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BVerwG - Entscheidung vom 26.04.2018

5 C 4.17

Normen:
GG Art. 33 Abs. 5, Art. 103 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 2
VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 154 Abs. 2
VwGO § 191 Abs. 2
BRRG § 127 Nr. 2
BeamtStG § 63 Abs. 3 S. 2
PflegeVG Art. 69 Abs. 1 S. 1
SGB XI § 43
LBhVO BE § 4 Abs. 1 S. 1
LBhVO BE § 9 Abs. 1 S. 1
LBG BE § 76 Abs. 1 S. 3
LBhVO BE a.F. § 39 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 , S. 3 Buchst. a
GG Art. 33 Abs. 5
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 2
VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 154 Abs. 2
VwGO § 191 Abs. 2
BRRG § 127 Nr. 2
BeamtStG § 63 Abs. 3 S. 2
PflegeVG Art. 69 Abs. 1 S. 1
SGB XI § 43
LBhVO BE § 4 Abs. 1 S. 1
LBhVO BE § 9 Abs. 1 S. 1
LBG BE § 76 Abs. 1 S. 3
LBhVO BE a.F. § 39 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und S. 3 Buchst. a)
GG Art. 103 Abs. 1
LBhVO BE § 4 Abs. 1 S. 1
LBhVO BE § 9 Abs. 1 S. 1
LBhVO BE § 39
GG Art. 33 Abs. 5
GG Art. 103 Abs. 1
LBG BE § 76 Abs. 1 S. 3

Fundstellen:
DÖV 2018, 784
NVwZ-RR 2018, 698
ZBR 2018, 340

BVerwG, Urteil vom 26.04.2018 - Aktenzeichen 5 C 4.17

DRsp Nr. 2018/8518

Beihilfeanspruch eines Beamten zu pflegebedingten Aufwendungen für die vollstationäre Pflege der Ehefrau unmittelbar aus dem Fürsorgegrundsatz; Zumutbarkeit der Eigenvorsorge durch den Abschluss einer Pflegezusatzversicherung

Ein Beamter kann über die Beihilfevorschriften hinausgehende Beihilfe zu pflegebedingten Aufwendungen nicht unmittelbar aus dem Fürsorgegrundsatz beanspruchen, wenn er oder sein berücksichtigungsfähiger Ehegatte es unterlassen haben, zumutbare Eigenvorsorge durch den Abschluss einer Pflegezusatzversicherung zu betreiben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

LBhVO BE § 4 Abs. 1 S. 1; LBhVO BE § 9 Abs. 1 S. 1; LBhVO BE § 39; GG Art. 33 Abs. 5 ; GG Art. 103 Abs. 1 ; LBG BE § 76 Abs. 1 S. 3;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer (weiteren) Beihilfe zu den Aufwendungen für die vollstationäre Pflege der Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2015.

Der Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand als Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) im Dienst des beklagten Landes. Seine 1943 geborene Ehefrau ist in der sozialen Pflegeversicherung versichert, lebt seit Mai 2011 in einem zugelassenen Pflegeheim und war im streitbefangenen Zeitraum der Pflegestufe II zugeordnet. Für ihre vollstationäre Pflege stellte das Heim - aufgeschlüsselt nach den Kosten für Pflege, Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten - für die Monate Januar und März 2015 insgesamt jeweils 3 058,15 € und für den Monat Februar 2015 insgesamt 2 762,20 € in Rechnung. Hiervon entfielen auf die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und der medizinischen Behandlungspflege in den Monaten Januar und März 2015 jeweils 2 104,59 € und im Februar 2015 1 900,92 €, für die der Träger der sozialen Pflegeversicherung der Ehefrau den pauschalen Leistungsbetrag in Höhe von monatlich 1 330 € bewilligte.

