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BVerwG - Entscheidung vom 16.08.2018

9 VR 2.18

Normen:
VwGO § 153 Abs. 1
ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 2

BVerwG, Beschluss vom 16.08.2018 - Aktenzeichen 9 VR 2.18

DRsp Nr. 2018/14931

Ausschluss des Richters im Fall der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit

1. Der Ausschluss eines Richters im Fall der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit tritt erst durch die Entscheidung des Gerichts ein. Voraussetzung einer Entscheidung des Gerichts über ein Befangenheitsgesuch ist das Vorliegen eines solchen Gesuchs. Erst mit Stellung eines Ablehnungsantrags trifft den Richter die Pflicht, Amtshandlungen, die nicht unaufschiebbar sind, zu unterlassen. Dementsprechend bleiben Amtshandlungen eines Richters, die vor Stellung des Ablehnungsantrags vorgenommen wurden, wirksam und sind nicht fehlerbehaftet.2. Nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO muss der Beteiligte veränderte oder im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vortragen, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen können. Hierzu gehören in erster Linie Änderungen der Sach- oder Rechtslage oder nachträglich bekannt gewordene Umstände.

Tenor

Der Antrag, den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 18. Mai 2005 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 20. März 2018 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 153 Abs. 1 ; ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 2 ;

Gründe

1. Der auf § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestützte Abänderungsantrag ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt. Die für den Rechtsschutzantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in § 5 Abs. 2 Satz 3 und 4 VerkPBG und § 17e Abs. 4 Satz 1 und 2 FStrG normierte Frist von einem Monat, ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerte von Tatsachen, die erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses eingetreten sind, Kenntnis erlangt, ist auf einen Abänderungsantrag entsprechend anzuwenden (vgl. zur parallelen Norm im Eisenbahnrecht BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 - 11 VR 8.98 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 26; ebenso Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO , Stand Oktober 2016, § 80 Rn. 579). Die Antragstellerin stützt ihren am 9. August 2018 gestellten Abänderungsantrag darauf, dass sie am 9. Juli 2018 von Umständen Kenntnis erhalten hat, die nach ihrer Auffassung die Besorgnis der Befangenheit von Frau Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. B. begründen.

2. Der Antrag hat keinen Erfolg. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO muss der Beteiligte veränderte oder im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vortragen, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen können. Hierzu gehören in erster Linie Änderungen der Sach- oder Rechtslage oder nachträglich bekannt gewordene Umstände.

a) Es kann offen bleiben, ob - wie die Antragstellerin meint - bereits die Erkenntnis der rechtlichen Fehlerhaftigkeit der Entscheidung, deren Abänderung begehrt wird, einen veränderten Umstand darstellt (so Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO , Stand Oktober 2016, § 80 Rn. 585). Denn die nach dem Ergehen des Beschlusses vom 5. Juli 2018 bekannt gewordenen Umstände, auf die das Befangenheitsgesuch gestützt wird, können nicht zur Fehlerhaftigkeit dieses Beschlusses führen. Anders als im Fall des Ausschlusses eines Richters von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes tritt der Ausschluss des Richters im Fall der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit erst durch die Entscheidung des Gerichts ein, wie sich aus § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO ergibt (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80 - NJW 1981, 1273 <1274> und vom 15. September 2016 - III ZR 461/15 - MDR 2016, 1403 Rn. 16). Voraussetzung einer Entscheidung des Gerichts über ein Befangenheitsgesuch ist das Vorliegen eines solchen Gesuchs. Erst mit Stellung eines Ablehnungsantrags trifft den Richter die Pflicht, Amtshandlungen, die nicht unaufschiebbar sind, zu unterlassen. Dementsprechend bleiben Amtshandlungen eines Richters, die vor Stellung des Ablehnungsantrags vorgenommen wurden, wirksam (BGH, Urteil vom 15. September 2016 - III ZR 461/15 - MDR 2016, 1403 Rn. 16) und sind nicht fehlerbehaftet.

b) Auch aus dem weiteren Vortrag der Antragstellerin ergeben sich keine veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstände.

Die Rüge einer unterbliebenen Auslegung der Neuberechnung der NOx-Emissionen konnte nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO sein, weil diese Rüge erst mit dem Schriftsatz vom 4. Juli 2018 und damit außerhalb der am 22. Mai 2018 abgelaufenen Begründungsfrist für den Aussetzungsantrag gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG bzw. § 17e Abs. 2 Satz 2 FStrG erhoben worden ist.

Der erneute Hinweis der Antragstellerin auf das Fehlen eines Erörterungstermins hinsichtlich des im Planergänzungsverfahren erstellten wasserrechtlichen Fachbeitrags wiederholt lediglich das Vorbringen aus dem ursprünglichen Aussetzungsverfahren (dazu Beschluss vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - Rn. 11 ff.).

