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BVerwG - Entscheidung vom 30.01.2018

2 B 43.17

Normen:
BeamtVG § 12b

BVerwG, Beschluss vom 30.01.2018 - Aktenzeichen 2 B 43.17

DRsp Nr. 2018/3968

Verfassungsgemäßheit des § 12b ( Beamtenversorgungsgesetz ) BeamtVG im Kontext zu der mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vorgenommenen Änderung des § 263 SGB VI

Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht haben die Verfassungsgemäßheit von § 12b BeamtVG bereits festgestellt. Diese Rechtslage gilt auch nach der Abschaffung der rentenrechtlichen Anerkennungsfähigkeit von Zeiten eines Hochschulstudiums.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 680,00 € festgesetzt.

Normenkette:

BeamtVG § 12b;

Gründe

Die zulässige, auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Die Klägerin ist Ruhestandsbeamtin der Beklagten. Von 1968 bis 1972 studierte sie in der ehemaligen DDR Jura und erwarb den akademischen Grad einer Diplomjuristin. Im Anschluss daran arbeitete sie bis 1986 in verschiedenen volkseigenen Betrieben. Ab 1991 war sie zunächst im Angestelltenverhältnis, ab 1996 als Beamtin bei der Beklagten tätig. Mit Ablauf des Jahres 2012 trat sie in den Ruhestand. Bei der Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge wurde die Zeit des Jurastudiums nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt; ein Kindergeldzuschlag für die Zeit bis zum Rentenbeginn wurde nicht gewährt. Widerspruch und Klage hiergegen sind ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Berücksichtigung des Hochschulstudiums ausgeschlossen sei. Die Klägerin habe ihr Studium in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet absolviert; auch sei die allgemeine Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung unstreitig erfüllt. Die maßgebliche Vorschrift des § 12b BeamtVG sei verfassungsgemäß, auch wenn zur Zeit ihres Erlasses das Hochschulstudium rentenversicherungsrechtlich anerkannt worden wäre, dies nach der Änderung des § 263 SGB VI jedoch nicht mehr der Fall sei. Der Gesetzgeber habe die Grundsatzentscheidung getroffen, die Versorgung der betroffenen Beamten vorrangig durch die gesetzliche Rentenversicherung herzustellen. Deswegen sei es geradezu zwingend, dass sich Änderungen im Rentenversicherungsrecht auch auf diese Personengruppe auswirkten. Auch bestehe kein Anspruch auf die versorgungsrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten.

2. Die Beschwerde legt keine Frage rechtsgrundsätzlicher Bedeutung dar. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Entscheidungserheblich sind solche Rechtsfragen, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts tragend gewesen sind und die im Rahmen des Revisionsverfahrens vom Bundesverwaltungsgericht zu beantworten wären.

Die Beschwerde thematisiert als rechtsgrundsätzliche Frage die Verfassungsgemäßheit des § 12b BeamtVG und setzt diese in einen Kontext zu der mit dem Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791 ) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vorgenommenen Änderung des § 263 SGB VI . Danach werden Zeiten eines Hochschulstudiums seit dem Jahr 2009 nicht mehr rentenrechtlich berücksichtigt. Hierin liege sowohl eine Ungleichbehandlung mit denjenigen Beamten, die ein Hochschulstudium in den alten Bundesländern absolviert haben als auch mit denjenigen Beamten, bei denen die allgemeine Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung nicht erfüllt ist und die in der Folge gemäß § 12b Abs. 2 BeamtVG von dem versorgungsrechtlichen Ausschluss nicht erfasst werden.

Diese Fragen bedürfen keiner revisionsgerichtlichen Prüfung, weil sie bereits höchstrichterlich geklärt sind. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht haben die Verfassungsgemäßheit von § 12b BeamtVG bereits festgestellt (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2003 - 2 BvR 192/01 - DVBl. 2003, 1157 ; BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 - 2 C 23.99 - Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 13 S. 3 ff.). Anders als von der Beschwerde angenommen, stützt sich die dortige Argumentation nicht tragend auf den Umstand, dass zu der Zeit, als die Entscheidungen ergangen sind, das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung noch die rentenrechtliche Anerkennung eines Hochschulstudiums vorsah. Vielmehr ist den Entscheidungen zu entnehmen, dass es eine grundsätzlich zulässige Entscheidung des Gesetzgebers ist, bei nach der Deutschen Einheit ernannten Beamten den in der DDR absolvierten beruflichen Werdegang versorgungsrechtlich allein in der gesetzlichen Rentenversicherung abzubilden.

Der Beschwerde ist zuzugeben, dass sich der Gesetzgeber bei Erlass des § 12b BeamtVG bewusst war, dass nach der damals geltenden Rechtslage die Zeiten eines in der DDR abgeschlossenen Hochschulstudiums rentenrechtlich anerkennungsfähig waren (vgl. BT-Drs. 12/5919, S. 17). Dieser Umstand ist indes keine Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm, wie sich aus den genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ergibt. Im Hinblick auf den von der Beschwerde thematisierten Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt (BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 - 2 C 23.99 - Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 13 S. 23 ff.):

12b BeamtVG steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG . Nach ständiger Rechtsprechung überschreitet der Gesetzgeber seine weitgehende Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wenn die Ungleichbehandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, mit anderen Worten, wo ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt, es sich also um Regelungen handelt, die unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheinen, so dass die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident ist (vgl. BVerfGE 72, 39 <58 m.w.N.>; BVerwGE 101, 116 <122 m.w.N.>).

