Steinbruchs" selbst, sondern "außerhalb von Steinbrüchen" ausgeführt werden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28.09.2017 - 1 K 716/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

InvZulG 1999 § 2 Abs. 1 , § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Satz 3; InvZulG 2010 § 3 Abs. 1 Satz 2;

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist im Wesentlichen in den Bereichen Gewinnung und Aufbereitung von Hartsteinen, von Kies und Sanden und daneben in der Herstellung von Transportbeton tätig. Aus den gewonnenen Hartsteinen werden durch mehrmaliges Brechen, Mahlen, Sieben und Waschen sowie durch Beimischen Splitte und Mineralgemische erzeugt. Die abgebauten Kiese und Sande werden durch Sieben, Waschen und Brechen aufbereitet. Die fertigen Endprodukte müssen bestimmten Industrienormen genügen, um beispielsweise im Straßenbau eingesetzt werden zu können.

Die Klägerin beantragte am 01.03.2005 für das Kalenderjahr 2004 eine Investitionszulage. Ihre ausgeübten Tätigkeiten bezeichnete sie mit "Gewinnung, Aufbereitung: Kies, Sand, Schotter, Splitt". Weiter gab sie an, dass der Betrieb, in dem die (zu fördernden) Wirtschaftsgüter verbleiben oder verwendet werden sollten, nach der (jeweils anzuwendenden) Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ) einer des verarbeitenden Gewerbes "nach Wertschöpfung 26.7 bzw. 26.8" sei. Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 2.192.964,38 € und einem Investitionszulagensatz von 25 % beantragte sie eine Investitionszulage in Höhe von 548.241,10 €.

Mit Bescheid vom 16.05.2006 lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Antrag auf Investitionszulage ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 03.06.2014).

Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens legte die Klägerin eine Wertschöpfungsberechnung für das Streitjahr 2004 vor. Hieraus ergab sich nach Ansicht der Klägerin ein deutliches Überwiegen der Wertschöpfung aus der Verarbeitung (8.071.921,80 €, 67,7 %) im Verhältnis zur Wertschöpfung aus dem Bergbau (3.848.503,59 €, 32,3 %), sodass ihr Betrieb dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen und daher investitionszulagebegünstigt sei.

Das Finanzgericht (FG) des Landes Sachsen-Anhalt wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 307 veröffentlichten Urteil vom 28.09.2017 – 1 K 716/14 als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 28.09.2017 – 1 K 716/14 aufzuheben und der Klage mit der Maßgabe stattzugeben, dass entsprechend dem erstinstanzlichen Klageantrag der Bescheid vom 16.05.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 03.06.2014 aufgehoben werden und das FA verpflichtet wird, für das Kalenderjahr 2004 eine Investitionszulage in Höhe von 469.143,35 € festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin die begehrte Investitionszulage nicht zusteht, da sie im Streitjahr keinen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 des Investitionszulagengesetzes ( InvZulG ) 1999 unterhielt.

a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 3 InvZulG 1999 sind u.a. Wirtschaftsgüter begünstigt, die zum Anlagevermögen eines im Fördergebiet belegenen Betriebs des verarbeitenden Gewerbes gehören.

b) Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes bestimmt sich nach der WZ. Der Gesetzgeber hat die Maßgeblichkeit der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen WZ zwar erstmals in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010 ausdrücklich angeordnet. Der Senat hält aber an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht auch für frühere Gesetzesfassungen nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden WZ bestimmt, im Streitfall also nach der WZ 2003. Die Gerichte haben hierbei die Einordnung eines Betriebs in eine Kategorie der WZ unabhängig von der Einordnung durch die Statistikbehörde zu prüfen und gegebenenfalls selbst vorzunehmen (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 18.05.2017 – III R 20/14, BFHE 259, 188 , BStBl II 2017, 1167 , Rz 19, m.w.N.).

2. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Klägerin im Streitjahr keinen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 unterhielt. Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit ist dem Abschnitt C der WZ 2003 (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden), Unterabschnitt CB (Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau), Abteilung 14 (Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau), Gruppe 14.1 (Gewinnung von Natursteinen), Klasse 14.11 (Gewinnung von Naturwerksteinen und Natursteinen ...) der WZ 2003 zuzuordnen.

a) Nach den Erläuterungen der WZ 2003 umfasst der Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden) neben der Gewinnung bestimmter mineralischer Rohstoffe auch zusätzliche Tätigkeiten, die für den Transport und Absatz mineralischer Erzeugnisse erforderlich sind. Die Abteilung 14 (Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau) umfasst u.a. den Betrieb von Steinbrüchen und das Mahlen von Steinen. Die Verarbeitung wird hiernach zwar ausgeschlossen, dies gilt aber nicht für das Brechen, Mahlen, grobe Behauen, Waschen, Trocknen, Sortieren und Mischen der gewonnenen Minerale.

b) Diese Voraussetzungen erfüllt die Tätigkeit der Klägerin in den Bereichen Gewinnung und Aufbereitung von Hartsteinen und von Kies und Sanden. Nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO ) erzeugt die Klägerin aus den gewonnenen Hartsteinen durch mehrmaliges Brechen, Mahlen, Sieben und Waschen sowie durch Beimischen Splitte und Mineralgemische und bereitet die abgebauten Sande und Kiese durch Sieben, Waschen und Brechen auf.

aa) Soweit den (Mineral–)Gemischen teilweise (zugekaufter) Sand beigemischt wird, ist diese Tätigkeit dem allgemeinen Aufbereitungsvorgang der Mineralien zuzuordnen (Senatsurteil in BFHE 259, 188 , BStBl II 2017, 1167 , Rz 24). Auch soweit die Klägerin mehrfach Natursteine mahlt und mischt, sind diese zusätzlichen Tätigkeiten nicht dem verarbeitenden Gewerbe, sondern dem Bergbau zuzuordnen.

bb) Dabei ist es unerheblich, ob diese Tätigkeiten "auf dem Gelände des Steinbruchs" oder "außerhalb von Steinbrüchen" in weiteren maschinellen Anlagen ausgeführt werden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich auch aus der WZ 2003 nicht entnehmen, dass nur Tätigkeiten, die unmittelbar im Steinbruch ausgeführt werden, dem Bergbau zugeordnet werden können. Soweit sich die Klägerin auf die WZ 2003 Unterabschnitt CB 14.11.1 und 14.11.2 beruft, nach der vom Bergbau nicht "die Be– und Verarbeitung von Naturwerksteinen bzw. Natursteinen, anderweitig nicht genannt außerhalb von Steinbrüchen" erfasst werden, wird zur Klarstellung in diesem Unterabschnitt ausdrücklich auf den Unterabschnitt 26.70.1 und 26.70.2 zum Verarbeitenden Gewerbe D hingewiesen. Hieraus ergibt sich, dass zum Verarbeitenden Gewerbe nur die Steinbildhauerei und Steinmetzerei (26.70.1 WZ 2003) und die "Formgebende Verarbeitung von Natursteinen für die Verwendung im Baugewerbe und Straßenbau, z.B. als Pflaster–, Bord– oder Prellsteine, für Dacheindeckungen, usw." (26.70.2 WZ 2003) gerechnet werden. Mit dieser Art der formgebenden Verarbeitung sind die von der Klägerin hergestellten Gemische nicht vergleichbar. Darüber hinaus wird in den Erläuterungen zu Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die von diesem Abschnitt erfassten Tätigkeiten, wie z.B. Zerkleinern, Mahlen, Waschen, Sortieren usw. häufig von den Förderstellen selbst und/oder nahe der Förderstelle gelegenen Betrieben ausgeführt werden.

cc) Für eine Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zu Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden) der WZ 2003 spricht auch ein Vergleich mit dem Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2002 (GP 2002). Nach der Rechtsprechung des Senats ist das GP ein geeignetes Hilfsmittel, um anhand der charakteristischen Produkte die einzelnen Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. Senatsurteil in BFHE 259, 188 , BStBl II 2017, 1167 , Rz 26, m.w.N.). Das GP 2002 ordnet gebrochene Natursteine für den Wegebau, insbesondere Brechsande, Körnungen, Wasserbausteine, Schrotten und andere gebrochene Natursteine sowie sonstige Körnungen und Splitt (nicht für den Wegebau) der Güterabteilung 14 (Steine und Erden, sonstige Bergbauerzeugnisse) zu (vgl. Meldenummern 1421 12 301 bis 309 und 930 des GP 2002).

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt auch keine die Revisionsinstanz bindende (§ 118 Abs. 2 FGO ) tatrichterliche Feststellung des FG vor, wonach die Tätigkeit der Klägerin dem Verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen sei. Das FG hat lediglich festgestellt, dass die Tätigkeiten der Klägerin "Verarbeitungsprozesse" darstellten, nicht aber, dass die Klägerin eine Tätigkeit i.S. des Abschnitts D "Verarbeitendes Gewerbe" der WZ 2003 ausgeübt habe.

