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BVerwG - Entscheidung vom 28.02.2018

4 BN 6.18

Normen:
BauGB § 1 Abs. 7

BVerwG, Beschluss vom 28.02.2018 - Aktenzeichen 4 BN 6.18

DRsp Nr. 2018/4406

Darstellen einer von der Planungsbehörde praktizierten sog. passiven Duldung einer formell und materiell rechtswidrigen Nutzung eines Grundstücks als einen in der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigenden Belang

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 000 € festgesetzt.

Normenkette:

BauGB § 1 Abs. 7 ;

Gründe

Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf,

ob eine von der Planungsbehörde praktizierte sog. passive Duldung einer formell und materiell rechtswidrigen Nutzung eines Grundstücks einen in der Abwägungsentscheidung im Sinne von § 1 Abs. 7 BauGB zu berücksichtigenden Belang darstellt.

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist nicht entscheidungserheblich.

Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 6) hat angenommen, das Interesse des Antragstellers, vor planbedingten Beeinträchtigungen der in seinen Gebäuden illegal ausgeübten Wohnnutzungen verschont zu bleiben, sei nicht schutzwürdig und daher nicht abwägungserheblich. Einen Ausnahmefall hat es verneint, weil eine aktive Duldung der illegalen Wohnnutzung, d.h. eine verbindliche Selbstverpflichtung, für einen definierten Zeitraum gegen die als illegal erkannte Nutzung nicht einzuschreiten, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht vorgelegen habe. Hiergegen wendet sich die Beschwerde mit ihrer Grundsatzrüge. Sie möchte angesichts divergierender obergerichtlicher Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren klären lassen, ob nicht nur - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - eine aktive Duldung, sondern auch die von der Planungsbehörde passiv geduldete illegale Nutzung eines Grundstücks in die Abwägungsentscheidung einzustellen ist.

Indes ist das Oberverwaltungsgericht bei dieser Begründung nicht stehengeblieben. Es hat seine Entscheidung vielmehr auch auf zwei weitere, jeweils selbständig tragende Begründungen gestützt: Selbst wenn den älteren und/oder langjährigen Mietern gegenüber eine (aktive) Duldung anzunehmen wäre, würde dies nicht dazu führen, dass Belange des Antragstellers schutzwürdig geworden wären; denn der Antragsteller würde von den zum Schutz der Mieter ausgesprochenen Duldungen nur im Sinne eines Rechtsreflexes profitieren; ein Grund, seine Eigentümerinteressen in der Abwägung zu berücksichtigen, wäre das nicht. Im Übrigen - so das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) weiter - wären die Betroffenheiten der möglicherweise zu duldenden Mietparteien und des Antragstellers als Eigentümer der Wohngebäude selbst dann zutreffend abgewogen worden, wenn sie abwägungserheblich gewesen wären; denn die Antragsgegnerin habe in der Abwägung der Einwendungen des Antragstellers zwar deren Unerheblichkeit festgestellt, sich aber auch inhaltlich damit auseinandergesetzt.

Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 und vom 9. September 2009 - 4 BN 4.09 - ZfBR 2010, 67 = juris Rn. 5). Denn wenn ein Zulassungsgrund nur bezüglich einer Begründung geltend gemacht und gegeben ist, kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (BVerwG, Beschluss vom 9. September 2009 - 4 BN 4.09 - ZfBR 2010, 67 = juris Rn. 5). So verhält es sich hier. Die Beschwerde wendet sich mit ihrer Grundsatzrüge ausschließlich gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Eigentümerinteressen des Antragstellers nicht abwägungserheblich seien, weil eine aktive Duldung der illegalen Wohnnutzung nicht vorliege. Hinsichtlich der übrigen Begründungen sind Zulassungsgründe nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 12.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 KN 95/16