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BVerwG - Entscheidung vom 12.07.2018

8 B 40.17

Normen:
AusglLeistG § 1 Abs. 4
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 12.07.2018 - Aktenzeichen 8 B 40.17

DRsp Nr. 2018/13962

Zahlungsanspruch der Erben auf Ausgleichsleistung wegen der Enteignung des Unternehmens

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 5. April 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

AusglLeistG § 1 Abs. 4; VwGO § 108 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Der Kläger ist zusammen mit anderen Miterben Rechtsnachfolger nach den früheren Eigentümern der B. GmbH mit Sitz in R., die während des 2. Weltkriegs Flugzeuge für die Luftwaffe herstellte. Für die Produktion wurden ab 1942 auch Zwangsarbeiter aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion eingesetzt. Am 15. Juli 1948 wurde die B. GmbH aufgrund eines Beschlusses der Kommission für Sequestrierung und Beschlagnahme enteignet. Den Antrag des Klägers auf Rückübertragung des Unternehmens lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 29. April 1996 mit der Begründung ab, das Unternehmen sei auf besatzungsrechtlicher Grundlage enteignet worden. Nach Bestandskraft des Bescheides wurde das Verfahren auf der Grundlage des Ausgleichsleistungsgesetzes fortgeführt. Mit Bescheid vom 27. Juli 2015 lehnte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen es ab, den Erben nach den früheren Eigentümern der B. GmbH eine Ausgleichsleistung wegen der Enteignung des Unternehmens zuzusprechen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Ein Anspruch auf Ausgleichsleistung sei nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG ausgeschlossen. Dem Unternehmen seien Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit vorzuwerfen, weil es die ihm zur Verfügung stehenden Spielräume zu einer menschenwürdigen Behandlung seiner ausländischen Zwangsarbeiter nicht genutzt habe.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat Revisionszulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt bzw. bezeichnet.

1. Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe sich nicht hinreichend mit den positiven Aspekten, die die Ostarbeiter bei ihrer Behandlung von der Unternehmensleitung erfahren hätten, auseinandergesetzt und damit die gebotene Abwägung zwischen "gut" und "schlecht" bei der Behandlung der Ostarbeiter nicht vorgenommen.

a) Mit diesem Vortrag ist kein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dargetan. Die Verfahrensrüge, die Sachverhaltswürdigung sei aktenwidrig oder sonst von objektiver Willkür geprägt, setzt die schlüssig vorgetragene Behauptung voraus, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt bestehe ein offensichtlicher Widerspruch (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2017 - 5 B 39.16 - juris Rn. 14). Einen solchen Widerspruch hat der Kläger nicht aufgezeigt. Sein Vortrag erschöpft sich in der Behauptung, das Verwaltungsgericht habe die von ihm vorgetragenen günstigen Umstände nicht bzw. nicht ausreichend in seine Rechtsfindung einbezogen.

b) Mit seinem Vortrag hat der Kläger auch keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör bezeichnet. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist aber nicht verpflichtet, sich ausdrücklich mit sämtlichen Tatsachen und Rechtsansichten auseinanderzusetzen. Nur wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens einer Partei zu einer Frage, die nach seiner eigenen Einschätzung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt dies darauf schließen, dass es dieses Vorbringen nicht berücksichtigt hat (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. September 2014 - 8 PKH 2.13 <8 B 70.13> - juris Rn. 12).

Soweit der Kläger rügt, das Vorbringen aus seinem Schriftsatz vom 2. Februar 2017 (S. 4 f.) sei nicht berücksichtigt worden, folgt daraus schon deswegen kein Gehörsverstoß, weil es sich um bloße Tatsachenbehauptungen handelte, die offenbar durch den von dem Kläger benannten Zeugen Dr. K. bewiesen werden sollten. Das Gericht hat den Zeugen in der mündlichen Verhandlung vernommen und seine Aussagen bei der Urteilsfindung berücksichtigt. Zur Berücksichtigung des von der Zeugenaussage nicht gedeckten überschießenden schriftlichen Vortrags des Klägers war es nicht verpflichtet, weil dem Kläger insoweit der Beweis nicht gelungen ist. Mit dem weiteren Vortrag zu Lebensmittelsonderrationen, Krankenversorgung, Ausgang und Urlaub aus dem Schriftsatz vom 9. Februar 2017 (S. 5 und 6) hat das Verwaltungsgericht sich ausweislich der Urteilsgründe auseinandergesetzt (UA S. 9 zu Lebensmittelrationen, UA S. 12 zur Bewegungsfreiheit, UA S. 13 zum Ausgang, UA S. 14 zur Gesundheitsversorgung).

