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BVerwG - Entscheidung vom 30.10.2018

2 A 1.18

Normen:
BeamtVG § 2
BeamtVG § 30
BeamtVG § 31a
BeamtVG § 35
BeamtVG § 45
BeamtVG § 49
VwVfG § 48
BeamtVZustAnO § 1
BeamtVZustAnO § 2
BeamtVZustAnO § 16
BeamtVG § 2
BeamtVG § 30
BeamtVG § 31a
BeamtVG § 35
BeamtVG § 45
BeamtVG § 49
VwVfG § 48
BeamtVZustAnO § 1
BeamtVZustAnO § 2
BeamtVZustAnO § 16
BeamtVG § 2
BeamtVG § 45 Abs. 3 S. 2
BeamtVG § 49 Abs. 1
VwVfG § 48

Fundstellen:
DVBl 2019, 707
DÖV 2019, 242
NVwZ-RR 2019, 278
ZBR 2019, 311

BVerwG, Urteil vom 30.10.2018 - Aktenzeichen 2 A 1.18

DRsp Nr. 2019/1648

Sachliche Zuständigkeit für die auf § 48 VwVfG gestützte Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts; Vorrang des § 45 Abs. 3 S. 2 BeamtVG vor der allgemeinen Regelung des § 49 Abs. 1 BeamtVG ; Maßgeblichkeit des § 2 BeamtVG für den Begriff der Versorgungsbezüge in der Beamtenversorgungszuständigkeitsanordnung

1. Ist die sachliche Zuständigkeit für die auf § 48 VwVfG gestützte Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts gesetzlich nicht geregelt, ist diejenige Behörde für die Aufhebung sachlich zuständig, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts sachlich zuständig wäre (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 1999 - 7 C 42.98 - BVerwGE 110, 226 <231>).2. Die Zuständigkeitsregelung des § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG geht der allgemeinen Regelung des § 49 Abs. 1 BeamtVG und der darauf gestützten Beamtenversorgungszuständigkeitsanordnung vor.3. Auch im Bereich der Beamtenversorgungszuständigkeitsanordnung ist für den Begriff der Versorgungsbezüge die gesetzliche Regelung des § 2 BeamtVG maßgeblich.

Tenor

Der Bescheid der Generalzolldirektion - Service-Center Dresden - vom 12. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2018 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Normenkette:

BeamtVG § 2 ; BeamtVG § 45 Abs. 3 S. 2; BeamtVG § 49 Abs. 1 ; VwVfG § 48 ;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Bundeskanzleramtes aus dem Bereich der Dienstunfallfürsorge durch eine andere Bundesbehörde.

Der 1961 geborene Kläger stand als Regierungsamtmann (Besoldungsgruppe A 11 BBesO ) im Dienst der Beklagten und wurde beim BND verwendet. In der Zeit von April 2008 bis Mitte Oktober 2009 war der Kläger im Rahmen einer dienstlichen Auslandsverwendung in Afghanistan tätig. Wegen dauernder Dienstunfähigkeit wurde er mit Ablauf des 30. September 2016 in den Ruhestand versetzt.

In seiner schriftlichen Unfallmeldung vom 30. Mai 2012 gab der Kläger gegenüber dem BND an, Ende Juli 2009 sei ein potentieller Selbstmordattentäter vom befreundeten afghanischen Dienst in der Nähe der von ihm bewohnten Unterkunft des BND festgenommen worden. Der Attentäter habe 60 Handgranaten in seinem Rucksack gehabt und sein Ziel sei die Unterkunft des BND gewesen. Diesem Anschlag sei er, der Kläger, nur knapp entronnen und er habe das Gefühl gehabt, dass "innerlich etwas in ihm gestorben" sei. Anschließend bat er um seine vorzeitige Ablösung aus dem Ausland. Im Inland wurde beim Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

Am 8. August 2013 entschied der BND, die beim Kläger Mitte Juni 2010 diagnostizierte Posttraumatische Belastungsstörung, die auf die Ereignisse im Juli 2009 während der Auslandsverwendung des Klägers in Afghanistan zurückzuführen sei, als Einsatzunfall anzuerkennen.