Die "Verarbeitungsprozesse" führen —anders als die Klägerin meint— nicht zu einer Zuordnung sowohl zum Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden) als auch zum Abschnitt D (Verarbeitendes Gewerbe). Vielmehr führt die WZ 2003 unter Abschnitt D "Verarbeitendes Gewerbe" ausdrücklich aus, dass es "umgekehrt ... auch Tätigkeiten (gebe), die zwar zum Verarbeitenden Gewerbe gerechnet werden könnten, in der WZ 2003 jedoch in einen anderen Abschnitt eingeordnet werden". Hierzu gehörten "Aufbereitung von Erzen und anderen Mineralen, eingeordnet in Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden)".

d) Für die Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin dem Bergbau zugeordnet werden kann, ist auch nicht entscheidend, ob der Sand oder Splitt, der zur Beimischung verwendet wird, zugekauft oder selbst erzeugt wird. Das FG weist insoweit zu Recht darauf hin, dass das bloße Mischen kein unter D der WZ 2003 unterfallender Verarbeitungsprozess ist. Auf die Herkunft des eingesetzten Mischstoffes kommt es daher nicht an. Vielmehr ist das Mischen mit eigenen oder zugekauften Stoffen —s.o. II.2.aa— dem Aufbereitungsvorgang und damit dem Bergbau zuzurechnen.

e) Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass Betriebe, in denen Hartstein gewonnen wird, nur für statistische Zwecke dem Bergbau, nach der Verkehrsanschauung aber dem Verarbeitenden Gewerbe zugerechnet werden, was sich aus den Schreiben des Statistischen Bundesamts vom 15.04.2002 und 23.10.2006 ergebe, führt dies nicht zu der von ihr begehrten Einordnung zum Verarbeitenden Gewerbe.

Denn auch wenn die WZ lediglich statistische Ordnungsfunktion hat, kann nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— (Beschluss vom 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1 ) die Klassifikation der Wirtschaftszweige zur Auslegung des Rechtsbegriffs "Verarbeitendes Gewerbe" herangezogen werden. Es beeinträchtigt weder die Gesetzesbindung der Gerichte noch den Anspruch des Einzelnen auf wirksame gerichtliche Kontrolle, wenn ein unbestimmter Rechtsbegriff durch die gesetzliche Verweisung auf bestimmte Verwaltungsvorschriften oder untergesetzliche Regelwerke konkretisiert wird oder wenn die konkretisierende Heranziehung solcher Vorschriften oder Regelwerke in vergleichbarer Weise auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 129, 1 ; Senatsurteile vom 22.09.2011 – III R 64/08, BFHE 236, 168 , BStBl II 2012, 538 , Rz 14; vom 14.04.2016 – III R 10/15, BFH/NV 2016, 1493 , Rz 18). Eine allgemeine Definition des Begriffs "Verarbeitendes Gewerbe" durch den Bundesfinanzhof (BFH) ist somit nicht erforderlich. Aus der grundsätzlichen Anknüpfung an die in der WZ enthaltenen Zuordnungen und Einteilungen ergibt sich auch, dass bei Anwendung des Begriffs "Verarbeitendes Gewerbe" keine Unterscheidung zu treffen ist zwischen steuerrechtlicher und statistischer Terminologie (Senatsbeschluss vom 06.02.2013 – III B 116/12, BFH/NV 2013, 776 , Rz 9).

3. Soweit die Klägerin geltend macht, die Begründung der Vorentscheidung lasse eine hinreichende Subsumtion unter die WZ 2003 vermissen, ist die Rüge eines Verfahrensmangels nach § 119 Nr. 6 FGO nicht schlüssig erhoben. Sie wäre es, wenn —nach dem Revisionsvorbringen— nicht zu erkennen wäre, welche Überlegungen für das FG maßgeblich wären (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 05.01.2017 – VI B 8/16, BFH/NV 2017, 602 , Rz 3, m.w.N.). Aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin ergibt sich jedoch, dass die Vorentscheidung nicht mit diesem Mangel behaftet sein kann. Denn die Klägerin selbst weist zu Recht darauf hin, dass aus den allgemeinen Ausführungen des FG entnommen werden könne, dass es unter den Unterabschnitt CB, Ziffer 14 subsumierte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Sachsen-Anhalt, vom 28.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 716/14
Fundstellen
DStRE 2020, 614