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BVerwG - Entscheidung vom 14.03.2018

4 A 7.17

Normen:
EnWG § 43 S. 9
VwVfG NRW § 75 Abs. 1a S. 1

BVerwG, Urteil vom 14.03.2018 - Aktenzeichen 4 A 7.17

DRsp Nr. 2018/8507

Klage einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung und den Betrieb einer 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung in Rommerskirchen - Sechtem; Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange

1. Die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten ist ungeachtet der rechtlich zwingenden Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist.2. Die privatrechtliche Betroffenheiten bei der Überspannung landwirtschaftlicher Flächen unterscheiden sich in abwägungserheblicher Weise von den Betroffenheiten von Anwohnern und müssen daher eigenständig ermittelt und gewichtet werden. Dabei wird der Überspannung landwirtschaftlich genutzter Flächen regelmäßig ein geringeres Gewicht zukommen, insbesondere wenn Grundstücke nicht als Maststandorte genutzt werden.3. Eine Planungsbehörde ist nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt vielmehr nur so zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist.

Tenor

Der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln für die Errichtung und den Betrieb der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Rommerskirchen - Sechtem, Bauleitnummer 4215, vom 30. Dezember 2016 ist hinsichtlich des zwischen dem Punkt Frechen und dem Punkt Brühl liegenden Abschnitts rechtswidrig und nicht vollziehbar.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und die

Beigeladene zu je 1/2.

Normenkette:

EnWG § 43 S. 9; VwVfG NRW § 75 Abs. 1a S. 1;

Gründe

I

Die Klägerin, eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, wendet sich gegen eine Höchstspannungsfreileitung.

Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln vom 30. Dezember 2016 (PFB) stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Rommerskirchen - Sechtem, Bauleitnummer (Bl.) 4215, einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an Anlagen und Verkehrswegen Dritter sowie der Anlage von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen fest. Die Leitung ist ein 34 km langes Teilstück des als Nr. 15 in den Bedarfsplan zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) aufgenommenen Vorhabens "Neubau Höchstspannungsleitung Osterath - Weißenthurm Nennspannung 380 kV". Der Planfeststellungsbeschluss wurde nach öffentlicher Bekanntmachung bis zum 13. Februar 2017 öffentlich ausgelegt.

Die Klägerin ist eine von der Stadt Hürth errichtete rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehören die Versorgung mit Energie, Fernwärme und Wasser sowie die Beseitigung des Abwassers und die Unterhaltung, der Betrieb und der Bau von Gemeindestraßen einschließlich der Beleuchtungsanlagen. Sie ist Eigentümerin von Grundstücken, die für Maststandorte oder Schutzstreifen der geplanten Leitung in Anspruch genommen werden sollen, unter anderem der für die Standorte der Maste 62 und 63 vorgesehenen Grundstücke.

Mit ihrer am 13. März 2017 erhobenen Klage fordert die Klägerin, die Trasse um Hürth herumzuführen und den Standort von Mast 63 zu verändern, um Schwierigkeiten mit Versorgungsleitungen zu vermeiden. Über weitere Forderungen der Klägerin haben sich die Beteiligten gütlich geeinigt.

Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln vom 30. Dezember 2016 für die Errichtung und den Betrieb der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Rommerskirchen - Sechtem, Bauleitnummer 4215, hinsichtlich der Teilabschnitte Punkt Frechen bis Umspannanlage Kalscheuren und Umspannanlage Kalscheuren bis Punkt Brühl aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigen jeweils den Planfeststellungsbeschluss.

II

Für das Verfahren ist das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 und Anlage Nr. 15 des Gesetzes zum Ausbau von Energieleitungen (Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG) vom 21. August 2009 (BGBl. I S. 2870 ), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3106 ).

Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg, weil der Planfeststellungsbeschluss eine Variante zur Umgehung der Ortslage Hürth zu Lasten der Klägerin abwägungsfehlerhaft ablehnt. Die weiteren Einwendungen greifen nicht durch.