Am 29. März 2016 gewährte das Bundeskanzleramt dem Kläger aufgrund des mit Bescheid des BND vom 8. August 2013 anerkannten Einsatzunfalls für die Zeit ab dem 8. April 2010 Unfallausgleich mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 gemäß § 31 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz sowie eine einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 150 000 €.

Aufgrund der Versetzung des Klägers in den Ruhestand wurden auch die Akten des Einsatzunfalls an die Generalzolldirektion, Service-Center Dresden, übersandt. Die Generalzolldirektion gelangte unmittelbar nach Eingang dieser Akten zu der Einschätzung, die Anerkennung des Ereignisses vom Juli 2009 als Einsatzunfall sei rechtswidrig, weil es nicht fristgerecht gemeldet worden sei. Der Kläger wurde hinsichtlich der beabsichtigten Rücknahme der Bescheide des BND und des Bundeskanzleramtes angehört.

Ohne vorherige Rücksprache mit dem Bundeskanzleramt oder dem BND nahm die Generalzolldirektion mit Bescheid vom 12. Mai 2017 den Bescheid des BND vom 8. August 2013 sowie den Bescheid des Bundeskanzleramtes vom 29. März 2016 mit Wirkung vom 1. Juni 2017 zurück (Ziff. 1), erkannte das Schadensereignis vom Juli 2009 nicht als Dienstunfall an (Ziff. 2) und entschied, dass ein Anspruch auf Heilverfahrenskosten aus Mitteln der Unfallfürsorge nicht mehr besteht (Ziff. 3) und dass der Kläger ab dem 1. Juni 2017 keinen Unfallausgleich (Ziff. 4) und auch kein Unfallruhegehalt (Ziff. 5) mehr erhält. Die Rechtswidrigkeit der Bescheide des BND und des Bundeskanzleramtes stützte die Generalzolldirektion insbesondere auf die Annahme, mit der erst am 30. Mai 2012 eingegangenen schriftlichen Unfallmeldung habe der Kläger die zweijährige Ausschlussfrist nicht gewahrt. Den Widerspruch des Klägers wies die Generalzolldirektion mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2018 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 9. Februar 2018 zugestellt.

Am 9. März 2018 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben und vorgetragen: Ausgangs- und Widerspruchsbescheid seien bereits formell rechtswidrig, weil die Generalzolldirektion für die Rücknahme der Bescheide des BND und des Bundeskanzleramtes sachlich nicht zuständig sei. Auch der BND und das Bundeskanzleramt bezweifelten die sachliche Zuständigkeit der Generalzolldirektion. Die Bescheide seien aber auch materiell rechtswidrig, weil die begünstigenden Verwaltungsakte des BND und des Bundeskanzleramtes entgegen der Annahme der Generalzolldirektion nicht rechtswidrig seien. Die Frist zur Meldung des Einsatzunfalls sei gewahrt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Generalzolldirektion vom 12. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aufgrund des Eintritts des Klägers in den Ruhestand sei die Generalzolldirektion für dessen Dienstunfallfürsorge sachlich zuständig geworden. Im allgemeinen Sprachgebrauch von Behörden seien Versorgungsempfänger Beamte im Ruhestand, die Ruhestandsbezüge erhielten. Unter dem Begriff der Versorgung sei das Ruhegehalt zu verstehen. Die zurückgenommenen Bescheide seien auch rechtswidrig. Denn die Unfallmeldung des Klägers vom 30. Mai 2012 sei jedenfalls nicht fristgerecht bei seinem Dienstvorgesetzten eingegangen. Dementsprechend hätte das Ereignis nicht als Einsatzunfall anerkannt werden dürfen. Maßgeblich für den Beginn der Ausschlussfrist sei der Eintritt des Unfalls, unabhängig davon, ob der Beamte vor Ablauf der Ausschlussfrist den Zusammenhang eines Körperschadens mit einem Unfallereignis erkannt habe oder nicht bzw. einen solchen habe erkennen können. Der Eintritt der Erkrankung sei nicht maßgebend. Auf die Rückforderung der dem Kläger gezahlten einmaligen Unfallentschädigung habe man aus Gründen des Vertrauensschutzes verzichtet.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die dem Senat vorliegenden Akten des Rücknahmeverfahrens sowie auf die Unterlagen des BND zu den beiden Ausgangsverfahren verwiesen.