Der Beklagte gewährte bis zum 31. Dezember 2014 für die von der Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten der Heimpflege Leistungen nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Form der Hilfe zur Pflege im vollstationären Bereich, die er für die nachfolgende Zeit unter Hinweis auf vorrangig geltend zu machende beamtenrechtliche Beihilfeansprüche einstellte. Auf die daraufhin seitens des Klägers gestellten Beihilfeanträge bewilligte der Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens im Vorgriff auf eine Neuregelung des § 39 Abs. 3 und des § 47 Abs. 6 LBhVO BE für die Monate Januar und März 2015 Beihilfe in Höhe von jeweils 435,79 € und für Februar 2015 in Höhe von 136,84 €. Die darüber hinausgehenden Widersprüche wies er zurück.

Auf die mit dem Ziel weitergehender Beihilfegewährung erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von jeweils 438,04 € für die Monate Januar und März 2015 und in Höhe von 441,04 € für den Monat Februar 2015 zu bewilligen.

Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg gehabt. Der Kläger habe für den streitigen Zeitraum weder einen Anspruch auf Beihilfe gemäß § 39 Abs. 1 oder Abs. 3 LBhVO BE noch unmittelbar aus der Fürsorgepflicht, weil diese nicht in ihrem Wesenskern verletzt sei. Der Ehefrau des Klägers sei es möglich und zumutbar gewesen, Eigenvorsorge für die seit dem Eintritt ihrer Pflegebedürftigkeit anfallenden ungedeckten Pflegekosten durch Abschluss einer Pflegezusatzversicherung zu treffen. Sie habe sich als berücksichtigungsfähige Angehörige eines Beamten bzw. Versorgungsempfängers nicht darauf verlassen dürfen, bei vollstationärer Pflege auch nach dem 1. Juli 1996 Beihilfe für Kosten zu erhalten, die über die pauschalen Leistungsbeträge des Elften Buches Sozialgesetzbuch hinausgingen. Aufgrund der vorliegenden Auskünfte des Bundesministeriums der Gesundheit vom 20. Juli 2016 und des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen vom 26. Juli 2016 sei davon auszugehen, dass Personen, die wie die Ehefrau des Klägers mit 52 Jahren zu diesem Zeitpunkt das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, im Regelfall zumutbar eine Pflegezusatzversicherung hätten abschließen können. Andere Gründe, weshalb ihr dies nicht möglich gewesen sein sollte, seien weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Das gefundene Ergebnis unterliege auch nicht im Hinblick darauf verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Kläger und seine Ehefrau wegen der ungedeckten Pflegekosten Leistungen der Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen müssten.

Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers. Das Urteil beruhe auf einer Verletzung der bundesrechtlichen Fürsorge- und Alimentationspflicht aus Art. 33 Abs. 5 GG und § 54 BeamtStG , weil eine Eigenvorsorge nicht zumutbar gewesen sei. Das Oberverwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil er mit der getroffenen Entscheidung nach dem bisherigen Gang des Verfahrens nicht habe rechnen müssen. Ferner habe das Berufungsgericht seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es die tatsächlichen Möglichkeiten der Eigenvorsorge nicht aufgeklärt habe.

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

II

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil steht sowohl mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ) als auch mit revisiblem Landesrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO , § 127 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG ; vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 8) in Einklang. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch über die von dem Beklagten für die vollstationäre Pflege seiner Ehefrau in einem Pflegeheim in den Monaten Januar bis März 2015 bereits erbrachte Beihilfe hinaus hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 39 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburtsund sonstigen Fällen ( Landesbeihilfeverordnung Berlin - LBhVO BE) vom 8. September 2009 (GVBl. S. 436) in der - hier maßgeblichen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2012 - 5 C 4.12 - Buchholz 270.1 § 22 BBhV Nr. 1 Rn. 12) - Fassung von Art. 3 des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 9. Juli 2014 (GVBl. S. 285) (1.) noch unmittelbar aus dem durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgegrundsatz (2.).

