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BVerwG - Entscheidung vom 30.08.2018

7 B 5.18

Normen:
IFG Bln § 9 Abs. 1 S. 2
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 30.08.2018 - Aktenzeichen 7 B 5.18

DRsp Nr. 2018/15449

Zugangsanspruch zu den Akten über ein Investitionsprojekt in Berlin hinsichtlich nachteiliger Auswirkungen für das Land Berlin bei der Durchführung eines laufenden Zivilverfahrens i.R.d. abgeschlossenen Grundstückskaufverträge

1. Eine "aktenwidrige Entscheidung" liegt vor, wenn der Streitstoff, den das Tatsachengericht seiner Entscheidung zu Grunde legt, von dem tatsächlichen Streitstoff, wie er sich aus den Akten ergibt, zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht, sei es dass er darüber hinausgeht, indem aktenwidrig - "ins Blaue hinein" - Tatsachen angenommen werden, sei es dass er dahinter zurückbleibt, indem Akteninhalt übergangen wird.2. Die Vorinstanz hat kein revisibles Bundesrecht angewandt, wenn sie eine Norm des Bundesrechts lediglich als Auslegungshilfe oder zur Bekräftigung herangezogen hat, um den maßgeblichen Inhalt der allein einschlägigen irrevisiblen Norm zu gewinnen. Ebenso wie die allgemeinen Auslegungsregeln gehören Vorschriften, Begriffe und Rechtsgrundsätze des Bundesrechts dem Landesrecht an, wenn sie zur Auslegung landesrechtlicher Vorschriften ergänzend und lückenfüllend herangezogen werden. Anders verhält es sich dann, wenn die Vorinstanz die einschlägige Norm des irrevisiblen Rechts dahin ausgelegt hat, deren Inhalt werde durch eine bundesrechtliche Norm bestimmt. Dasselbe gilt, wenn sie die Auslegung der irrevisiblen Norm wesentlich vom Verständnis einer bundesrechtlichen Norm abhängig gemacht hat

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Dezember 2017 aufgehoben, soweit das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 2016 hinsichtlich der Gewährung des Zugangs zu Band III, Blätter 76 und 77 sowie zu Band IV, Blatt 38 des Vorgangs I D-VV 9171-15/2005 der Senatsverwaltung für Finanzen des Beklagten zurückgewiesen hat.

Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 3/4. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

IFG Bln § 9 Abs. 1 S. 2; VwGO § 108 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I

Die Klägerin ist eine Investitionsgesellschaft. Sie begehrt - gestützt auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz - Zugang zu den Akten des Beklagten über ein Investitionsprojekt in B., zu dessen Realisierung die Beteiligten im Jahr 2000 bedingte Grundstückskaufverträge schlossen. Im Nachgang entstand Streit über deren Wirksamkeit, den Eintritt von Vertragsbedingungen sowie die Verwendung von Löschungsbewilligungen. Vor dem Kammergericht ist zwischen den Beteiligten insoweit ein Zivilprozess anhängig.

Vor dem Verwaltungsgericht hatte die Klage teilweise Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und den Zugang der Klägerin zu begehrten Akten weiter eingeschränkt. Im Übrigen hat es die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II

Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist begründet, soweit das Oberverwaltungsgericht dessen Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Gewährung von Zugang zu Band III, Blätter 76 und 77 sowie zu Band IV, Blatt 38 des Vorgangs I D-VV 9171-15/2005 der Senatsverwaltung für Finanzen des Beklagten zurückgewiesen hat. Insoweit leidet das Urteil unter Verfahrensmängeln, auf denen die Entscheidung beruht (1.). Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Weder liegen die weiter geltend gemachten Verfahrensmängel vor (2.), noch rechtfertigt das Beschwerdevorbringen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (3.). Dies führt zur teilweisen Aufhebung der Berufungsentscheidung und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberverwaltungsgericht (4.).

1. Bei der Zurückweisung der Berufung im Hinblick auf den Zugang zu den Blättern 76 und 77, Band III, und Blatt 38, Band IV, des Vorgangs I D-VV 9171-15/2005 ist dem Oberverwaltungsgericht ein Verfahrensfehler bei der Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) unterlaufen.

