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BVerwG - Entscheidung vom 30.08.2018

1 WB 37.17

Normen:
SLV § 40 Abs. 3 S. 1
SLV § 43 Abs. 2
WBO § 5 Abs. 1 S. 1
WBO § 15
WBO § 19 Abs. 1 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 30.08.2018 - Aktenzeichen 1 WB 37.17

DRsp Nr. 2018/16900

Darlegung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses eines Hauptbootsmanns der Reserve auf Feststellung eines Anspruchs auf Zulassung zur Laufbahn der Reserveoffiziere des militärfachlichen Dienstes

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Normenkette:

SLV § 40 Abs. 3 S. 1; SLV § 43 Abs. 2 ; WBO § 5 Abs. 1 S. 1; WBO § 15 ; WBO § 19 Abs. 1 S. 3;

Gründe

I

Der Antragsteller begehrt die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes.

Der ... geborene Antragsteller war Soldat auf Zeit in der Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes, seit dem 26. Februar ... im Dienstgrad eines Hauptbootsmanns. Seine zunächst auf zehn Jahre festgesetzte Dienstzeit wurde zuletzt bis zum 31. Oktober ... verlängert. Seit 1. November ... ist er als Tarifbeschäftigter beim ...amt ... (im Folgenden: ...amt ...) angestellt.

Mit Formularantrag vom 22. Januar 2015 beantragte der Antragsteller die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes für das Auswahljahr 2015 in der Verwendungsreihe 61 (Stabsdienst). In einem Anhang zum Antrag erklärte er sich damit einverstanden, auch in der Verwendungsreihe 85 (Militärmusikdienst) betrachtet zu werden; die Zulassung in dieser Verwendungsreihe ist Gegenstand des Parallelverfahrens BVerwG 1 WB 15.18. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antrag auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes in der Verwendungsreihe 61 ab, weil andere Bewerber über ein günstigeres Eignungs- und Leistungsbild verfügten.

Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 Beschwerde. Mit Bescheid vom 22. Februar 2017 wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - die Beschwerde als unzulässig zurück, weil diese nach Ablauf der Dienstzeit des Antragstellers auf ein rechtlich und tatsächlich unmögliches Ziel gerichtet sei; im dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids wurde ausgeführt, dass die Ablehnung der Laufbahnzulassung zu Recht erfolgt sei.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 17. März 2017 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 27. September 2017 dem Senat vorgelegt.

Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus: Er habe ein Rechtsschutzbedürfnis, weil er jederzeit gemäß § 59 Abs. 2 SG zu Dienstleistungen herangezogen werden könne. Es mache einen Unterschied, ob er dabei als Hauptbootsmann oder als Oberfähnrich zur See Dienst leiste. In der Sache sei sein Bewerbungsverfahrensanspruch aus mehreren Gründen verletzt. In die Auswahlentscheidung sei eine Potenzialfeststellung eingeflossen, die er unter erheblich störenden äußeren Bedingungen absolviert habe; ohne diese Störungen hätte er ein besseres Ergebnis erzielt. Der Soldat, mit dem er in der Einzelvorlage verglichen worden sei, sei unter Berücksichtigung der Potenzialfeststellung in der Ergebnisliste gereiht gewesen. Er beanstande ferner, dass in der Ergebnisliste, in der er mit einem Punktsummenwert von 702,925 auf dem Rangplatz 54 liege, sieben Soldaten im Dienstgrad Oberbootsmann vor ihm gereiht seien; dies führe zu einer rechtswidrigen Vergleichsgruppe. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass er über Jahre hinweg keinen regulären Dienstposten innegehabt habe, sondern auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt geführt worden sei.

Der Antragsteller beantragt,

die Bescheide des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 6. Oktober 2016 und des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Februar 2017 aufzuheben und die Bundesministerin der Verteidigung zu verpflichten, seinen Antrag auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes vom 22. Januar 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Seiner Auffassung nach ist der Antrag auf Laufbahnzulassung seit dem Ende der Dienstzeit des Antragstellers auf ein rechtlich unmögliches Ziel gerichtet. Voraussetzung für einen Laufbahnwechsel sei ein aktives Wehrdienstverhältnis im Status eines Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit. Eine Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes in der Reserve sei nicht möglich. Dem Antragsteller fehle es zudem an einem Feststellungsinteresse. Es sei weder beabsichtigt, ihn zu Dienstleistungen gemäß § 59 Abs. 2 SG heranzuziehen, noch habe er hierauf einen Anspruch. Abgesehen davon würde selbst bei einem Obsiegen des Antragstellers im vorliegenden Verfahren keine Ernennung zum Oberfähnrich zur See erfolgen. Die Ablehnung der Laufbahnzulassung sei auch in der Sache nicht zu beanstanden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az.: ... -, die Personalgrundakte des Antragstellers und die Akten des Parallelverfahrens BVerwG 1 WB 15.18 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

