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BVerwG - Entscheidung vom 26.04.2018

1 WB 35.17

Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
SG § 3 Abs. 1
WBO § 19 Abs. 1 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 26.04.2018 - Aktenzeichen 1 WB 35.17

DRsp Nr. 2018/8515

Kommandierung zur Dienstleistung mit Versorgung ambulanter und stationärer Patienten an ein Facharztzentrum i.R.d. Bewerbung um eine Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten im Auswahlverfahren

1. Da die Auswahl für die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nach Auswahljahren erfolgt, müssen sich alle Aussagen über die Eignung, Befähigung und Leistung eines Bewerbers auf den Zeitpunkt der jeweiligen Auswahlkonferenz beziehen. Eine Dienstleistung, aus der beurteilungsrelevante Erkenntnisse für das Auswahlverfahren 2016 gewonnen werden sollen, muss daher vor dem Abschluss der Auswahlkonferenz des Jahres 2016 tatsächlich erbracht oder zumindest aufgenommen worden sein, auch wenn die darauf gegründete Laufbahnbeurteilung möglicherweise erst später abgeschlossen wird. Später erbrachte Dienstleistungen können nur für spätere Auswahlverfahren von Bedeutung sein.2. Wird das Feststellungsinteresse für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag auf die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, gestützt, so gilt einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf. Nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für das nachfolgende Schadensersatzverfahren zu erhalten. Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Betroffene gehalten, seine Schadensersatzklage im Streitfall unmittelbar beim zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das - neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme überprüft.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Normenkette:

GG Art. 33 Abs. 2 ; SG § 3 Abs. 1 ; WBO § 19 Abs. 1 S. 3;

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft eine von der Antragstellerin beantragte Kommandierung zur Dienstleistung.

Die ... geborene Antragstellerin ist Soldatin auf Zeit; ihre zuletzt auf 22 Jahre festgesetzte Dienstzeit endet mit Ablauf des ... Die Antragstellerin ist seit ... approbierte Ärztin und seit ... Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Zuletzt wurde sie am ... 2008 zum Oberstabsarzt befördert und mit Wirkung vom ... 2008 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Die Antragstellerin ist Mitglied des Personalrats beim ..., des Bezirkspersonalrats beim ..., des Hauptpersonalrats und des Gesamtvertrauenspersonenausschusses beim Bundesministerium der Verteidigung und seit ... für ihre Tätigkeit im Bezirkspersonalrat vom Dienst freigestellt.

Im April 2016 beantragte die Antragstellerin für das Auswahljahr 2016 ihre Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Mit Schreiben vom 15. November 2016 stellte sie den hier gegenständlichen Antrag, im Rahmen des Auswahlverfahrens für die Dauer von zweimal zwei Monaten zur Dienstleistung mit Versorgung ambulanter und stationärer Patienten an das Facharztzentrum X, ..., kommandiert zu werden.

Mit Schreiben vom 4. Oktober und 15. November 2016 wandte sich die Antragstellerin mit diesem Anliegen außerdem an die Bundesministerin der Verteidigung. Mit Schreiben vom 17. November 2016 und 10. Januar 2017 beantwortete das Bundesministerium der Verteidigung - P II 1 - die Eingaben dahingehend, dass für das Auswahlverfahren 2016 eine Dienstleistung der Antragstellerin nicht erforderlich sei, weil hinreichende verwertbare Erkenntnisse für die Erstellung einer Laufbahnbeurteilung aus der Zeit vor ihrer Freistellung vorlägen.

Mit Bescheid vom 23. November 2016 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag auf Kommandierung ab. Zur Begründung verwies es auf das Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung - P II 1 - vom 17. November 2016. Eine Kommandierung in eine ... Abteilung zur Absolvierung einer beurteilungsrelevanten Dienstleistung sei nicht erforderlich, weil für die Erstellung einer Laufbahnbeurteilung hinreichende Erkenntnisse aus der Zeit seit der letzten Laufbahnbeurteilung vom 7. November 2013 bis zur Freistellung der Antragstellerin im Jahre 2015 vorlägen.

Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2016 Beschwerde.

Mit Bescheid vom 30. März 2017 wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - die Beschwerde zunächst als unzulässig, weil verspätet eingelegt, zurück. Mit Bescheid vom 19. Juni 2017 hob das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - diese Beschwerdeentscheidung wieder auf und wies die Beschwerde nunmehr als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass entgegen ursprünglicher Annahme keine Verfristung vorliege. Die Antragstellerin habe jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Kommandierung zur Dienstleistung. Eine solche Dienstleistung sei gemäß Nr. 604 des Zentralerlasses B-1336/2 nicht erforderlich, weil belastbare Erkenntnisse in Bezug auf die angestrebte Umwandlung des Dienstverhältnisses aus der Zeit vor der Freistellung vorlägen. Es bedürfe daher keiner gesonderten Dienstleistung zur Bewertung der Laufbahnbefähigung der Antragstellerin.

Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. August 2017 und vom 6. September 2017 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 13. September 2017 dem Senat vorgelegt.

Zur Begründung führt die Antragstellerin insbesondere aus:

Die beurteilungsrelevanten Erkenntnisse seien von einem befangenen Vorgesetzten festgestellt worden, weshalb sie nicht zu ihrem Nachteil berücksichtigt werden könnten. Zur Gewinnung verwertbarer Erkenntnisse hätte es deshalb der Kommandierung zum Facharztzentrum X bedurft. Wegen der geltend gemachten Befangenheitsgründe wird insbesondere auf das Schreiben der Antragstellerin vom 20. Dezember 2017 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

im Wege des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens festzustellen, dass die beantragte Dienstleistung im Jahre 2016 hätte gewährt werden müssen.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen im Beschwerdebescheid. Soweit sich die Antragstellerin gegen ihre letzte planmäßige Beurteilung zum 31. März 2014 wende, hätte sie die behauptete Befangenheit des beurteilenden Vorgesetzten fristgerecht gegen diese Beurteilung geltend machen müssen, was sie jedoch unterlassen habe. Die von der Antragstellerin im Zusammenhang mit der aktuellen Laufbahnbeurteilung gestellten Befangenheitsanträge gegen den Abteilungsleiter ... beim ... sowie gegen den Kommandeur und Ärztlichen Direktor (Chefarzt) des ... seien nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; insoweit werde ergänzend auf die - eine Feststellung der Befangenheit ablehnenden - Bescheide des Kommandeurs Gesundheitseinrichtungen beim Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr vom 20. November 2017 und des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr vom 5. Februar 2018 verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az. 1184/17 - und die Personalgrundakte der Antragstellerin, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

1. Das ursprüngliche (Verpflichtungs-)Begehren der Antragstellerin, für die Dauer von zweimal zwei Monaten zur Dienstleistung an das Facharztzentrum X, ..., kommandiert zu werden, hat sich durch Zeitablauf erledigt.