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Grenzen der "Freiheit" des Gerichts sind jedoch überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Solche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 8 C 5.11 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 28 Rn. 24 m.w.N.).

Eine "aktenwidrige Entscheidung" liegt erst vor, wenn der Streitstoff, den das Tatsachengericht seiner Entscheidung zu Grunde legt, von dem tatsächlichen Streitstoff, wie er sich aus den Akten ergibt, zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht, sei es dass er darüber hinausgeht, indem aktenwidrig - "ins Blaue hinein" - Tatsachen angenommen werden, sei es dass er dahinter zurückbleibt, indem Akteninhalt übergangen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 8 C 5.11 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 28 Rn. 25).

Davon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht Teile des auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalts übergangen.

Nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts steht dem begehrten Zugang zu den Blättern 67 und 68, Band III, der Ausschlusstatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz - IFG Bln) vom 15. Oktober 1999 (GVBl. Bln S. 561, zuletzt geändert durch Art. 21 des Gesetzes vom 2. Februar 2018, GVBl. Bln S. 160) entgegen. Nach dieser Vorschrift besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit und solange durch das vorzeitige Bekanntwerden des Akteninhalts nachteilige Auswirkungen für das Land Berlin bei der Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens zu befürchten sind. Dies trifft nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts insbesondere auf solche Rechtsgutachten und gutachterliche Stellungnahmen mandatierter Rechtsberater zu, die sich zum Gegenstand des laufenden Zivilprozesses verhalten und nicht nach zivilprozessualen Grundsätzen offengelegt werden müssen. Hiervon ist das Oberverwaltungsgericht für die Blätter 67 und 68, Band III, gestützt auf das als Anlage 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 28. November 2017 vorgelegte Aktenverzeichnis ausgegangen (UA S. 19 ff., 20; juris Rn. 45 ff., 47). Ausweislich der Anlage 2 enthält Blatt 67 eine "Zusammenstellung der rechtlichen Einschätzungen über Rechte der Parteien", sich vom Grundstückskaufvertrag zu lösen sowie "Zitate aus Rechtsgutachten von Hammonds, Olswang, Schellenberg", den Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Zivilprozess. Zu Blatt 68, Band III, ist in Anlage 2 "1. Absatz schwärzen, wie 67" vermerkt.

Soweit das Oberverwaltungsgericht den Ausschlusstatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln für die Blätter 76 und 77, Band III, dagegen verneint hat, hat es offenbar übersehen bzw. jedenfalls nicht thematisiert, dass für die Blätter 74 bis 77, Band III, in der Anlage 2 "wie 65 - 68" verzeichnet ist. Angesichts dieser Verweisung liegt die Annahme nahe, dass die Blätter 76 und 77 denselben Inhalt aufweisen wie die Blätter 67 und 68 und folglich - nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts - ebenfalls von § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln erfasst werden. Aus dem Einwand der Klägerin, die Verwendung des Begriffs "wie" deute nicht auf eine Dublette, weil der Beklagte dafür in der Anlage 2 die Begriffe "Kopie von" oder "identisch mit" benutzt habe, folgt nichts Anderes. Ihr Vorbringen, der Begriff "wie" bezöge sich in Anlage 2 nur auf die Begründung des Ausschlussgrundes und nicht die Beschreibung des Akteninhalts, wird durch die Anlage nicht bestätigt. Abgesehen davon, dass der Begriff "wie" darin auch zur Beschreibung des Akteninhalts verwendet wird (vgl. etwa Blatt 30 - 32, Band II, "wie 25 - 28"), finden sich in der Anlage 2 noch verschiedene andere Begriffe, die erkennbar dasselbe ausdrücken sollen ("identisch wie", "identisch mit"). Das Oberverwaltungsgericht hatte danach jedenfalls Anlass, der Frage einer inhaltlichen Übereinstimmung der Blätter 76 und 77, Band III, mit den Blättern 67 und 68, Band III, weiter nachzugehen. Dies gilt umso mehr als der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. November 2017 (S. 3) ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die Vorgänge eine erhebliche Anzahl von Duplikaten enthielten.