II

Die Klage, für die der Senat ungeachtet des Erlasses der Bescheide durch die Generalzolldirektion und nicht durch den BND nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich zuständig ist (BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2018 - 2 A 1.18 -), ist zulässig und begründet. Der Ausgangsbescheid der Generalzolldirektion in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Rücknahme des Bescheids des BND vom 8. August 2013 sowie des Bescheids des Bundeskanzleramtes vom 29. März 2016 mit Wirkung vom 1. Juni 2017 (Ziff. 1) ist rechtswidrig, weil die Generalzolldirektion hierfür sachlich nicht zuständig ist (1.). Dies gilt auch für die Regelung in Ziff. 2 des Ausgangsbescheids der Generalzolldirektion, dass das Schadensereignis vom Juli 2009 nicht als Dienstunfall anzuerkennen ist (2). Die weiteren Regelungen des Ausgangsbescheids, dass ein Anspruch auf Heilverfahrenskosten aus Mitteln der Unfallfürsorge nicht mehr besteht (Ziff. 3) und dass der Kläger ab dem 1. Juni 2017 keinen Unfallausgleich (Ziff. 4) sowie kein Unfallruhegehalt (Ziff. 5) mehr erhält, sind rechtswidrig, weil diese Regelungen auf den vorbezeichneten Regelungen in Ziff. 1 und 2 aufbauen und infolge der gerichtlichen Aufhebung dieser beiden Ziffern der angegriffenen Bescheide der Generalzolldirektion die beiden begünstigenden Bescheide des BND und des Bundeskanzleramtes als Grundlage dieser Leistungen weiterhin wirksam sind (3.).

1. Weder für die auf § 48 VwVfG gestützte Rücknahme des Bescheids des BND vom 8. August 2013 (a) noch für die Rücknahme des Bescheids des Bundeskanzleramtes vom 29. März 2017 (b) ist die Generalzolldirektion sachlich zuständig.

Ist, wie hier, die sachliche Zuständigkeit für die auf § 48 VwVfG gestützte Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, ist diejenige Behörde für die Aufhebung sachlich zuständig, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts sachlich zuständig wäre (BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 1999 - 7 C 42.98 - BVerwGE 110, 226 <231> und vom 26. Januar 2012 - 3 C 8.11 - Buchholz 442.16 § 29 StVZO Nr. 1 Rn. 12).

Zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung - Mai 2017 - wäre für die Anerkennung des Ereignisses vom Juli 2009 in Afghanistan als Einsatzunfall gemäß § 31a BeamtVG der BND und nicht die Generalzolldirektion zuständig gewesen.

Der Ausgangsbescheid der Generalzolldirektion nimmt den begünstigenden Verwaltungsakt des Bundeskanzleramtes vom 29. März 2016 in Bezug auf die Gewährung von Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG für den Zeitraum ab dem 1. Juni 2017 zurück. Auch insoweit ist der Bescheid der Generalzolldirektion mangels sachlicher Zuständigkeit für die Rücknahme rechtswidrig. Denn auch zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung am 12. Mai 2017 hätte die sachliche Zuständigkeit für die Gewährung von Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG beim Bundeskanzleramt gelegen.

Im gerichtlichen Verfahren hat die Generalzolldirektion die - ursprüngliche - sachliche Zuständigkeit von BND und Bundeskanzleramt zum Erlass der beiden begünstigenden Verwaltungsakte nicht in Zweifel gezogen. Die Generalzolldirektion begründet ihre sachliche Zuständigkeit für die Rücknahme dieser beiden Verwaltungsakte mit den generellen Annahmen, mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand sei sie für die Bearbeitung - auch - sämtlicher Dienstunfallangelegenheiten des Klägers zuständig geworden und "Versorgungsempfänger" seien Beamte im Ruhestand. Diese Erwägungen stehen mit Wortlaut und Systematik des Beamtenversorgungsgesetzes nicht in Einklang.

Der Begriff der Versorgungsbezüge im Sinne des Beamtenversorgungsgesetzes wird in dessen § 2 definiert. Nach § 2 Nr. 4 BeamtVG gehören auch Leistungen der Unfallfürsorge zu den Versorgungsbezügen. Der Gegenstand der Unfallfürsorge im Sinne des Beamtenversorgungsgesetzes wird wiederum in § 30 Abs. 2 BeamtVG bestimmt. Danach sind "Versorgungsempfänger" sämtliche Personen, die Versorgungsbezüge erhalten. Zum Bereich der Unfallfürsorge gehören auch Leistungen nach den §§ 32 bis 35 BeamtVG , die - auch - an aktive Beamte erbracht werden.

In § 49 Abs. 1 BeamtVG hat der Gesetzgeber eine generelle Regelung über die für den Vollzug des Gesetzes zuständige Behörde getroffen. Danach ist grundsätzlich die oberste Dienstbehörde zuständig; sie kann die in § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG genannten Befugnisse im Einvernehmen mit dem für das Versorgungsrecht zuständigen Ministerium auf andere Stellen übertragen. Von dieser Ermächtigung in § 49 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG hat der Bund durch die Beamtenversorgungszuständigkeitsanordnung vom 15. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2358 - BeamtVZustAnO) Gebrauch gemacht. Diese Zuständigkeitsanordnung gilt, wie sich unmittelbar aus § 1 Nr. 1 und § 2 ergibt, auch für die Dienstunfallfürsorge ("einschließlich Dienstunfallfürsorge"), erfasst auch Leistungen an aktive Beamte und ist entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung des § 49 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nach Maßgabe dieses Gesetzes auszulegen. Das Beamtenversorgungsgesetz kennt aber noch weitere Zuständigkeitsregelungen - § 6 Abs. 2 Satz 2, § 29 Abs. 1, § 44 Abs. 2 Satz 1 und § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG -, die der allgemeinen Bestimmung in § 49 Abs. 1 BeamtVG und der darauf gestützten Zuständigkeitsanordnung vorgehen.

a) Für die Entscheidung über die Anerkennung des Ereignisses in Afghanistan vom Juli 2009 als Einsatzunfall nach § 31a BeamtVG wäre aufgrund von § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG auch zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung vom Mai 2017 der BND und nicht die Generalzolldirektion sachlich zuständig gewesen.

Nach § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG , der der allgemeinen Regelung des § 49 Abs. 1 BeamtVG und damit auch der Anwendung der auf § 49 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG gestützten Zuständigkeitsanordnung vorgeht, entscheidet die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle, ob ein Dienstunfall vorliegt.

Oberste Dienstbehörde für den Geschäftsbereich des BND ist das Bundeskanzleramt. Dieses hat seine Zuständigkeit für die Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls in Ausübung der gesetzlichen Ermächtigung des § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG auf den Präsidenten des BND übertragen (Ziff. 1e der Anordnung des Chefs des Bundeskanzleramtes vom 11. November 2009).

Die Regelung des § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG und die Anordnung des Chefs des Bundeskanzleramtes erfassen auch die Entscheidung über die Anerkennung eines Ereignisses als Einsatzunfall gemäß § 31a BeamtVG .

