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BFH - Entscheidung vom 09.01.2019

I B 138/17

Normen:
DBA-Großbritannien 1964/1970 Art. XI Abs. 1 Satz 1
DBA-Großbritannien (1964/1970) Art. XI Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2019, 681
IStR 2019, 553

BFH, Beschluss vom 09.01.2019 - Aktenzeichen I B 138/17

DRsp Nr. 2019/7987

Begriff der festen Einrichtung i.S. von Art. XI Abs. 1 S. 1 DBA -Großbritannien 1964/1970

NV: Ein Schließfach, das einem als Subunternehmer mit der Wartung von Flugzeugen befassten Ingenieur zur Aufbewahrung der von ihm zu stellenden Werkzeuge zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung steht, ist eine feste Einrichtung i.S. von Art. XI Abs. 1 Satz 1 DBA -Großbritannien 1964/1970.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 30. November 2017 1 K 123/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Normenkette:

DBA -Großbritannien 1964/1970 Art. XI Abs. 1 Satz 1;

Gründe

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Flugzeugingenieur und Inhaber von Lizenzen zur Wartung von Flugzeugen des Typs Airbus A300 und Boeing 757. Er bewohnte in den Streitjahren (2008 bis 2010) Wohnungen sowohl in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) als auch in Großbritannien. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befand sich in Großbritannien.

Der Kläger wartete in den Streitjahren auf der Grundlage eines "Freelancer Contract" im Auftrag der britischen H–Ltd. in einem Hangar auf dem Gelände des Flughafens in X (Inland) Frachtflugzeuge. Die H–Ltd. ihrerseits war im Auftrag der in X ansässigen E–GmbH tätig, der Charterin und Betreiberin der Flugzeuge. Nach Darstellung des Klägers verrichtete er die Arbeiten als Arbeitnehmer der EA–Ltd., die als Subunternehmerin für die H–Ltd. tätig gewesen sei. Die EA–Ltd. ist eine britische Kapitalgesellschaft, deren Direktor und alleiniger Anteilsinhaber der Kläger ist. Nach Einschätzung des Bundeszentralamts für Steuern handelt es sich um eine wirtschaftlich inaktive "Briefkastenfirma".

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) behandelte die von der H–Ltd. in den Streitjahren bezogene Vergütung des Klägers als unbeschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die EA–Ltd. sei vom Kläger lediglich vorgeschoben worden; Auftragnehmer der H–Ltd. sei der Kläger persönlich gewesen. Das Besteuerungsrecht an der Vergütung stehe abkommensrechtlich Deutschland zu, weil der Kläger für seine Wartungstätigkeit in den von der H–Ltd. angemieteten Räumen über eine feste Einrichtung i.S. von Art. XI Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 (BGBl II 1966, 359 , BStBl I 1966, 730 ) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl II 1971, 46 , BStBl I 1971, 140 ) —DBA–Großbritannien 1964/1970— verfügt habe.

Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Sächsische Finanzgericht (FG) hat sie mit Urteil vom 30. November 2017 1 K 123/17 als unbegründet abgewiesen.

Der Kläger beantragt mit seiner Beschwerde, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

1. Das FG-Urteil weicht nicht von dem Senatsurteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07 (BFHE 222, 14 , BStBl II 2008, 922 ) ab (Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs —BFH— zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Denn beiden Entscheidungen liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.

Wie jenes Senatsurteil geht auch das FG in der angefochtenen Entscheidung von dem rechtlichen Grundsatz aus, dass die für die Annahme einer festen Einrichtung (bzw. Betriebsstätte) erforderliche Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen bei bloßer Berechtigung zur Nutzung eines Raums im Interesse eines anderen, d.h. bei einer rein tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit nicht gegeben ist, sondern dass bei einem Tätigwerden in fremden Räumlichkeiten ohne einen entsprechenden rechtlichen Anspruch zusätzliche Umstände hinzukommen müssen, die auf eine örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen, in der sich eine gewisse Verwurzelung des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt (Urteilsumdruck S. 15).