1. Der Antragsteller hat noch während seiner Dienstzeit mit dem am selben Tag bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WBO ) eingegangenen Schreiben vom 26. Oktober 2016 Beschwerde eingelegt. Die Fortführung eines Wehrbeschwerdeverfahrens wird nicht dadurch berührt, dass nach Einlegung der Beschwerde das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers endigt (§ 15 WBO ). Der Antragsteller hat jedoch für den Verpflichtungsantrag, im Auswahljahr 2015 zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes in der Verwendungsreihe 61 (Stabsdienst) zugelassen zu werden, kein Rechtsschutzinteresse (mehr), weil sich dieses Begehren mit dem Ende seiner Dienstzeit in der Sache erledigt hat. Ein Laufbahnwechsel gemäß § 40 SLV setzt ein aktives Wehrdienstverhältnis im Status eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit voraus. In einem solchen aktiven Wehrdienstverhältnis befindet sich der Antragsteller seit dem 1. November 2016 nicht mehr.

2. Als Fortsetzungsfeststellungsantrag ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zwar grundsätzlich statthaft, aber unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.

Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme oder Unterlassung einer solchen Maßnahme, die - wie hier begehrte Laufbahnzulassung - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO , ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO in der seit dem 1. Februar 2009 geltenden Fassung verlangt hierfür zwar nicht mehr die förmliche Stellung eines Feststellungsantrags; der Antragsteller muss aber - weiterhin - das erforderliche Feststellungsinteresse substanziiert geltend machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 WB 42.09 - Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 3 Rn. 19). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse an der Feststellung (unter anderem) aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 24).

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass es für ihn von Bedeutung sei, ob er bei künftigen Dienstleistungen gemäß § 59 Abs. 2 SG als Hauptbootsmann oder aber als Oberfähnrich zur See herangezogen werde, ergibt sich daraus kein berechtigtes Feststellungsinteresse. Denn der Antragsteller würde in jedem Falle, das heißt auch dann, wenn die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Laufbahnzulassung festgestellt würde, bei einer Dienstleistung gemäß § 59 Abs. 2 i.V.m. § 60 SG den Dienstgrad eines Hauptbootsmanns und nicht den eines Oberfähnrichs zur See führen. Die (unmittelbare) Zulassung als Reserveoffizieranwärter ist laufbahnrechtlich nur für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes vorgesehen (§ 43 Abs. 2 SLV ). Zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes - mit der vom Antragsteller ins Auge gefassten Änderung des Dienstgrads (§ 40 Abs. 3 Satz 1 SLV ) - erfolgt die Zulassung dagegen, wie dargelegt (oben 1.), ausschließlich innerhalb eines aktiven Wehrdienstverhältnisses im Wege des Laufbahnwechsels (Aufstieg); ein unmittelbarer Einstieg (als Anwärter) in eine Reserveoffizierlaufbahn des militärfachlichen Dienstes existiert nicht. Soweit frühere Soldaten Dienst leisten und dabei als "Offiziere der Reserve des militärfachlichen Dienstes" befördert werden (Abs. 3 Nr. 10 der Anlage zu § 3 SLV i.V.m. Nr. 322 ZDv A-1340/49), handelt es sich um frühere Berufssoldaten, die während ihrer aktiven Dienstzeit als Offizier des militärfachlichen Dienstes zugelassen und ausgebildet wurden und nunmehr gemäß § 59 Abs. 1 i.V.m. § 60 SG zu Dienstleistungen herangezogen werden.

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse würde auch dann nicht vorliegen, wenn der Antragsteller sich - was er bisher nicht getan hat - darauf berufen würde, eine Schadensersatzforderung wegen der unterbliebenen Laufbahnzulassung erheben zu wollen. Wird das Feststellungsinteresse auf die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder (hier:) Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für das nachfolgende Schadensersatzverfahren zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2011 - 1 WB 13.11 - Rn. 21 und vom 27. Mai 2014 - 1 WB 54.13 - juris Rn. 19, jeweils m.w.N.). Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage im Streitfall unmittelbar beim zuständigen Verwaltungs- oder Zivilgericht zu erheben, das - neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme überprüft. Diese letztere Konstellation ist hier gegeben. Die Erledigung des Rechtsstreits mit dem Ende der Dienstzeit des Antragstellers (Ablauf des 31. Oktober 2016) ist bereits vor Rechtshängigkeit des mit Schreiben vom 17. März 2017 gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten.