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BVerwG - Entscheidung vom 09.05.2018

10 B 5.18

Normen:
GG Art. 28 Abs. 2
KomZG § 12 Abs. 1 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 09.05.2018 - Aktenzeichen 10 B 5.18

DRsp Nr. 2018/14537

Verpflichtung einer Nachbargemeinde zu einer Zweckvereinbarung nach Kommunalverfassungsrecht; Anforderungen an die Auslegung des Begriffs "unterhaltene Einrichtung" im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 1 KomZG

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 15 000 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 28 Abs. 2 ; KomZG § 12 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Auf der Gemarkung der beigeladenen Gemeinde liegt ein Wochenendhausgebiet, das bislang über einen Wirtschaftsweg und eine Brücke auf dem Gebiet der Beigeladenen erschlossen wurde. Da die Brücke mittlerweile baufällig ist, hält es der Beklagte für geboten, das Wochenendhausgebiet zukünftig über öffentliche Straßen und Wirtschaftswege auf dem Gebiet der klagenden Gemeinde zu erschließen. Hierzu kam eine freiwillige Zweckvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nicht zustande. Der Beklagte ordnete daraufhin eine Pflichtzweckvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 3 des Landesgesetzes über die kommunale Zusammenarbeit vom 22. Dezember 1982 (KomZG) an. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht diesen Bescheid aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ), die ihr der Beklagte beimisst.

a) Die Fragen,

ob eine Ortsgemeinde einen aus Art. 28 Abs. 2 GG herzuleitenden Anspruch haben kann, dass eine Nachbargemeinde zu einer Zweckvereinbarung nach Kommunalverfassungsrecht (zwangsweise) verpflichtet wird, auch wenn die heranzuziehende Gemeinde sich zur Abwehr der Heranziehung zur Zweckvereinbarung selbst auf das eigene Selbstverwaltungsrecht beruft,

ob der Begriff "unterhaltene Einrichtung" in § 12 Abs. 1 Satz 1 KomZG so auszulegen ist, dass sich die Mitbenutzung nur im Rahmen des bisherigen Gebrauchs der Einrichtung halten muss oder ob der Begriff auch noch nicht vorhandene Einrichtungen oder solche, die sich im Umfang ihrer Nutzung ändern, umfasst,

führen nicht zur Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Pflichtzweckvereinbarung nach § 12 Abs. 3 KomZG die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 KomZG einhalten müsse. Die angeordnete Zweckvereinbarung stehe mit dieser Vorschrift nicht in Einklang. Die von der Beschwerde mit Blick auf diese Erwägungen aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf die genannten Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts, die nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein können (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO ).

Einen gleichwohl bestehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf das revisible Bundesrecht zeigt der Beklagte nicht auf. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er eine unzureichende Berücksichtigung des Art. 28 Abs. 2 GG geltend macht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2008 - 6 B 7.08 - Buchholz 451.20 § 12 GewO Nr. 1 Rn. 9, vom 8. Mai 2008 - 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 5 und vom 30. Mai 2017 - 10 BN 4.16 - juris Rn. 8). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht. Sie zeigt auch nicht auf, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs-)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (vgl. dazu u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 21. September 2001 - 9 B 51.01 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44, vom 19. August 2013 - 9 BN 1.13 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 4 und vom 29. Juni 2015 - 10 B 66.14 - juris Rn. 15). Vielmehr beschränkt sich der Beklagte darauf, in überwiegend auf den vorliegenden Einzelfall zugeschnittenen Ausführungen zu bemängeln, dass die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften, namentlich der Begriffe der "Aufgabe" und der "unterhaltenen Einrichtung" in § 12 Abs. 1 Satz 1 KomZG, mit Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar sei. Eine grundsätzlich bedeutsame Frage der Auslegung dieser Verfassungsnorm legt die Beschwerde nicht dar.

b) Entsprechendes gilt für die weitere von dem Beklagten aufgeworfene Frage,

ob bei der Anordnung einer landesrechtlichen Pflichtzweckvereinbarung der Anwendungsbereich der beiden Alternativen des § 12 Abs. 1 KomZG nach den bundesverfassungsrechtlichen Rechtssätzen so auszulegen ist, dass bei der Abwägung widerstreitender Selbstverwaltungsrechte, und hier konkret die kommunale Finanzhoheit der Beigeladenen, die Entscheidung einer Gemeinde, eine Zweckvereinbarung nicht abzuschließen, sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Kernelement des Rechtsstaatsprinzips auszurichten hat,

aus deren Formulierung bereits deutlich wird, dass sie lediglich einen vom Beklagten angenommenen Verstoß des Berufungsurteils gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu Lasten der Beigeladenen in den Blick nimmt. Grundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf dieses verfassungsrechtliche Prinzip zeigt die Beschwerde indessen nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise auf.

2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) zuzulassen.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Berufungsurteil verstoße gegen § 67 Abs. 6 VwGO , weil es an einer ordnungsgemäßen Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin fehle. Denn die Klägerin werde im gerichtlichen Verfahren nicht durch ihren Ortsbürgermeister, sondern - was das Oberverwaltungsgericht im Rubrum seines Berufungsurteils klargestellt habe - durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde vertreten. Da jedoch nicht dieser, sondern der Ortsbürgermeister der Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten die Vollmacht erteilt habe, sei die Klage schon nicht wirksam erhoben und daher als unzulässig abzuweisen. Rechtsfehlerhaft sei zudem, dass das Berufungsgericht den Mangel der Vollmacht nicht von Amts wegen untersucht habe.

Ein Verfahrensfehler folgt aus diesem Vorbringen nicht. Ihm ist durch den Berichtigungsbeschluss vom 14. Februar 2018 die Grundlage entzogen, mit dem das Berufungsgericht die Bezeichnung der Klägerin auf der Grundlage von § 118 Abs. 1 VwGO im Einklang mit dem Rubrum des Urteils des Verwaltungsgerichts dahingehend gefasst hat, dass sie durch ihren Ortsbürgermeister vertreten wird. An die dieser Entscheidung zugrunde liegende Auslegung der irrevisiblen Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung in der Fassung vom 31. Januar 1994 ( GemO RP) ist das Revisionsgericht gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ). Mit Erlass des Berichtigungsbeschlusses, an dessen Wirksamkeit kein Zweifel besteht, tritt an die Stelle der bisherigen die berichtigte Fassung des Urteils, die im Rahmen eines Rechtsmittels so zu behandeln ist, als hätte sie von Anfang an bestanden (BVerwG, Beschluss vom 9. November 2009 - 7 B 10.09 - Buchholz 310 § 118 VwGO Nr. 5). Die Klägerin wurde daher auch in der Berufungsinstanz nicht (worauf die ursprüngliche Fassung des Rubrums hindeutete) von dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde, sondern von ihrem Ortsbürgermeister vertreten, der im Übrigen ausweislich der Sitzungsniederschrift an der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht teilgenommen hat. Die Erteilung der Prozessvollmacht durch den Ortsbürgermeister führt daher nicht zu dem von dem Beklagten angenommenen Verfahrensfehler. Ebenso wenig bestand für das Berufungsgericht Anlass, den vermeintlichen Mangel der Vollmacht von Amts wegen aufzuklären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO . Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 19.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 10 A 11481/17