Gleiches gilt im Ergebnis für Blatt 38, Band IV, für das in der Anlage 2 die Anmerkung "1. Absatz schwärzen, wie 67" verzeichnet ist, das Oberverwaltungsgericht einen Ausschlussgrund aber verneint hat.

Zwar hat es der Beklagte versäumt, neben der Blattnummer 67 auch den einschlägigen Aktenband III zu bezeichnen. Diese darstellerische Unschärfe ist aber unschädlich. Nach der in der Anlage 2 einheitlich gehandhabten "Verweisungstechnik", von der höheren Band- und Blattzahl auf die niedrigere Band- und Blattzahl zu verweisen, lag es allerdings nahe, den Verweis in Band IV, Blatt 38 auf Blatt 67 als Verweis auf den dritten Band zu verstehen. Aber auch dann, wenn man den Verweis als einen solchen auf Blatt 67, Band IV, versteht, hätte das Oberverwaltungsgericht Blatt 38 von Band IV nicht freigeben dürfen. Denn in Band IV, Blatt 56 - 69, wird wiederum auf Band III, Blatt 101 - 114 bzw. 42 - 55 verwiesen. Die Blätter 42 - 55 in Band III hat das Berufungsgericht von der Einsichtnahme aber ebenso ausgenommen wie die auf Blatt 101 - 114 enthaltenen Dubletten hiervon.

2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Hinsichtlich der Blätter 30 und 59, Band III, sowie der Blätter 24 und 25, Band IV, ist dem Oberverwaltungsgericht weder eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) noch ein Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot anzulasten.

Hinsichtlich dieser Blätter war für das Oberverwaltungsgericht nicht erkennbar, dass sie - wie die Beschwerde geltend macht - inhaltlich mit den Blättern 78 und 79 sowie 542 und 543, Band III, übereinstimmen, für die das Oberverwaltungsgericht den Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln bejaht hat. Gemäß Anlage 2 enthalten die Blätter 30 und 59, Band III, in den jeweils zu schwärzenden Absätzen "rechtliche Wertung und Überlegungen zur Interpretation des Kaufvertrages". Für Blatt 24, Band IV, ist in der Anlage "detaillierter rechtl Analyse der Handlungsmöglichkeiten und ihren Risiken" sowie für Blatt 25 "Schwärzen der ersten beiden Absätze, wie 24" verzeichnet. Ein Verweis auf die vermeintlich inhaltsgleichen Blätter 78 und 79, Band III, sowie 542 und 543, Band III, findet sich nicht. Der Hinweis der Beschwerde auf die Erläuterungen zum Akteninhalt in den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Anlagen B 13 und B 14 führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den eigenen Angaben des Beklagten im Schriftsatz vom 28. November 2017 ist die Anlage 2 das Ergebnis einer "noch feineren Klassifizierung und Beschreibung des maßgeblichen Akteninhalts". Vor diesem Hintergrund hatte das Oberverwaltungsgericht keinen Anlass, zur Ermittlung der Schutzwürdigkeit des Akteninhalts auf die "gröberen" Anlagen B 13 und B 14 zurückzugreifen. Dass das Oberverwaltungsgericht die Inhaltsangaben zu den Blättern 30 und 59, Band III, sowie 24 und 25, Band IV, in Anlage 2 als für die Annahme eines Ausschlussgrundes nicht hinreichend erachtet hat, stellt daher weder einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz noch den Grundsatz rechtlichen Gehörs oder das Willkürverbot dar, sondern betrifft die prozessuale Mitwirkungspflicht des Beklagten bzw. dessen Versäumnisse bei der schlüssigen Darlegung (der Schutzwürdigkeit) des Akteninhalts.