1. Der Kläger hat - wovon auch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend ausgegangen sind - keinen Anspruch auf weitere Beihilfe für die vollstationäre Pflege seiner Ehefrau aus § 39 LBhVO BE. Hinsichtlich der Aufwendungen für Pflegeleistungen folgt dies aus § 9 Abs. 1 Satz 1 LBhVO BE, wonach die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 1 330 € von den insoweit beihilfefähigen Aufwendungen in gleicher Höhe abzuziehen sind. Beihilfe zu den Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich Investitionskosten kann er nicht beanspruchen, weil diese Aufwendungen den nach § 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a LBhVO BE maßgeblichen Eigenanteil von 40 Prozent der Einnahmen im Sinne des § 39 Abs. 3 Satz 3 LBhVO BE nicht übersteigen. Dabei kann offenbleiben, ob insoweit auch die Rente des Klägers als Einnahme in Ansatz zu bringen ist, weil dies am Ergebnis nichts ändert.

2. Ein Anspruch des Klägers auf eine weitere Beihilfe ergibt sich auch nicht unmittelbar aus dem durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgegrundsatz.

Die Fürsorgepflicht ergänzt die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Sie fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten bzw. Versorgungsempfängers und seiner Familie auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt oder Tod sicherstellt. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Für die genannten besonderen Belastungssituationen wird die Fürsorgepflicht grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 24 f. m.w.N.). Im Ausnahmefall kann sich unmittelbar aus dem verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgegrundsatz ein Beihilfeanspruch ergeben. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn anderenfalls dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ist wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn unter anderem verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation oder eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 - 5 C 9.14 - BVerwGE 151, 386 Rn. 36 m.w.N.). Für Aufwendungen im Fall der Pflegebedürftigkeit gilt nichts anderes (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2012 - 2 C 24.10 - Buchholz 238.927 § 12 BVO NRW Nr. 1 Rn. 16 und 19). Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch auf weitere Beihilfe.

Es kann dahinstehen, in welcher Höhe der Kläger mit nicht gedeckten Aufwendungen für die Pflege seiner Ehefrau belastet ist und inwieweit er diese aus seiner Regelalimentation hätte aufbringen können. Denn der Wesenskern der Fürsorgepflicht ist hier schon deshalb nicht verletzt, weil der Kläger aus seiner Alimentation zumutbar Eigenvorsorge treffen konnte (a) und jedenfalls deshalb eine weitere Beihilfe auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer etwa drohenden Sozialhilfebedürftigkeit beansprucht werden kann (b).

a) Das Oberverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass für Beamte seit dem 1. Juli 1996 eine Obliegenheit bestand, für den Fall der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der zumutbaren Eigenvorsorge eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen (aa). Diese Obliegenheit erstreckt sich auch auf die Absicherung der gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 des Landesbeamtengesetzes Berlin ( LBG BE) und § 4 Abs. 1 Satz 1 LBhVO BE berücksichtigungsfähigen Ehegatten (bb). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht gebunden ist, war es der Ehefrau des Klägers möglich und zumutbar, aus der Alimentation des Klägers für den Fall der Pflegebedürftigkeit durch Abschluss einer Pflegezusatzversicherung vorzusorgen (cc).

aa) Das Oberverwaltungsgericht nimmt zutreffend an, dass für Beamte seit dem 1. Juli 1996 eine Obliegenheit bestand, für den Fall der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der zumutbaren Eigenvorsorge eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen. Mit der Durchführung der zweiten Stufe des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit ( Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG ) vom 26. Mai 1994 (BGBI. I S. 1014), mit der gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 PflegeVG die Regelung in § 43 SGB XI über die vollstationäre Pflege zum 1. Juli 1996 in Kraft gesetzt wurde, durfte der Beamte - auch vor dem Hintergrund der seit Mitte der 70er Jahre geführten öffentlichen Diskussion über die Lösung der Pflegeproblematik - nicht mehr darauf vertrauen, dass der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht wie bisher Beihilfen zu Pflegeaufwendungen bei vollstationärer Pflege leisten würde, die über die pauschalen Leistungsbeträge des Elften Buches Sozialgesetzbuch hinausgehen. Das gilt auch für das Land Berlin, das in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 4. Juli 1996 (ABI. S. 3443) mit Wirkung vom 1. Juli 1996 erstmals für die Beihilfefähigkeit pflegebedingter Aufwendungen auf das Elfte Buch Sozialgesetzbuch verwies. Beihilfe zu Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung einschließlich Investitionskosten wurde danach nur noch gewährt, wenn die Aufwendungen einen bestimmten Anteil des Einkommens überstiegen. Will der Beamte nicht das Risiko tragen, im Fall der Pflegebedürftigkeit mit Kosten belastet zu werden, die aus der laufenden Alimentation und ergänzenden Beihilfe nicht bestritten werden können, gebietet es der Gedanke ausreichender Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, Eigenvorsorge in Form einer Pflegezusatzversicherung zu betreiben.

