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BVerwG - Entscheidung vom 30.10.2018

2 C 6.18

Normen:
SVG § 3
SVG § 9
SVG § 12
SVG 2005 § 12
SVG 2005 § 98
SVG § 3
SVG § 9
SVG § 12
SVG (2005) § 12
SVG (2005) § 98
SVG § 3 Abs. 4 Nr. 3
SVG § 12 Abs. 2
SVG (2005) § 12 Abs. 5 S. 1
SVG (2005) § 98 Abs. 1 S. 1 Hs. 1

BVerwG, Urteil vom 30.10.2018 - Aktenzeichen 2 C 6.18

DRsp Nr. 2018/18481

Erhalt eines Zulassungsscheins und der Hälfte der Übergangsbeihilfe vor dem 1. Juni 2005 auf Antrag eines Soldaten auf Zeit; Stützen eines Soldaten hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des nicht genutzten Zulassungsscheins auf die Übergangsregelung des § 98 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 SVG 2005

Ein früherer Soldat auf Zeit, der vor dem 1. Juni 2005 antragsgemäß einen Zulassungsschein und dementsprechend lediglich die Hälfte der Übergangsbeihilfe erhalten hat, kann sich hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des nicht genutzten Zulassungsscheins auf die Übergangsregelung des § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005 stützen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

SVG § 3 Abs. 4 Nr. 3 ; SVG § 12 Abs. 2 ; SVG (2005) § 12 Abs. 5 S. 1; SVG (2005) § 98 Abs. 1 S. 1 Hs. 1;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Auszahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe an einen ehemaligen Soldaten auf Zeit nach Rückgabe des vom Soldaten nicht genutzten Zulassungsscheins.

Der 1968 geborene Kläger stand bis Ende September 2000 als Soldat auf Zeit (Dienstgrad Oberfeldwebel) im Dienst der Beklagten. Anfang August 2000 erteilte das Kreiswehrersatzamt dem Kläger antragsgemäß einen Zulassungsschein. Dementsprechend erhielt der Kläger lediglich die Hälfte der Übergangsbeihilfe. Den Zulassungsschein nahm der Kläger nicht für eine entsprechende Anstellung im öffentlichen Dienst in Anspruch.

Ende Oktober 2014 beantragte der Kläger die Auszahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe die nunmehr im Gesetz bestimmte Frist für die Geltendmachung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe nicht eingehalten. Auf die Übergangsvorschrift könne sich der Kläger nicht berufen, weil er kein vorhandener Versorgungsempfänger sei. Das seien nur solche Soldaten, die am 1. Juni 2005 tatsächlich von der Beklagten Versorgungsleistungen bezogen hätten. Dies treffe auf den Kläger nicht zu, weil für ihn zum Stichtag lediglich die Möglichkeit zur Auszahlung der restlichen Übergangsbeihilfe bestanden habe. Auch der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, an den Kläger die zweite Hälfte der Übergangsbeihilfe zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Zulassungsscheins. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Wegen der auch für ihn geltenden gesetzlichen Übergangsregelung könne sich der Kläger auf die für ihn günstigere frühere Rechtslage berufen. Vorhandene Versorgungsempfänger seien ehemalige Soldaten, die im Zeitpunkt der Gesetzesänderung wiederkehrende oder einmalige Versorgungsleistungen bezögen oder bezogen hätten oder deren bereits bestehender Anspruch auf solche Versorgungsleistungen noch nicht erfüllt sei. Das durch die Erteilung des Zulassungsscheins entstandene Rechtsverhältnis ende erst, wenn aus dem Zulassungsschein selbst keine Ansprüche des ehemaligen Soldaten mehr resultieren könnten.

Hiergegen richtet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2017 und des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 7. April 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht nicht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Auszahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins. Denn er kann sich auf die Übergangsregelung des § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Soldatenversorgungsgesetzes - SVG - in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der soldatenversorgungsrechtlichen Berufsförderung (Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz) vom 4. Mai 2005 (BGBl. I S. 1234 - SVG 2005) stützen. Als Inhaber eines Zulassungsscheins, dem lediglich die Hälfte der Übergangsbeihilfe ausgezahlt worden ist, ist er im Hinblick auf die zweite Hälfte vorhandener Versorgungsempfänger i.S.v. § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005 (a.A. OVG Koblenz, Beschluss vom 16. September 2015 - 10 A 10.387/15.OVG -).

Grundsätzlich ist für die Entscheidung über einen geltend gemachten materiellen Anspruch dasjenige Recht maßgeblich, das zum Zeitpunkt der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung auf den Sachverhalt anzuwenden ist (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 Rn. 11).

Nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Revisionsverhandlung geltenden Fassung des § 12 Abs. 5 SVG in der Fassung des Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz) vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1583 ) hat der Kläger keinen Anspruch auf Auszahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins. Denn die in § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG für die Rückgabe des Zulassungsscheins bestimmte Frist von acht Jahren war zum Zeitpunkt des Antrags des Klägers vom 29. Oktober 2014 bereits abgelaufen. Dies gilt auch dann, wenn die Frist erst mit dem Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes am 1. Juni 2005 zu laufen begonnen hat.

Aufgrund von § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005 kann der Kläger seinen Anspruch jedoch auf § 12 Abs. 5 SVG in der vor dem Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes geltenden Fassung stützen, weil dieses Recht für ihn als Versorgungsempfänger günstiger ist. § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG in der Fassung des Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz) vom 27. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3822 ) sieht für die Geltendmachung des Anspruchs auf Zahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins keine Frist vor. Voraussetzung ist lediglich, dass der ehemalige Soldat auf Zeit noch nicht mit Hilfe des Zulassungsscheins bereits als Beamter oder dienstordnungsmäßig Angestellter beschäftigt oder als Angestellter in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übernommen worden ist. Nach den nicht mit Rügen angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Kläger den Zulassungsschein noch nicht in Anspruch genommen.

Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005 regeln sich die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes vorhandenen Versorgungsempfänger nach bisherigem Recht, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger ist.

Unter "Rechtsverhältnis" i.S.v. § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005 sind alle rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die aufgrund dieses Gesetzes zwischen einem Soldaten auf Zeit, einem Berufssoldaten oder den Hinterbliebenen dieser Soldaten und der Bundesrepublik Deutschland als Folge des Wehrdienstverhältnisses entstanden sind. Darunter fällt auch der durch die Erteilung des Zulassungsscheins begründete Rechtszustand hinsichtlich der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe, solange der ehemalige Soldat auf Zeit den Zulassungsschein noch nicht in Anspruch genommen hat.

Der Kläger ist aber entgegen der Auffassung der Beklagten auch bei Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes vorhandener Versorgungsempfänger i.S.v. § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005.

Zunächst gibt es kein allgemeines, für den gesamten Bereich des Rechts der Versorgung von Beamten und Soldaten geltendes Verständnis der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, hier des Begriffs des Versorgungsempfängers. Vielmehr sind die Elemente der gesetzlichen Regelung nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck des jeweiligen Gesetzes auszulegen.

Auch im Revisionsverfahren hat die Beklagte nachdrücklich die Auffassung vertreten, "vorhandener Versorgungsempfänger" sei nur derjenige Begünstigte, der zum maßgeblichen Zeitpunkt, hier das Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes am 1. Juni 2005, laufende/aktuelle Versorgungsleistungen von seinem früheren Dienstherrn erhalten habe. Bei einem früheren Soldaten auf Zeit, dem antragsgemäß ein Zulassungsschein erteilt worden sei, sei das gerade nicht der Fall. Denn dessen Versorgung sei "erledigt"; er erhalte neben dem Zulassungsschein und der hälftigen Übergangsbeihilfe keine weiteren Leistungen.

Diese Auffassung der Beklagten führt bei der praktischen Anwendung zu Ergebnissen, die mit der erkennbaren Intention des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen sind. Wählt der ehemalige Soldat auf Zeit eine "logische" Sekunde vor dem Ablauf der Frist von acht Jahren nach Erteilung des Zulassungsscheins unter Rückgabe des ungenutzten Zulassungsscheins die - vollständige - Übergangsbeihilfe nach § 12 Abs. 2 SVG , so hat er lediglich einen Anspruch auf Auszahlung der restlichen Übergangsbeihilfe, bezieht aber tatsächlich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Frist noch keine Übergangsbeihilfe. Nach der von der Beklagten vertretenen Auffassung wäre der Soldat kein "vorhandener Versorgungsempfänger", weil er lediglich einen Anspruch hat, aber aktuell keine Leistungen bezieht. Das Gesetz geht dagegen ersichtlich davon aus, dass einem solchen früheren Soldaten auf Zeit die gesamte Übergangsbeihilfe zusteht.