Der Besitz einer auf Dienstzeiten in der ehemaligen DDR beruhenden und in die Rentenversicherung übergeleiteten rentenrechtlichen Versorgungsanwartschaft ist ein zulässiger Differenzierungsgrund. In der DDR war die Altersrente die alleinige Form der Altersversorgung sämtlicher Beschäftigter einschließlich derjenigen des "öffentlichen Sektors". Die Anwartschaften aus diesem Versorgungssystem hat der Gesetzgeber über den 3. Oktober 1990 hinaus aufrechterhalten (vgl. Art. 2 und Art. 3 des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 <BGBl I S. 1606> in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1991 <BGBl I S. 2207>). Dem Träger der Rentenversicherung hat er zur Erfüllung seiner Aufgaben im Beitrittsgebiet erhebliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt gewährt (vgl. Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt II § 5 zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 <BGBl II S. 889>).

Anders als bei den Beamten mit einem allein vom Bundes- und Landesbeamtenrecht geprägten Werdegang, bei denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung vor dem Eintritt in das Beamtenverhältnis schon wegen der dafür geltenden Höchstaltersgrenzen in der Regel nur als vorübergehende vorgesehen war und deren ruhegehaltfähige Dienstzeit deshalb zum überwiegenden Teil aus ihrer Beamtendienstzeit besteht, sollte das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis, in das die nach dem 3. Oktober 1990 zu Beamten ernannten Personen mit Beginn ihres Berufslebens in der DDR eingetreten waren, den rechtlichen Rahmen für ihr gesamtes Arbeitsleben und ihren Ruhestand bilden. Dies hat u.a. zur Folge, dass viele dieser Personen, je nach Lebensalter bei dem Eintritt in das Beamtenverhältnis, eine Beamtendienstzeit nicht zu erreichen vermögen, deren Dauer zu der davor liegenden Zeit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit in einem Verhältnis steht, wie es für das auf Lebenszeit ausgerichtete Beamtenverhältnis typisch ist."

Diese Grundsätze gelten erkennbar auch nach der Abschaffung der rentenrechtlichen Anerkennungsfähigkeit von Zeiten eines Hochschulstudiums. Wie der Senat in der zitierten Passage ausgeführt hat, unterscheidet sich die versorgungsrechtliche Konstruktion von Bundes- und Landesbeamten, welche in den alten Ländern dem Lebenszeitprinzip entsprechend im Wesentlichen einen Werdegang als Beamter absolviert haben, und von solchen Beamten, die erst nach dem 3. Oktober 1990 zu Beamten ernannt wurden und zuvor einen beruflichen Werdegang in der DDR aufzuweisen haben, erheblich. Namentlich hatten die zuvor in der DDR tätigen heutigen Beamten von Anfang an (nur) eine Versorgung aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu erwarten. Die Übernahme der entsprechenden rentenrechtlichen Verpflichtungen durch die Träger der bundesdeutschen Rentenversicherung ist durch erhebliche Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt gefördert worden. Aus diesem Zusammenhang ist ein hinreichender sachlicher Differenzierungsgrund abzuleiten, der es rechtfertigt, den in der DDR absolvierten beruflichen Werdegang eines späteren Beamten allein rentenrechtlich abzubilden. Damit ist unweigerlich verbunden, dass rentenrechtliche Änderungen, die diesen vor dem 3. Oktober 1990 liegenden Abschnitt des beruflichen Werdegangs betreffen, auch für den späteren Beamten gelten. Ein grundsätzlicher Gleichlauf von Versorgungsansprüchen und Rentenansprüchen kann angesichts der grundlegenden strukturellen Unterschiede beider Alterssicherungssysteme ohnehin nicht verlangt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 , Rn. 137, dort mit einer Abweichung zu Lasten der Versorgungsempfänger).

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 - 2 C 9.08 - (Buchholz 239.1, § 12 BeamtVG Nr. 17 Rn. 15), auf das sich die Beschwerde bezieht. Denn dort ging es weder um die Regelung des § 12b BeamtVG noch um den Vergleich zwischen Beamten, welche allein eine beamtenrechtliche Versorgung beziehen, und solchen, die - wie hier - einen rentenversicherungsrechtlich relevanten beruflichen Werdegang in der DDR absolviert haben.

Eine durch § 12b Abs. 2 BeamtVG vorgesehene Ungleichbehandlung mit Beamten, bei denen die allgemeine Wartezeit für die gesetzliche Rentenversicherung nicht erfüllt ist, findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls in der beschriebenen gesetzlichen Konstruktion. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI beträgt die allgemeine Wartezeit fünf Jahre. Ein Beamter, der keine entsprechenden Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung aufzuweisen hat, kann in der ehemaligen DDR nicht über einen nennenswerten Zeitraum rentenversicherungsrechtlich relevant beschäftigt gewesen sein. Wegen des deutlichen Übergewichts des beruflichen Werdegangs als Beamter rechtfertigt es sich hier, anerkennungsfähige Zeiten allein nach den Grundsätzen des Beamtenversorgungsrechts zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Sachsen, vom 21.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 604/16