bb) Die Obliegenheit, für den Fall der Pflegebedürftigkeit zur Eigenvorsorge eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen, bezieht sich nicht auf die Person des Beihilfeberechtigten, sondern auf den Beihilfeanspruch und erstreckt sich deshalb auch auf die Absicherung der berücksichtigungsfähigen Ehegatten der beihilfeberechtigten Beamten. Das folgt aus dem Zweck der durch die Beihilfevorschriften konkretisierten Fürsorgepflicht. Bereits die Alimentationspflicht des Dienstherrn ist auf Besoldung und Versorgung des Beamten und seiner Familie gerichtet (BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <344 ff.>). Nichts anderes gilt für die Fürsorgepflicht, die die Alimentationspflicht in Fällen erheblicher wirtschaftlicher Belastungen durch Krankheit, aber auch durch Pflegebedürftigkeit ergänzt und in solchen Belastungssituationen nicht nur den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten, sondern auch seiner Familienangehörigen sichern soll (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1976 - 6 C 187.73 - BVerwGE 51, 193 <198 f.>). Diesem Schutzzweck entspricht es, die Obliegenheit der Eigenvorsorge auch auf dessen Familienangehörige zu erstrecken und die Gewährung von über die in den Beihilfevorschriften geregelten Ansprüchen hinausgehender Beihilfe unmittelbar aus dem Fürsorgegrundsatz für Aufwendungen, die für berücksichtigungsfähige Angehörige entstanden sind, ebenfalls davon abhängig zu machen, ob diese die insoweit zumutbare Eigenvorsorge getroffen haben.

Aus dem Zweck der Regelalimentation, den amtsangemessenen Lebensunterhalts nicht nur des Beamten, sondern auch seiner Familienangehörigen zu sichern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <344 ff.>; BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1976 - 6 C 187.73 - BVerwGE 51, 193 <198 f.>), ergibt sich im Übrigen, dass diese Eigenvorsorge nur dann finanziell zumutbar ist, wenn die dem Beamten gewährte Regelalimentation betragsmäßig so bemessen ist, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten u n d seiner Familie auch nach Abzug der Kosten für die Eigenvorsorge (Versicherungsprämien) gewahrt bleibt (BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2012 - 2 C 24.10 - Buchholz 238.927 § 12 BVO NRW Nr. 1 Rn. 17).

cc) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war es der Ehefrau des Klägers möglich und zumutbar, ab dem 1. Juli 1996 für den Fall ihrer Pflegebedürftigkeit durch Abschluss einer Pflegezusatzversicherung vorzusorgen (aaa). An diese tatrichterlichen Feststellungen ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (bbb).

aaa) Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts konnten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der zweiten Stufe des Pflege-Versicherungsgesetzes am 1. Juli 1996 und danach Personen, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, im Regelfall zumutbar eine Pflegezusatzversicherung abschließen. Das Oberverwaltungsgericht hat außerdem festgestellt, dass die Ehefrau des Klägers eine private Pflegezusatzversicherung hätte abschließen können. Damit ist gleichzeitig festgestellt, dass die Ehefrau zu dem zuvor angesprochenen Regelfall gehörte, bei dem der Abschluss einer solchen Versicherung nicht nur möglich, sondern auch zumutbar war. Dabei handelt es sich auch um eine Tatsachenfeststellung. Aus der auf den Einzelfall bezogenen Erwägung, dass "andere Gründe, weshalb ihr dies nicht möglich gewesen sein sollte (...), weder geltend gemacht worden noch ersichtlich" sind, folgt, dass das Oberverwaltungsgericht dabei nicht nur von der abstrakten Möglichkeit einer Versicherbarkeit ausgegangen ist, sondern seine Feststellung im Hinblick darauf getroffen hat, ob es der Ehefrau des Klägers konkret möglich war, eine solche Versicherung unter zumutbaren Bedingungen abzuschließen. Diese Feststellungen zur Zumutbarkeit beziehen sich auch auf die Frage, ob die Kosten einer solchen Pflegezusatzversicherung für die Ehefrau des Klägers gemessen an dessen Regelalimentation zumutbar waren. Dies wird zwar im Urteil nicht ausdrücklich thematisiert, ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit aus der ausdrücklichen Bezugnahme im ersten Absatz auf Seite 13 des Berufungsurteils auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2012 - 2 C 24.10 - (Buchholz 238.972 § 12 BVO NRW Nr. 1). Dort wird dargelegt, dass die für die Eigenvorsorge entstehenden Kosten nicht dazu führen dürfen, dass der aus der Regelalimentation zu gewährleistende amtsangemessene Lebensunterhalt gefährdet wird.

bbb) Die im Hinblick auf diese tatsächlichen Feststellungen erhobenen Rügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs (1) und der Pflicht zur umfassenden Ermittlung des Sachverhalts (2) haben keinen Erfolg.

(1) Die Rüge, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ) verletzt, weil es seine Entscheidung ohne konkrete Erörterung auf die Zumutbarkeit der Eigenvorsorge gestützt und dem Kläger die diesbezüglich eingeholten Auskünfte ohne einen entsprechenden Hinweis lediglich zur Kenntnis gegeben habe, ist nicht begründet.

Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Beteiligten müssen demgemäß auch Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsfragen sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend erklären zu können (BVerwG, Beschluss vom 30. März 2016 - 5 B 11.16 - juris Rn. 20). Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet indessen grundsätzlich keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten seine Auffassung jeweils vor dem Ergehen einer Entscheidung zu offenbaren. Ein Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen und offenlegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verbietet aber, dass ein Beteiligter durch die angegriffene Entscheidung im Rechtssinne überrascht wird. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte. Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juni 2012 - 5 B 53.11 - juris Rn. 6 und vom 5. Juni 2014 - 5 B 75.13 - juris Rn. 12, jeweils m.w.N.).

Gemessen daran ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht festzustellen. Bereits das erstinstanzliche Urteil hat den Gesichtspunkt der zumutbaren Eigenvorsorge angesprochen und das Oberverwaltungsgericht war nicht gehalten darauf hinzuweisen, dass es diese Frage anders als das Verwaltungsgericht beantworten könnte.

(2) Eine Verletzung der Pflicht des Oberverwaltungsgerichts zur umfassenden Ermittlung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO ) hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

Die Aufklärungsrüge setzt die substantiierte Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 1.16 D - juris Rn. 9 m.w.N.).

Danach hat der Kläger eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nicht ausreichend bezeichnet. Er benennt nur die aus seiner Sicht noch zu klärenden Tatsachen, ohne zugleich anzugeben, mit welchen konkreten Aufklärungsmaßnahmen sie hätten ermittelt werden können und was sich dabei ergeben hätte.

b) Schließlich kann der Kläger unmittelbar aus dem Fürsorgegrundsatz weitere Beihilfe auch nicht mit Blick auf eine etwa drohende Sozialhilfebedürftigkeit beanspruchen. Der Fürsorgegrundsatz verlangt jedenfalls dann nicht, den Beamten und seine Angehörigen vor der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bewahren, wenn diese - wie hier - zumutbare Eigenvorsorge unterlassen haben (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1988 - 2 C 62.86 - BVerwGE 80, 328 <333 f.>).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .

Verkündet am 26. April 2018

Vorinstanz: VG Berlin, vom 15.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 28 K 175.15
Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 26.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 B 6.16
Fundstellen
DÖV 2018, 784
NVwZ-RR 2018, 698
ZBR 2018, 340