Mit der Schaffung des Instituts der Einsatzversorgung durch das Einsatzversorgungsgesetz vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3592 - EinsatzVG) sollten die Versorgung von Soldaten und Beamten bei besonderen Auslandsverwendungen verbessert und im Interesse der Rechtssicherheit die Voraussetzungen für die einzelnen Versorgungsleistungen eindeutig und möglichst einheitlich definiert werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/3416 S. 12). § 31a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG macht deutlich, dass jenseits der speziell für die Einsatzversorgung geltenden Bestimmungen - z.B. § 37 Abs. 3 , § 43 Abs. 5 bis 7 und § 43a BeamtVG - generell die Vorschriften der Dienstunfallfürsorge anzuwenden sind (BT-Drs. 15/3416 S. 13 f.). Dies gilt auch für die Zuständigkeitsregelung des § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG .

b) Für die Gewährung von Unfallausgleich nach § 35 Abs. 1 BeamtVG im Hinblick auf das Ereignis vom Juli 2009 wäre auch im Mai 2017 ungeachtet des Eintritts des Klägers in den Ruhestand mit Ablauf des 30. September 2016 nicht die Generalzolldirektion, sondern das Bundeskanzleramt zuständig gewesen. Dementsprechend ist dieses auch für die Entscheidung über die auf § 48 VwVfG gestützte Rücknahme dieses begünstigenden Verwaltungsakts zuständig. Dies folgt aus § 49 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 1 Nr. 1, § 2, § 16 Abs. 2 und der Anlage 1 zu § 2 BeamtVZustAnO.

Für die Bewilligung von Unfallausgleich besteht keine dem § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG vergleichbare spezielle Zuständigkeitsregelung, sodass die generelle Bestimmung des § 49 Abs. 1 BeamtVG und damit auch die Zuständigkeitsanordnung maßgeblich ist. In § 1 Nr. 1 und § 2 BeamtVZustAnO wird jeweils deutlich gemacht, dass unter "Festsetzung der Versorgungsbezüge" auch die Ansprüche aus dem Bereich der Dienstunfallfürsorge zu verstehen sind ("einschließlich Dienstunfallfürsorge"). Für das generelle Verständnis der Generalzolldirektion, Versorgungsempfänger seien nur Beamte im Ruhestand und mit Eintritt eines Beamten in den Ruhestand sei sie für sämtliche Versorgungsangelegenheiten dieses Ruhestandsbeamten zuständig, findet sich auch in der Beamtenversorgungszuständigkeitsanordnung kein Anhaltspunkt.

§ 2 BeamtVZustAnO verweist hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit für die Festsetzung der Versorgungsbezüge grundsätzlich auf die Anlage 1 zu dieser Zuständigkeitsanordnung. Eine abweichende Regelung i.S.v. § 2 BeamtVZustAnO findet sich für den Geschäftsbereich des BND in § 16 Abs. 2 BeamtVZustAnO. In § 16 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVZustAnO ist für die Angehörigen des BND bestimmt, dass dem Bundeskanzleramt die erste Festsetzung der Versorgungsbezüge vorbehalten bleibt. Unter "Versorgungsbezüge" versteht die Zuständigkeitsanordnung - entsprechend § 2 Nr. 4 und § 30 Abs. 2 BeamtVG -, wie sich aus § 1 und § 2 Nr. 1 der Anordnung ergibt, auch die Leistungen der Dienstunfallfürsorge.

Zwar ist der Generalzolldirektion einzuräumen, dass in der für den BND geltenden Vorschrift - § 16 Abs. 2 BeamtVZustAnO - im Gegensatz zur speziellen Regelung für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung - § 16 Abs. 3 Nr. 3 bis 8 BeamtVZustAnO - Aspekte der Unfallfürsorge nach §§ 30 bis 46 BeamtVG nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Die in § 2 BeamtVZustAnO genannte Anlage 1 regelt aber unter 5.1 für den Bereich des BND, dass das Bundeskanzleramt für die erste Festsetzung der Versorgungsbezüge zuständig ist. Der Fußnote 1 zu dieser Anlage ist zu entnehmen, dass damit nicht lediglich die Festsetzung der Ruhestandsbezüge eines Beamten gemeint ist, sondern auch die Festsetzung der übrigen Versorgungsbezüge i.S.v. § 2 BeamtVG . Die Zuständigkeitsregelungen sind dahingehend auszulegen, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Versorgungsbezügen im umfassenden Sinne des § 2 BeamtVG an einen derzeit oder früher beim BND verwendeten Beamten des Bundes dem Bundeskanzleramt obliegt und die Generalzolldirektion für die verwaltungstechnische Umsetzung dieser Bewilligungsentscheidungen zuständig ist. Dementsprechend ist es auch Sache des Bundeskanzleramtes zu entscheiden, ob ein begünstigender Verwaltungsakt aufgrund von § 48 VwVfG zurückgenommen wird.

