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BVerwG - Entscheidung vom 03.08.2018

6 B 62.18 (6 C 19.18)

Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2

BVerwG, Beschluss vom 03.08.2018 - Aktenzeichen 6 B 62.18 (6 C 19.18)

DRsp Nr. 2018/14920

Zulassung einer Revision wegen Divergenz; Verpflichtung eines Prüfers zur Begründung der Prüfungsentscheidungen

Tenor

Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 13. November 2017 - 5 A 538/16 - wird aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit vorläufig - für das Revisionsverfahren auf jeweils 15 000 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 12 Abs. 1 ; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zuzulassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts folgt aus Art. 12 Abs. 1 GG der Rechtssatz, dass zum Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit bei berufsbezogenen Prüfungsentscheidungen in einem verwaltungsinternen Kontrollverfahren gewährleistet sein muss, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistungen korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten Grundlage - erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 2005 - 6 B 45.05 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 408 und vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417; grundlegend BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 <137> sowie BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45 ff.>).

Nach dieser Rechtsprechung besteht bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ein grundrechtlich fundierter Anspruch des Prüflings, dass die Prüfer seine Einwände gegen ihre Wertungen überdenken; es ist ausgeschlossen, dass ohne erneute Beteiligung der Prüfer über die Berechtigung der substantiierten Einwendungen des Prüflings gegen prüfungsspezifische Wertungen entschieden und von der Durchführung eines Überdenkensverfahrens allein aufgrund der von den Prüfern abgegebenen Begründung der Bewertung der Prüfungsleistung abgesehen wird. Weder die Prüfungsbehörde bzw. hier der Prüfungsausschuss noch die Verwaltungsgerichte sind befugt, sich anstelle der Prüfer mit den Einwänden auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob die Bewertungen der Prüfungsleistungen zu ändern sind. Dies obliegt allein den Prüfern im Überdenkensverfahren.

Von diesem Rechtssatz ist das Oberverwaltungsgericht in entscheidungserheblicher Weise abgewichen, soweit es bei substantiierten Einwänden des Prüflings gegen prüfungsspezifische Wertungen einer berufsbezogenen Studienprüfung einen Anspruch auf Durchführung des Überdenkensverfahrens verneint hat, wenn die Prüfer in ihrer Begründung der Bewertung der Prüfungsleistung zu diesen Einwänden bereits hinreichend Stellung genommen haben. Der Zweck des Überdenkens liegt auch darin, bereits getroffene Wertungen in Frage zu stellen.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG ; die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 , § 52 Abs. 1 , § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen, vom 13.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 A 538/16