3. Die Beschwerde ist auch unbegründet, soweit der Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) geltend gemacht hat.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in einem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 7 B 5.17 - juris Rn. 6 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

a) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen

"Erfordert der vom Oberverwaltungsgericht zur Konkretisierung der Darlegungslast für den Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln herangezogene, zivilprozessuale Grundsatz, wonach die Parteien im Zivilprozess zwar zur Wahrheit verpflichtet sind, nicht aber dazu, über ihre jeweilige Darlegungslast hinaus dem Gegner mit zusätzlichem Vortrag eine Grundlage für Gegenansprüche, Einreden oder eine Widerklage zu verschaffen, in solchen Fällen eine Umkehr oder eine wesentliche Erleichterung dieser Darlegungs- und der dahinter stehenden Beweislast über ihre potentiellen nachteiligen Auswirkungen für das Land Berlin, in denen der Ausgang des zivilprozessualen Verfahrens materiellrechtlich, wie beispielsweise bei der geltend gemachten Verwirkung von Rechten, von der Gesamtwürdigung einer Vielzahl von Tatsachen, einschließlich Rechtstatsachen, in freier richterlicher Beweiswürdigung und ohne nähere materiellrechtliche Eingrenzung abhängt, so dass über die zivilprozessuale Bedeutung eines einzelnen Aktenstücks außerhalb dieses Zivilverfahrens keine verlässliche Prognose getroffen werden kann?"

und

"Erfordert der vom Oberverwaltungsgericht zur Konkretisierung der Darlegungslast für den Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln herangezogene, zivilprozessuale Grundsatz, wonach die Parteien im Zivilprozess zwar zur Wahrheit verpflichtet sind, nicht aber dazu, über ihre jeweilige Darlegungslast hinaus dem Gegner mit zusätzlichem Vortrag eine Grundlage für Gegenansprüche, Einreden oder eine Widerklage zu verschaffen, für solche bei einer informationspflichtigen Stelle vorliegenden Informationen eine Umkehr oder eine wesentliche Erleichterung dieser Darlegungs- und der dahinter stehenden Beweislast über ihre potentiellen nachteiligen Auswirkungen für das Land Berlin, die im Sinne interner Bewertungen des bereits eingetretenen, im zivilprozessualen Verfahren streitgegenständlichen Sachverhalts Handlungsoptionen, strategische Erwägungen und Prognosen über den Ausgang des zivilprozessualen Verfahrens darstellen, ohne selbst zum Streitgegenstand des zivilprozessualen Verfahrens zu gehören?"

wären in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie die Auslegung und Anwendung des nicht revisiblen § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln betreffen. An der mangelnden Revisibilität ändert auch der Umstand nichts, dass das Oberverwaltungsgericht diesen landesrechtlichen Ausschlusstatbestand in Abgrenzung zu den zivilprozessualen Bindungen (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO ) des Beklagten konkretisiert hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Vorinstanz kein revisibles Bundesrecht angewandt, wenn sie eine Norm des Bundesrechts lediglich als Auslegungshilfe oder zur Bekräftigung herangezogen hat, um den maßgeblichen Inhalt der allein einschlägigen irrevisiblen Norm zu gewinnen. Ebenso wie die allgemeinen Auslegungsregeln gehören Vorschriften, Begriffe und Rechtsgrundsätze des Bundesrechts dem Landesrecht an, wenn sie zur Auslegung landesrechtlicher Vorschriften ergänzend und lückenfüllend herangezogen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - 9 B 47.04 - juris Rn. 5). Anders verhält es sich dann, wenn die Vorinstanz die einschlägige Norm des irrevisiblen Rechts dahin ausgelegt hat, deren Inhalt werde durch eine bundesrechtliche Norm bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2008 - 9 C 17.07 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 24 Rn. 14 m.w.N.). Dasselbe gilt, wenn sie die Auslegung der irrevisiblen Norm wesentlich vom Verständnis einer bundesrechtlichen Norm abhängig gemacht hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2005 - 6 C 16.04 - Buchholz 442.2 Rundfunkrecht Nr. 40 Rn. 18 m.w.N.).

Davon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht hier entgegen der Auffassung der Beschwerde kein revisibles Recht angewandt. Seine Ausführungen zu den zivilprozessualen Bindungen nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO erschöpfen sich in deren Heranziehung als Auslegungs- und Abgrenzungshilfe bei der Bestimmung des Regelungsgehalts von § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln, namentlich der Darlegungsanforderungen, denen die informationspflichtige Stelle gerecht werden muss.

Die weiter aufgeworfene Frage

"Ist es von vornherein abstrakt rechtlich ausgeschlossen, für die Bestimmung des Umstandsmoments einer Verwirkung auf das spätere Verhalten des Berechtigten und auf später bekannt werdende Umstände abzustellen, die auf ein früher eingetretenes Umstandsmoment zurückschließen lassen?"

würde sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen.

Das Oberverwaltungsgericht hat einen derart weitreichenden Rechtssatz nicht aufgestellt. Seine Rechtsauffassung, das Umstandsmoment der Verwirkung setze für den Verpflichteten eines Rechtsverhältnisses zumindest wahrnehmbare Umstände voraus, schließt es nicht "von vornherein abstrakt rechtlich" aus, dass - worauf die Beschwerde in Anknüpfung an die zivilrechtliche Rechtsprechung maßgeblich abstellt - das nachträgliche Verhalten der Parteien Bedeutung für die Ermittlung des früheren Willens der an einem Rechtsgeschäft Beteiligten erlangen kann.

Aus der vom Beklagten in Bezug genommenen zivilrechtlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Juni 2005 - VIII ZR 214/04 - NJW-RR 2005, 1323 <1324> m.w.N.), wonach das nachträgliche Verhalten der Parteien eines Rechtsgeschäfts für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten von Bedeutung sein kann, ergibt sich nichts Abweichendes. Das Oberverwaltungsgericht behandelt die Frage, inwieweit sich Willen und Kenntnisstand eines Beteiligten bzw. rechtsgeschäftlich Verpflichteten rückwirkend verändern können. Demgegenüber bezieht sich die zivilrechtliche Rechtsprechung auf die - selbstverständlich mögliche - retrospektive Ermittlung eines bereits ursprünglich vorhandenen Willens oder Verständnisses der Beteiligten auch unter Berücksichtigung des nachträglichen Verhaltens der Parteien.

Auch die Frage

"Verstößt es gegen das bundesrechtliche, u.a. aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Willkürverbot, wenn der Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Satz 2 IFG Bln, wie im oberverwaltungsgerichtlichen Urteil geschehen, einerseits so auszulegen sein soll, dass mit der Begründung des Ausschlusses nicht zugleich die Inhalte der ausgeschlossenen Informationen offengelegt werden müssen und das Oberverwaltungsgericht in der gerichtlichen Prüfung des Ausschlussgrundes keine vertiefte Prüfung des Streitstoffs im parallelen zivilgerichtlichen Verfahren vornimmt, andererseits aber der Begründung, die Offenlegung von eigenen strategischen und taktischen Erwägungen zu den Optionen der informationspflichtigen Stelle im zivilgerichtlichen Verfahren lasse einen Nachteil erwarten, anhand dieses allein abstrakten Prüfungsmaßstabs und in Unkenntnis der tatsächlichen Akteninhalte einen denkbaren nachteiligen Einfluss auf das zivilgerichtliche Verfahren abspricht?"

rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht.

Die aufgeworfene Rechtsfrage betrifft - was auch der Beklagte nicht verkennt - der Sache nach ebenfalls die Auslegung nicht revisiblen Landesrechts. Dass das bundesverfassungsrechtlich gegründete Willkürverbot selbst einen die Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1994 - 4 B 266.94 - NVwZ 1995, 601 <602>, vom 16. Juni 2011 - 9 BN 4.10 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 58 Rn 7 und vom 23. November 2015 - 7 B 40.15 - juris Rn. 6), legte die Beschwerde nicht dar. Ob das Berufungsgericht den Anforderungen des Willkürverbots im Einzelnen gerecht geworden ist, betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall. Diese zu überprüfen, ist nicht Aufgabe des Zulassungsverfahrens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 - 4 B 266.94 - NVwZ 1995, 601 <602>).

4. Liegen mit Blick auf die festgestellten Verfahrensmängel die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Da die vom Beklagten ebenfalls erhobenen Grundsatzrügen nicht durchgreifen, macht der Senat von dieser Möglichkeit, soweit die Verfahrensmängel reichen, Gebrauch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO , soweit die Beschwerde des Beklagten unbegründet ist. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 20.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 12 B 12.16
Vorinstanz: VG Berlin, vom 25.08.2016