Die Auffassung der Beklagten wird auch dem Wortlaut und der Systematik des Soldatenversorgungsgesetzes nicht gerecht. Ungeachtet des Umstands, dass ehemalige Soldaten auf Zeit vom Dienstherrn im Hinblick auf das frühere Wehrdienstverhältnis nicht lebenslang versorgt werden, spricht das Soldatenversorgungsgesetz in seinem § 3 Abs. 4 von der "Dienstzeitversorgung der Soldaten auf Zeit". Hierzu rechnet das Gesetz auch solche Leistungen, die, wie etwa die Übergangsbeihilfe nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SVG , bei Beendigung des Dienstverhältnisses regelmäßig in einer Summe gezahlt werden.

Wählt der Soldat auf Zeit im Hinblick auf seine berufliche Entwicklung nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses nicht den Eingliederungsschein (§ 9 Abs. 1 SVG ), sondern den Zulassungsschein (§ 9 Abs. 2 SVG ), so erhält er lediglich die Hälfte der ihm nach § 12 Abs. 2 SVG zustehenden Übergangsbeihilfe. Im Hinblick auf die zweite Hälfte der Übergangsbeihilfe erlangt er eine Rechtsstellung, die einem Anwartschaftsrecht vergleichbar ist. Diese Hälfte wird erst ausbezahlt, wenn der ehemalige Soldat auf Zeit den von ihm nicht in Anspruch genommenen Zulassungsschein wieder zurückgibt. Das Entstehen des Anspruchs hängt allein vom Willen des betreffenden ehemaligen Soldaten auf Zeit ab. Diesen sich unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften der § 9 Abs. 2 und § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG ergebenden Zustand rechnet das Gesetz in § 3 Abs. 4 Nr. 3 SVG ausdrücklich dem Bereich der Dienstzeitversorgung der Soldaten auf Zeit zu.

Die Einbeziehung von solchen Soldaten auf Zeit, die am Ende ihrer Dienstzeit den Zulassungsschein und damit lediglich die Hälfte der Übergangsbeihilfe gewählt haben, in den Anwendungsbereich von § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005 entspricht auch der Zweckrichtung, die der Gesetzgeber mit dieser speziellen Übergangsregelung aus Anlass des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes verfolgt hat.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung soll diese Vorschrift sicherstellen, dass die gesetzlichen Neuregelungen auf vorhandene Versorgungsempfänger nur dann anzuwenden sind, wenn sie im Einzelfall günstiger sind als die bisherigen Regelungen (BT-Drs. 15/4639, S. 20 zu Nr. 42). Danach hat § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SVG 2005 die Aufgabe der Wahrung des Besitzstandes. Diejenigen Soldaten auf Zeit, denen nach dem bis zum 1. Juni 2005 geltenden Recht Ansprüche auf Versorgung nach Maßgabe von § 3 Abs. 4 SVG zustanden, sollen durch die am 1. Juni 2005 in Kraft getretenen Veränderungen jedenfalls insoweit unberührt bleiben, als diese Neuregelungen ihre Rechtsposition beeinträchtigen.

Dies gilt insbesondere für die Einführung der Frist von acht Jahren für die Rückgabe des Zulassungsscheins mit der Folge der Auszahlung der zweiten Hälfte der Übergangsbeihilfe durch § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG 2005. Ziel der Neuregelung war es gerade, die Rechtslage, wonach ehemalige Soldaten auf Zeit den Zulassungsschein ohne jede zeitliche Begrenzung mit der Folge der vollständigen Zahlung der Übergangsbeihilfe zurückgeben konnten, zu ändern und die Option der Rückgabe nur noch für einen begrenzten Zeitraum zu ermöglichen (BT-Drs. 15/4639, S. 19 zu Nr. 27 Buchst. d).

Im Übrigen lassen die weiteren Regelungen in § 98 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 sowie Abs. 1 Satz 2 und 3 SVG 2005 darauf schließen, dass der Gesetzgeber von einem weiten Anwendungsbereich des § 98 SVG 2005 und von einem weiten Verständnis der Begriffe "Rechtsverhältnisse" und "vorhandenen Versorgungsempfänger" ausgegangen ist. Dies wird auch nicht durch die Regelungen in § 98 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 SVG 2005 wieder in Frage gestellt. § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG 2005 betrifft einen Teilaspekt der Berechnung von Übergangsgebührnissen und bezieht sich auf die damalige Neuregelung in § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG 2005. § 98 Abs. 2 SVG 2005 trifft lediglich eine Übergangsregelung zur Durchführung des Wechsels der Zuständigkeit zur Auszahlung der Ausgleichsbezüge.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .

Beschluss:

Beschluss vom 30. Oktober 2018

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf 5 619,95 € festgesetzt.

Verkündet am 30. Oktober 2018

Vorinstanz: VG Arnsberg, vom 07.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 13 K 882/15
Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 30.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 908/16