A. I. Die Klägerin kann nur eine eingeschränkte Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen.

Zwar ist die Klägerin von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses betroffen. Als Anstalt des öffentlichen Rechts einer kommunalen Gebietskörperschaft ist sie aber nicht Trägerin des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 ff.>) und kann daher eine vollständige Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses nicht beanspruchen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> und vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 13 <jeweils zu Gemeinden>). Sie ist auch nicht befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger geltend zu machen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 8.15 - KommJur 2016, 397 Rn. 14). Die Klägerin kann aber wie ein privater Grundstückseigentümer rügen, eine vollständige oder teilweise Inanspruchnahme ihres Grundeigentums verletze das Gebot der gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (BVerwG, Urteile vom 27. März 1992 - 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> und vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 19). Sie kann daneben im Rahmen ihres satzungsgemäßen Aufgabenbereichs beanstanden, dass ihre Einrichtungen der Daseinsvorsorge beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 2001 - 4 CN 1.01 - BVerwGE 114, 301 <305> und Beschluss vom 26. März 2007 - 7 B 72.06 - NVwZ 2007, 841 Rn. 30).

II. Die Klägerin ist mit keiner Einwendung nach § 43 Satz 9 EnWG i.V.m. § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG NRW ausgeschlossen, weil die Vorschriften nach § 7 Abs. 4 und 6 UmwRG keine Anwendung finden.

Für den Rechtsbehelf der Klägerin gegen den nach dem 25. Juni 2005 ergangenen Planfeststellungsbeschluss gilt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290 ). Der Planfeststellungsbeschluss ist eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG, weil für die Errichtung und den Betrieb der 34 km langen Höchstspannungsfreileitung mit einer Nennspannung von 380 kV nach § 3b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 19.1.1 UVPG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808 ) geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestand. Damit findet nach § 7 Abs. 4 UmwRG in Rechtsbehelfsverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG NRW keine Anwendung (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 4 C 6.16 - juris Rn. 12 <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>). Dies gilt nach § 7 Abs. 6 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von juristischen Personen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG i.V.m. § 61 Nr. 1 VwGO .

B. Der Planfeststellungsbeschluss ist zu Lasten der Klägerin abwägungsfehlerhaft, soweit er sich gegen die Variante 5a/5b entscheidet (I.). Die Variante 6a/6b lehnt der Planfeststellungsbeschluss dagegen fehlerfrei ab (II.). Die Entscheidung über die Standorte einzelner Masten verletzt keine Rechte der Klägerin (III.).

I. Der Planfeststellungsbeschluss lehnt es ab, Hürth durch die Variante 5a/5b zu umgehen und damit eine Inanspruchnahme bestimmter Grundstücke der Klägerin zu vermeiden. Diese Entscheidung verletzt die Klägerin in ihrem Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange, weil der Planfeststellungsbeschluss die gegen die Variante 5a/5b sprechenden und damit den festgestellten Plan stützende Belange unzureichend ermittelt und bewertet.

1. Bei der Variante 5a/5b verliefe die Leitung vom Punkt Frechen nach Süden, parallel zu zwei, später drei Bestandsleitungen. Die Trasse führte an Gleuel und Burbach vorbei, verschwenkte mit dem Trassenband hinter Burbach und würde zwischen dem Otto-Maigler-See und dem Waldseenbereich Theresia, einem FFH-Gebiet (DE-5107-302), und anschließend durch ein Waldgebiet geführt. Während das Trassenband an der Umspannanlage im Chemiepark Knapsack endete, würden die planfestgestellte Leitung und die Leitung Bl. 4501 als 380-kV-Leitung der Hochspannungsleitung Goldenberg - Siegburg (Bl. 2370) folgen und damit südöstlich des Chemieparks Hürth verlaufen. Ab dort könnte die Variante 5a den Trassenraum einer zu demontierenden 110-kV Freileitung (Bl. 0081) nutzen, um am Punkt Brühl in die planfestgestellte Trasse zu verschwenken. Der Verlauf von Variante 5b weicht hinter dem Chemiepark Hürth ab, sie endet an Mast 84. Für die Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses spielt dieser Unterschied keine Rolle.