Die Bejahung der festen Einrichtung hat das FG damit begründet, dass der Streitfall vom Tatsächlichen her anders gelegen habe als der dem Senatsurteil in BFHE 222, 14 , BStBl II 2008, 922 zugrunde liegende Sachverhalt. U.a. habe der Kläger die für die Wartungsarbeiten erforderlichen Werkzeuge selbst zu stellen gehabt und sei ihm hierfür in einem Raum neben dem Hangar ein mit seinem Namen und dem Namen seiner Auftraggeberin versehenes Schließfach zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt worden. Ein vergleichbarer Sachverhalt hat in dem Fall des Senatsurteils in BFHE 222, 14 , BStBl II 2008, 922 nicht vorgelegen. Mithin hat das FG eine Abgrenzung von dem Senatsurteil in tatsächlicher, nicht aber auch in rechtlicher Hinsicht vorgenommen. Dass die Differenzen der beiden Sachverhalte nach Auffassung der Klägerin eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht rechtfertigen, ist für das Vorliegen einer Rechtsprechungsdivergenz unerheblich. Denn eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen oder ein bloßer Subsumtionsfehler genügen dafür nicht (z.B. BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116 ).

2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

Der Kläger beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung folgender Frage:

"Genügt es in dem Fall, in dem der Hauptauftragnehmer gegenüber dem (Sub-)Unternehmer vertraglich verpflichtet ist, diesem über die gesamte Vertragsdauer hinweg für die gegenüber dem Hauptauftraggeber zu erbringenden Arbeiten geeignete Räumlichkeiten auf dem Gelände des Hauptauftraggebers zur Verfügung zu stellen, wobei diese Räume allerdings auch anderen (Sub-)Unternehmern zur Nutzung zur Verfügung stehen, zur Annahme einer abkommensrechtlichen inländischen Betriebsstätte bzw. festen Einrichtung des (Sub-)Unternehmers im Sinne des Art. XI Abs. 1 Satz 2 DBA GB a.F./Art. 5 Abs. 1 DBA GB, dass

- der Unternehmer eine qualifizierte Tätigkeit ausübt,

- der Unternehmer nur eine vertragliche Beziehung zu dem Hauptauftragnehmer hat, der seinerseits die Räumlichkeiten vom Hauptauftraggeber gemietet hat

und

- dem Unternehmer die ausschließliche Nutzung eines Spinds und eines Schließfachs unmittelbar von dem Hauptauftragnehmer eingeräumt wird."

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung aus diesen vom Kläger benannten Aspekten scheidet hier jedoch aus, weil eine feste Einrichtung auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen jedenfalls darin zu sehen ist —und die diesbezügliche Rechtsfrage vom FG daher offenkundig richtig beantwortet und nicht klärungsbedürftig ist (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Mai 2018 I B 114/17, BFH/NV 2018, 1092 )—, dass dem Kläger während der gesamten Vertragslaufzeit ein Schließfach zur ausschließlichen und eigenständigen Nutzung zur Verfügung stand, in dem er die von ihm nach den vertraglichen Vereinbarungen mit seiner Auftraggeberin selbst zu stellenden Wartungswerkzeuge aufbewahrt hat. Die weiteren vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen in Zusammenhang mit dem Merkmal der festen Einrichtung sind somit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.

Soweit der Kläger den Bezug des Schließfachs zu seiner unternehmerischen Betätigung in Abrede stellt, weil er die Werkzeuge jeweils nur dann dort aufbewahrt habe, wenn er sie nicht unmittelbar für die Wartungsarbeiten benötigt habe, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr dient auch eine sichere Aufbewahrung der für die unternehmerische Tätigkeit benötigten Werkzeuge während der Zeiträume, in denen nicht mit ihnen gearbeitet wird, der unternehmerischen Betätigung. Durch die Rechtsprechung geklärt ist im Übrigen, dass die Nutzung der Einrichtung weder einen größeren Umfang noch für das Unternehmen eine besondere Bedeutung haben muss. Vielmehr können auch untergeordnete betriebliche Vorgänge zum Vorliegen einer festen Einrichtung führen (s. zur Betriebsstätte z.B. Senatsbeschluss vom 30. August 1960 I B 148/59 U, BFHE 71, 585 , BStBl III 1960, 468 ; Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 I R 56/08, BFHE 228, 356 , BStBl II 2010, 492 ; Buciek in Gosch, AO § 12 Rz 19, m.w.N.).

3. Auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ) führen nicht zur Zulassung der Revision.

a) Als Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ) rügt der Kläger, das FG sei in den Entscheidungsgründen davon ausgegangen, die H–Ltd. sei gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichtet gewesen, diesem die von der E–GmbH angemieteten Räumlichkeiten sowie Spind und Schließfach zur Nutzung zu überlassen, obwohl sich eine solche vertragliche Verpflichtung weder aus den Regelungen des "Freelancer Contract" noch aus den sonstigen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils ergebe.

Hieraus lässt sich indessen ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO schon deshalb nicht ableiten, weil es sich nicht um einen Verfahrensmangel in Form des Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten, sondern um einen materiell-rechtlichen Fehler handelt, wenn eine vom FG ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2010 VII B 190/09, BFH/NV 2010, 1120 ; Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung , 8. Aufl., § 115 Rz 81). Im Übrigen hat das FG in den Entscheidungsgründen die Auffassung vertreten, es reiche für die Annahme einer Verfügungsmacht über die feste Einrichtung aus, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen sei, dass die Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen nicht bestritten werde (Urteilsumdruck S. 15). Daher fehlt es auch an der Kausalität des gerügten Fehlers für das Ergebnis des angefochtenen Urteils.

b) Ebenfalls unbegründet ist die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO dadurch verletzt, dass es dem in der mündlichen Verhandlung vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellten Beweisantrag, den Zeugen B zu der Frage zu hören, wie die Vertragsverhältnisse zwischen der H–Ltd. und der EA–Ltd. gelebt wurden, nicht entsprochen habe. Das FG hat durch die Ablehnung des Beweisantrags die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht nicht verletzt.

Die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordert, dass das FG Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles hätten aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juli 2016 V B 4/16, BFH/NV 2016, 1740 ). Es darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen (BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2016 VI B 50/16, BFH/NV 2017, 598 ). Demgegenüber muss das FG unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen. Ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll (BFH-Urteil vom 17. Mai 2017 II R 35/15, BFHE 258, 95 , BStBl II 2017, 966 ). Beweisermittlungs- oder –ausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen (BFH-Beschluss vom 2. September 2016 IX B 66/16, BFH/NV 2017, 52 ).

Nach diesen Maßgaben hat das FG den Beweisantrag des Klägers zu Recht als unsubstantiierten Ausforschungsantrag angesehen. Die Angabe, wie ein Vertragsverhältnis "gelebt" worden sei, ist gänzlich unbestimmt und lässt auch unter der vom Kläger eingeforderten verständigen Würdigung keinerlei Rückschluss auf konkrete und entscheidungserhebliche Tatsachen zu, über die der Zeuge Aussagen treffen könnte.

c) Auch der Rüge, das FG habe den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO , Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ) verletzt, indem es das Vorbringen in dem nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 nicht zur Kenntnis genommen und nicht über den darin enthaltenen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entschieden habe, ist kein Erfolg beschieden. Das FG konnte diesen Schriftsatz, der erst am Abend des 11. Dezember 2017 (19:26 Uhr) per Telefax beim FG eingegangen war, nicht mehr berücksichtigen. Denn ausweislich der Akten hatte die Geschäftsstelle des FG die gemäß § 104 Abs. 2 FGO an Stelle einer Verkündung zur Zustellung an die Beteiligten vorgesehenen Urteilsausfertigungen bereits am 8. Dezember 2017 zur Post gegeben. Nach Absendung der Urteilsausfertigungen zur Zustellung war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht mehr möglich (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1989 VII R 64/86, BFH/NV 1989, 702 ; BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2006 IX B 128/06, BFH/NV 2007, 738 ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Sachsen, vom 30.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 123/17
Fundstellen
BFH/NV 2019, 681
IStR 2019, 553