2. Der Kläger meint weiter, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es bei der Beurteilung nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG um die generelle Haltung des Unternehmens gehe. Es hätte bei unmenschlichen Einzelaktionen, die über einen Zeitraum von ca. drei Jahren vorgekommen seien, beurteilen müssen, ob diese sich aufgrund ihrer Häufigkeit zu einer generellen Unmenschlichkeit verdichtet hätten. Auch damit wird kein Revisionsgrund dargelegt und insbesondere kein Verfahrensfehler bezeichnet. Der mit dem Vortrag erhobene Vorwurf fehlerhafter Rechtsanwendung im Einzelfall erfüllt weder den Tatbestand des Revisionszulassungsgrundes des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) noch des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Divergenz). Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist mit diesem pauschalen Vortrag ebenfalls nicht dargetan. Es ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt aktenwidrig oder sonst willkürlich bewertet haben könnte.

3. Soweit der Kläger weiter rügt, das Verwaltungsgericht habe die von ihm herangezogenen Berichte von Zeitzeugen nicht in seine Beweiswürdigung einbeziehen dürfen, es habe die Beweislastverteilung nicht hinreichend berücksichtigt und den Sachverhalt in weiten Teilen falsch gewürdigt, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt, dass es im Allgemeinen nicht an Beweisregeln gebunden, sondern frei ist, alle Tatsachen zu würdigen und daraus Schlüsse zu ziehen. Die Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht für seine Entscheidungsfindung herangezogenen Berichte von Zeitzeugen war daher grundsätzlich geboten und nicht, wie der Kläger meint, unzulässig. Soweit der Kläger meint, das Gericht habe die Beweislastverteilung nicht hinreichend berücksichtigt und den Sachverhalt falsch gewürdigt, wendet er sich wiederum gegen die Rechtsanwendung und Beweiswürdigung im Einzelfall. Ein Revisionszulassungsgrund ist damit nicht dargelegt.

4. Das gleiche gilt, soweit der Kläger die verwaltungsgerichtliche Würdigung von vier Zeugenaussagen hinterfragt (Beschwerdebegründung S. 5 bis 9). Mit seinen diesbezüglichen Ausführungen ist kein Verfahrensfehler bezeichnet. Die Beweis- und Sachverhaltswürdigung der Vorinstanz ist revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann daher grundsätzlich ein Verfahrensmangel nicht mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 1995 - 4 B 197.04 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 4).

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die seiner Meinung nach grundsätzliche Rechtsfrage aufwirft,

inwieweit in diesem besonderen Verfahren, welches sich ausschließlich auf Literaturzitate bei der Beurteilung beziehen muss, Pauschalaussagen und pauschale Beurteilungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zur Beweiswürdigung hinzugezogen werden dürfen,

führt auch dies nicht auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die vom Kläger aufgeworfene Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es, wie ausgeführt, Aufgabe des Gerichts, nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung über den Streitgegenstand zu entscheiden. Dabei ist das Gericht grundsätzlich nicht an Beweisregeln gebunden. Es hat vielmehr im Einzelfall zu entscheiden, ob es eine bestimmte Tatsache für gegeben hält und welches Gewicht es dieser Tatsache im konkreten Streitfall beimisst.

5. Soweit der Kläger schließlich meint, das Verwaltungsgericht habe in seiner Urteilsbegründung nicht argumentieren dürfen, bestimmte positive Verhaltensweisen sprächen deswegen nicht für den Kläger, weil diese ohnehin bereits durch die Ostarbeitererlasse geboten gewesen seien oder dem Interesse entsprochen hätten, die Arbeitskraft der Ostarbeiter zu erhalten, wendet er sich wiederum gegen die Rechtsanwendung und Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht im Einzelfall. Dieses Vorbringen führt nicht auf einen Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 VwGO .

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 , § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Potsdam, vom 05.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 2399/15