Der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 175) erkennt an, dass die Variante 5a/5b beim Schutz vor Immissionen der planfestgestellten Trasse überlegen ist. Dem hält er aber Querungen von Wohngebieten in Burbach, Fischenich und Vochem und neue bzw. stärkere privatrechtliche Betroffenheiten "auf einer Länge von rd. 14 km" entgegen. Neuüberspannungen oder verstärkte Überspannungen von Wohnhäusern im Bereich von Burbach und Fischenich ließen sich nicht vermeiden. Die Variante griffe auf einer Länge von 2,4 km zusätzlich in Waldbereiche ein, das Natura 2000-Gebiet sei auf einer Länge von 0,76 km betroffen. Im Bereich des Industrieparks Knapsack seien zahlreiche Produktenrohrbrücken und unterirdische Produktenleitungen zu berücksichtigen, die aufwändige Leitungsverlegungen erforderten.

2. Die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten ist ungeachtet der rechtlich zwingenden Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <11> und vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 32). Angesichts der Schwierigkeiten der Variante 5a/5b musste sich der Behörde deren Wahl zwar nicht aufdrängen. Die Entscheidung ist aber rechtswidrig, weil einzelne Belange fehlerhaft ermittelt, bewertet und gewichtet worden sind.

a) Der Planfeststellungsbeschluss befasst sich nur unzulänglich mit privatrechtlichen Betroffenheiten auf der Variante 5a/5b.

Der Beklagte möchte den Planfeststellungsbeschluss dahin verstanden wissen, dass der Verweis auf privatrechtliche Betroffenheiten "auf einer Länge von 14 km" sowohl Beeinträchtigungen von Wohngrundstücken als auch anderer, etwa landwirtschaftlich genutzter Grundstücke meint. Selbst wenn man dieser jedenfalls nicht zwingenden Lesart folgt, bleibt die Abwägung fehlerhaft: Denn die privatrechtlichen Betroffenheiten bei der Überspannung landwirtschaftlicher Flächen unterscheiden sich in abwägungserheblicher Weise von den Betroffenheiten von Anwohnern und müssen daher eigenständig ermittelt und gewichtet werden. Dabei wird der Überspannung landwirtschaftlich genutzter Flächen regelmäßig ein geringeres Gewicht zukommen, insbesondere wenn Grundstücke nicht als Maststandorte genutzt werden.

b) Der Planfeststellungsbeschluss befürchtet für die Variante 5a/5b Neuüberspannungen bzw. in Bezug auf die Anzahl der Leiterseile verstärkte Überspannungen von Wohnhäusern. Dieser abwägungserhebliche Belang ist nicht ausreichend ermittelt.

Die Darlegungen lassen offen, in welchem Umfang der Planfeststellungsbeschluss neue Überspannungen oder verstärkte Überspannungen annimmt. Sie benennen keine konkreten Grundstücke und nehmen auch nicht die vorhandene Siedlungsstruktur und eine mögliche Vorbelastung in den Blick. Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Luftbilder bieten keinen ausreichenden Aufschluss. Hiervon unabhängig hat der Beklagte seinen Blick verengt, weil er als Variante 5a/5b lediglich eine Parallelführung von Leitungen betrachtet, nicht aber die Möglichkeit, bestehende Leitungen zu demontieren und auf der neuen Leitung mitzuführen, wie dies bei der planfestgestellten Trasse beabsichtigt ist. Dass diese technische Variante, wie eine Mitarbeiterin der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, aus wirtschaftlichen Interessen verworfen worden ist, legt der Planfeststellungsbeschluss nicht dar.

Das Verbot des § 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV stände einer Überspannung nicht entgegen. Danach dürfen Niederfrequenzanlagen zur Fortleitung von Elektrizität mit einer Frequenz von 50 Hertz und einer Nennspannung von 220 Kilovolt und mehr, die in einer neuen Trasse errichtet werden, Gebäude oder Gebäudeteile nicht überspannen, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Denn von dieser Vorschrift bleiben nach § 4 Abs. 3 Satz 2 der 26. BImSchV bis zum 22. August 2013 beantragte Planfeststellungsverfahren unberührt, für die - wie hier - zu diesem Zeitpunkt ein vollständiger Antrag vorlag. Mit dieser Regelung sollten die bereits eingeleiteten Verfahren nach dem Energieleitungsausbaugesetz nicht nachteilig betroffen werden (BT-Drs. 17/12372 S. 14). Das Ziel eines gerechten Variantenvergleichs fordert es, § 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV sowohl hinsichtlich der von der Planfeststellung beabsichtigten Trasse als auch der von der Variante betroffenen Trasse außer Anwendung zu lassen.

c) Die Auseinandersetzung mit dem Natur- und Landschaftsschutz ist defizitär.

Allerdings begegnet es keinen Bedenken, dass der Planfeststellungsbeschluss Eingriffe in vorhandene Waldbereiche auf einer Länge von 2,4 km gegen die Variante 5a/5b anführt. Fehlerhaft ist dagegen die Berufung auf das Natura 2000-Gebiet "Waldseenbereich Theresia" (DE-5107-302). Der Standard-Datenbogen (ABl. EU L 198 S. 41 - DE5107302) weist als Lebensraumtyp den LRT 3140 aus. Dies sind nährstoffarme bis mäßig nährstoffreiche kalkhaltige Stillgewässer mit Armleuchteralgen. Als wichtige Pflanzenart nennt der Standard-Datenbogen die Stern-Armleuchteralge Nitellopsis obtusa. Dass eine Höchstspannungsfreileitung sich auf diesen Lebensraumtyp auswirken könnte, liegt fern und haben weder der Beklagte noch die Beigeladene darlegen können.

Der Standard-Datenbogen nennt als "Erhaltungsmaßnahmen (fakultativ)" auch die Erhaltung und Sicherung des Gewässers als Lebensraum für zahlreiche Brutvögel und Durchzügler. Dass der Planfeststellungsbeschluss dieses Ziel abwägend berücksichtigen wollte, ist nicht erkennbar, kann aber auf sich beruhen, weil es jedenfalls an der gebotenen artspezifischen Betrachtung fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 78 ff.).

d) Mitarbeiter der Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung in unterschiedlichen Zusammenhängen auf technische und wirtschaftliche Bedingungen der Variante 5a/5b verwiesen, die Mehrkosten auslösen könnten.

Der Planfeststellungsbeschluss stützt sich nicht auf Kostenargumente. Sie könnten auch ohne weitere Darlegung eine Abwägungsentscheidung nicht tragen. Zwar sind Kosten der Leitung in einer Abwägung zu berücksichtigen, auch wenn sie einen privaten Vorhabenträger belasten (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 42, vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - ER 2013, 119 = juris Rn. 32 und vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 44). Einer auf Kostenüberlegungen gestützten Variantenprüfung müssen aber Kostenschätzungen mit prognostischem Gehalt zugrunde gelegt werden (BVerwG, Urteile vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 56 und vom 22. Juni 2017 - 4 A 18.16 - UPR 2017, 512 Rn. 29). Daran fehlt es.

Damit erweist sich auch die Annahme als unzureichend ermittelt, im Bereich des Industrieparks Knapsack seien zahlreiche Produktenrohrbrücken und unterirdisch verlegte Produktenleitungen vorhanden. Dass zwingende technische Hindernisse bestehen, haben der Beklagte und die Beigeladene nicht geltend gemacht. Es geht um Mehrkosten durch höheren Konstruktionsaufwand. Diese bedürfen einer prognostischen Schätzung, um ihr Gewicht bewerten zu können.