Der Antrag auf Kommandierung stand erklärtermaßen im Konnex mit der Bewerbung der Antragstellerin um eine Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten im Auswahlverfahren für das Auswahljahr 2016. Ihre Leistungen im Rahmen der Kommandierung sollten in die für die Bewerbung erforderliche Laufbahnbeurteilung (Nr. 604 Zentralerlass B-1336/2; Nr. 207 und 208 ZDv A-1340/50) eingehen. Eine Dienstleistung, die erst lange Zeit nach der Auswahlkonferenz 2016 erfolgt, kann diesen Zweck nicht mehr erfüllen. Zwar ist, wie der Antragstellerin mehrfach und zutreffend versichert worden ist, ggf. auch nach Abschluss der Auswahlkonferenz eine rückwirkende Betrachtung im Vergleich der Bewerber nach dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG , § 3 Abs. 1 SG ) möglich, wenn einzelne Unterlagen (wie z.B. die Laufbahnbeurteilung) erst später vorliegen sollten. Da die Auswahl für die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nach Auswahljahren erfolgt, müssen sich alle Aussagen über die Eignung, Befähigung und Leistung eines Bewerbers jedoch auf den Zeitpunkt der jeweiligen Auswahlkonferenz beziehen. Eine Dienstleistung, aus der beurteilungsrelevante Erkenntnisse für das Auswahlverfahren 2016 gewonnen werden sollen, muss daher vor dem Abschluss der Auswahlkonferenz des Jahres 2016 tatsächlich erbracht oder zumindest aufgenommen worden sein, auch wenn die darauf gegründete Laufbahnbeurteilung möglicherweise erst später abgeschlossen wird. Die hier in Rede stehende Auswahlkonferenz hat vom 8. November bis 1. Dezember 2016 stattgefunden. Eine Dienstleistung, aus der sich die Eignung der Antragstellerin für das Auswahljahr 2016 beurteilen ließe, ist deshalb inzwischen tatsächlich unmöglich. Später erbrachte Dienstleistungen können für spätere Auswahlverfahren von Bedeutung sein; sie sind jedoch nicht Gegenstand des hier gegenständlichen Antrags auf Kommandierung.

2. Als Fortsetzungsfeststellungsantrag ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zwar grundsätzlich statthaft, aber unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse der Antragstellerin fehlt (§ 19 Abs. 1 Satz 3 WBO ).

Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die - wie die hier mit Schreiben vom 15. November 2016 beantragte Kommandierung - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO , ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. In diesem Sinne hat die Antragstellerin bereits in ihrem Schreiben vom 24. August 2017 zutreffend einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt. Die Antragstellerin hat jedoch nicht das erforderliche Feststellungsinteresse dargelegt, das sich auch nicht aus einer sinngemäßen Auslegung ihres Vortrags entnehmen lässt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse an der Feststellung aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 24).

Wird das Feststellungsinteresse auf die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für das nachfolgende Schadensersatzverfahren zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2011 - 1 WB 13.11 - Rn. 21 und vom 27. Mai 2014 - 1 WB 54.13 - juris Rn. 19, jeweils m.w.N.). Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage im Streitfall unmittelbar beim zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das - neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme überprüft. Danach kommt vorliegend ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs von vornherein nicht in Betracht, weil die Erledigung des Rechtsstreits mit dem Abschluss der Auswahlkonferenz 2016 bereits deutlich vor Rechtshängigkeit des mit Schreiben vom 24. August 2017 und 6. September 2017 gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten ist.

Ein Feststellungsinteresse besteht auch nicht unter dem Blickwinkel der Wiederholungsgefahr. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare Möglichkeit voraus, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme unter im Wesentlichen gleichartigen Verhältnissen zu Lasten der Antragstellerin zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - 1 WB 37.10 - juris Rn. 85 m.w.N.). Die beteiligten Stellen (Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, Bundesministerium der Verteidigung - P II 1 -, Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 -) haben die hier gegenständliche Ablehnung der Kommandierung damit begründet, dass wegen der erst vergleichsweise kurze Zeit zurückliegenden Freistellung der Antragstellerin noch hinreichende Erkenntnisse aus der Zeit vor ihrer Freistellung vorlägen und deshalb für die Erstellung der Laufbahnbeurteilung im Auswahlverfahren 2016 keine aktuelle Dienstleistung erforderlich sei. Für das Auswahlverfahren 2017, in dem sich die Antragstellerin ebenfalls beworben hat, ergibt sich aus der Beschwerdeakte, dass das Bundesministerium der Verteidigung - P II 1 - bereits mit Schreiben vom 23. Februar 2017 festgelegt hat, dass für die Erstellung einer Laufbahnbeurteilung nunmehr eine beurteilungsfähige Verwendung der Antragstellerin von insgesamt vier Monaten einzuplanen sei. Einer veränderten Sachlage (zeitlich weiter zurückliegender Beginn der Freistellung) ist damit durch die Ankündigung einer veränderten Personalmaßnahme Rechnung getragen.