Nähme man die Zuständigkeit der Generalzolldirektion für die aufgrund von § 48 VwVfG verfügte Rücknahme an, liefen die - teilweise gesetzlichen - Regelungen über die Zuständigkeit anderer Behörden für den Erlass des jeweiligen Ausgangsbescheids faktisch leer. Die Generalzolldirektion könnte den Erlass der begünstigenden Bescheide - hier durch den BND und das Bundeskanzleramt - schlicht abwarten, unter Berufung auf den Übergang der Zuständigkeit auf sich für die weiteren Entscheidungen infolge des Eintritts in den Ruhestand die Rücknahme aufgrund von § 48 VwVfG verfügen und damit ihre - von der Ausgangsbehörde abweichende - Auffassung zur Frage der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheids letztendlich durchsetzen.

Grundlage der Ansprüche des Klägers im Hinblick auf das Ereignis vom Juli 2009 ist das zwischen ihm und der Beklagten bestehende Beamtenverhältnis. Hinsichtlich der hier zwischen den verschiedenen Behörden der Beklagten umstrittenen Fragen - einerseits die Einhaltung der Fristen des § 45 BeamtVG für die Meldung eines Einsatzunfalls und andererseits die Frage der Zuständigkeit für die Rücknahme von begünstigenden Bescheiden aus dem Bereich der Dienstunfallfürsorge - kann es nur eine einheitliche Auffassung der Beklagten geben. Streitigkeiten zwischen verschiedenen Behörden einer Körperschaft um die zutreffende rechtliche Einordnung eines Sachverhalts sind zwischen den Behörden intern - ggf. durch die Befassung der übergeordneten Verwaltungsebene - zu klären und nicht auf den Betroffenen abzuwälzen. Setzt eine der Behörden ihre Rechtsauffassung schlicht durch Erlass eines Rücknahmebescheids um, ohne zuvor die verwaltungsinterne Klärung der Streitfragen herbeizuführen, ist der betroffene Beamte gezwungen, die zwischen den Behörden umstrittenen Fragen durch die Erhebung von Widerspruch und Anfechtungsklage auf sein Risiko und seine Kosten zu klären. Eine solche Situation ist zu vermeiden.

2. Die Entscheidung der Generalzolldirektion in Ziff. 2 des Ausgangsbescheids, das Schadensereignis vom Juli 2009 nicht als Dienstunfall - richtigerweise Einsatzunfall - anzuerkennen, ist rechtswidrig, weil hierfür nach § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG und der Anordnung des Chefs des Bundeskanzleramtes vom 11. November 2009 der BND sachlich zuständig ist.

3. Ziff. 3 bis 5 des Ausgangsbescheids der Generalzolldirektion sind rechtswidrig, weil die beiden begünstigenden Verwaltungsakte des BND und des Bundeskanzleramtes durch die gerichtliche Aufhebung der Ziff. 1 und 2 der belastenden Bescheide der Generalzolldirektion weiterhin wirksam sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Beschluss vom 30. Oktober 2018

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren auf 81 290,52 € festgesetzt.

Zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage betrugen die monatliche Differenz zwischen gezahlter und beanspruchter Versorgung 1 522,07 € und der monatliche Unfallausgleich 736 €. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der dreifache Jahresbetrag maßgebend.

Verkündet am 30. Oktober 2018

Fundstellen
DVBl 2019, 707
DÖV 2019, 242
NVwZ-RR 2019, 278
ZBR 2019, 311