e) Nach Auffassung der Klägerin gewichtet der Planfeststellungsbeschluss die Belastungen der Wohnbebauung im Bereich Hürth und die Beeinträchtigungen des Ortsbildes durch die planfestgestellte Leitung zu gering. Damit zeigt die Klägerin keinen Abwägungsfehler zu ihren Lasten auf, weil sie keine eigenen, sondern fremde Belange geltend macht. Die Abwägungskontrolle kann zwar insoweit eine gewisse Ausdehnung erfahren, als gleichgerichtete Interessen, wie die Belange benachbarter Anlieger, die nur einheitlich mit den entsprechenden Belangen eines Klägers gewichtet werden können, in die Prüfung einzubeziehen sind (BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 128 und vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - UPR 2017, 352 Rn. 47). Die Belange eines kommunalen Unternehmens sind indes - auch soweit sie sich auf (einfachrechtliche) Eigentumspositionen beziehen - nicht mit den Belangen von privaten Eigentümern und Anwohnern gleichgerichtet.

f) Die Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind erheblich nach § 43 Satz 9 EnWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW , weil sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.

Offensichtlich ist alles, was zur äußeren Seite des Abwägungsvorgangs derart gehört, dass es auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruht, also Fehler und Irrtümer, die zum Beispiel die Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials, die Erkenntnis und Einstellung aller wesentlichen Belange in die Abwägung oder die Gewichtung der Belange betreffen und die sich - wie hier - aus den Aufstellungsvorgängen, der Planbegründung oder sonstigen Unterlagen ergeben (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 84).

Der Fehler ist auf das Abwägungsergebnis auch von Einfluss gewesen. Ein Fehler ist nicht beachtlich, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit fehlt, dass die Planungsentscheidung ohne den Fehler anders, also für den Kläger günstiger ausgefallen wäre (BVerwG, Urteile vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <379 f.>, vom 28. Oktober 1998 - 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <356> und vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 - BVerwGE 151, 213 Rn. 45). Die Annahme, dass bei Vermeidung des Abwägungsfehlers keine andere Abwägungsentscheidung ergangen wäre, ist aber nur gerechtfertigt, solange konkrete Anhaltspunkte dafür nachweisbar sind, dass die Planfeststellungsbehörde gleichwohl dieselbe Entscheidung getroffen hätte (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 1 BvR 685/12 - NVwZ 2016, 524 Rn. 23; BVerwG, Urteile vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 - BVerwGE 154, 153 Rn. 30 und vom 22. Juni 2017 - 4 A 18.16 - UPR 2017, 512 Rn. 36). Daran fehlt es. Denn es ist offen, welches Gewicht der Planfeststellungsbeschluss den unzureichend ermittelten Belangen einräumen wollte, die gegen die Variante 5a/5b streiten.

II. Die Trassenvariante 6a/6b lehnt der Planfeststellungsbeschluss ohne Rechtsfehler ab.

Bei der Variante 6a würde die Leitung die Bestandstrasse bei Mast 56, also vor der Ortslage von Hürth, verlassen, eine bestehende Freileitung kreuzen, nach Norden verschwenken und die Bundesautobahn A 4 queren. Die Leitung würde parallel zur Autobahn im südlichen Kölner Grüngürtel bis zum Güterverkehrszentrum verlaufen. Entlang der Bahnlinie und parallel zu einer 110-kV-Bahnstromleitung erreichte die Trasse bei Mast Nr. 71 die planfestgestellte Trasse. Die Variante 6b entspricht der Variante 6a im Bereich von Hürth, beginnt aber bei Variante 4a/4b, deren Ablehnung die Klägerin nicht beanstandet.

Der Planfeststellungsbeschluss erkennt Verbesserungen durch die Variante 6a/6b mit Blick auf Immissionen und bauliche Anlagen; die Variante verliefe in einem durch die Autobahn vorbelasteten Bereich. Dem hält er die Führung in einer neuen Trasse über bisher unbelastete Grundstücke entgegen. Betroffen seien Waldbereiche des Kölner Grüngürtels mit einer wesentlich höheren Beeinträchtigung von Natur und Landschaft und deren Erholungsfunktion. Eingriffe in Bodendenkmäler seien nicht auszuschließen, weil sich in diesem Bereich Überreste des ehemaligen Kölner Stadtbefestigungsrings und der römischen Eifelwasserleitung befänden sowie das Fort der ehemaligen Festungsanlagen. Schließlich seien mehrere Kreuzungsbauwerke zu errichten (PFB S. 175 f.).

Die Klägerin hält die Abwägung für zu oberflächlich, insbesondere mit Blick auf die Beeinträchtigung von Natur und Landschaft. Diese Kritik greift nicht durch. Eine Planungsbehörde ist nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie braucht den Sachverhalt vielmehr nur so zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2004 - 9 A 11.03 - NVwZ 2004, 1486 <1491 f.> <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 121, 72>). Die Kritik der Klägerin lässt nicht erkennen, welche tatsächlichen Annahmen sie in Zweifel ziehen will. Sie stellt weder in Abrede, dass die Trassen nicht durch Energieleitungen vorbelastet sind, noch, dass die Flächen innerhalb des Grüngürtels liegen und bewaldet sind. Zu den weiter angeführten bodendenkmalrechtlichen Belangen und den Kreuzungsbauwerken äußert sie sich gar nicht.

III. Mast 63 soll auf einem Grundstück der Klägerin platziert werden. Der Planfeststellungsbeschluss lehnt es ohne Abwägungsfehler zu Lasten der Klägerin ab, den Mast zu verschieben (PFB S. 355).

Der gewählte Standort belastet die Klägerin nur geringfügig. Sie hat nicht substantiiert aufgezeigt, dass der Standort sie bei der Wahrnehmung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben hindere und welche konkreten Planungsabsichten sie insoweit erschwert sieht. Ihr privates Eigentumsrecht hat darüber hinaus in der Abwägung kaum Gewicht. Denn es dient nicht grundrechtlicher Freiheitsausübung, sondern der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, die der Klägerin aufgetragen ist.

Gegen die alternativen Standorte sprechen beachtliche Gründe: Der Mast 63 kann bei gerader Führung der Leitung nicht um 30 m verschoben werden, weil das vorhandene Parkdeck die Errichtung eines Fundaments nicht zulässt. Die geringfügige Betroffenheit der Klägerin gab keinen Anlass, an dieser Stelle eine Verschwenkung der Leitung zu erwägen.

Einem Standort des Mastes 63 hinter dem Parkdeck und vor dem Duffesbach halten der Beklagte und die Beigeladene überzeugend entgegen, dass bei Einhaltung eines Abstandes von 5 m zum Duffesbach ein Fundament mit einer Kantenlänge von 16 m keinen Platz fände. Zudem werde der Grüngürtel durchschnitten, in dem Bereich befinde sich eine römische Wasserleitung als Bodendenkmal und die größere Seilausschwingung nähere sich zu stark an die parallel verlaufende Freileitung Bl. 4511.

Gegen eine Verschiebung des Mastes 63 um rd. 110 m führen Beklagter und Beigeladene an, dass die Masten 63 und 64 erhöht werden müssten und der Gleichschritt mit der Trasse 4511 - konkret der Masten 63 (Bl. 4215) und 37 (Bl. 4511) - weiter aufgegeben würde als ohnehin notwendig. Es schien auch nicht angezeigt, den Standort des Mastes 64 gleichfalls in Richtung des Mastes 62 zu verschieben, um eine Erhöhung der Masten 63 und 64 zu vermeiden. Denn dies führte zu neuen Betroffenheiten bei der Wohnbevölkerung, namentlich in dem Gebäude Nibelungenstraße 80.

C. Die Mängel in der Abwägung können durch ein ergänzendes Verfahren nach § 43 Satz 9 EnWG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW behoben werden, so dass der Senat gehindert ist, den Planfeststellungsbeschluss in den im Streit stehenden Abschnitten aufzuheben, sondern ihn insoweit für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 154 Abs. 3 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt.

Verkündet am 14. März 2018