Für den Fall, dass die Behörde sich für eine Erörterung entscheidet, regelt § 73 Abs. 6 VwVfG die dabei einzuhaltende Verfahrensweise. Die Norm besagt aber nicht, dass die Erörterung einer Planunterlage allein deshalb stattfinden muss, weil diese Unterlage - hier der wasserrechtliche Fachbeitrag - einem am Planergänzungsverfahren Beteiligten vorab zur Kenntnis übermittelt wird und dieser eine Stellungnahme dazu abgibt.

Soweit die Antragstellerin sich gegen das Ergebnis der Folgenabwägung im Beschluss vom 5. Juli 2018 (dort Rn. 14 ff.) wendet, kann sie ebenfalls keine veränderten Umstände geltend machen. Die lange Dauer des Planergänzungsverfahrens mindert nicht das Gewicht des jetzigen Vollzugsinteresses. Die jetzt abzuwägenden Nachteile (Zeitverlust und unvermeidliche Baukostensteigerungen) bestehen unabhängig von der langen Dauer dieses Verwaltungsverfahrens. Das öffentliche Interesse besteht nunmehr gerade darin, eine weitere Verzögerung zu vermeiden. Die Annahme, der Antragsgegner könne verzögerungsbedingte Baukostensteigerungen durch zweckmäßige Vertragsgestaltung vermeiden, bleibt spekulativ. Einzelne Veränderungen des im vorangegangenen Aussetzungsverfahren mitgeteilten Bauablaufplans - wie im Schriftsatz vom 14. August 2018 geltend gemacht - rechtfertigen keine andere Interessenabwägung. Das vorgelegte Schreiben der ... GmbH vom 8. August 2018 bezieht sich im Übrigen lediglich auf die Flurstücke 55/2 und 28/2 und nicht auf die Grundstücke, die für die Umsiedlung der Zauneidechsen entbuscht werden sollen. Es lässt deshalb auch hinsichtlich dieser Maßnahme keinen Rückschluss auf eine veränderte Zeitplanung zu.

Den Bedenken der Antragstellerin wegen eventuell nutzlos aufgewendeter öffentlicher Mittel im Falle einer späteren Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Planung ist Rechnung getragen worden durch den vom Antragsgegner vorgelegten Bauablaufplan, der bis zu der beabsichtigten Hauptsacheentscheidung des Senats einen lediglich beschränkten Katalog von Maßnahmen vorsieht, sowie durch den in den Tenor des Beschlusses vom 5. Juli 2018 aufgenommenen Vorbehalt einer erneuten Folgenabwägung bei Änderungen des geplanten Bauablaufs.

Die Pfahlprobebelastung, die unzweifelhaft einen intensiven Eingriff in das Grundstück der Klägerin darstellt, ist für die Durchführung des Vorhabens unverzichtbar. Wenn nunmehr geltend gemacht wird, bereits durch die beiden Probepfähle werde der Grundwasserleiter angeschnitten, handelt es sich auch insoweit um keine veränderten Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO . In der Erwiderung des Antragsgegners im ursprünglichen Aussetzungsverfahren wird Bezug genommen auf eine Stellungnahme, in der es heißt, bei der Anlage der Fundamente für die Brückenpfeiler im Bereich der Saaleaue würden zwar zeitlich begrenzt die Deckschichten über dem Grundwasserleiter entfernt; nach Abschluss der Bauarbeiten werde die Abdeckung des Grundwasserleiters jedoch wiederhergestellt. Erhebliche Störungen des Grundwasserregimes könnten dadurch ausgeschlossen werden (S. 3 der Anlage 7 zum Schriftsatz vom 20. Juni 2018 im Verfahren 9 VR 1.18). Diese Annahmen für die Brückenpfeiler gelten erst recht für die Probepfähle.

Der Befürchtung eines Grundwasserstaus im Bereich der Brückenpfeiler insbesondere in Hanglagen (Böschungen) wird nach den Ausführungen im wasserrechtlichen Fachbeitrag (S. 225) durch Anlegen von Entwässerungsgräben in diesen Bereichen entgegengewirkt. Soweit die Antragstellerin diese Befürchtung nunmehr speziell auf die im Erdboden verbleibenden Probepfähle beziehen will, handelt es sich um rein spekulatives Vorbringen. Die Anlage von Entwässerungsgräben spätestens bei Plandurchführung wirkt auch insoweit.

Auch hinsichtlich der Beeinträchtigung ihres Flurstücks 55/2 durch Untersuchungen zum Altbergbau (dazu Beschluss vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - Rn. 23) vermag die Antragstellerin keine veränderten Umstände geltend zu machen. Dass die ab Juli 2018 vorgesehenen Maßnahmen "Erstellung Baugrundaufschlüsse und Gutachten im Bereich Altbergbaugebiet", die "Vorbereitung und Vergabe Ingenieurvertrag" und die "Erstellung Ausführungsplanung" zum Altbergbau mit erheblichen in die Folgenabwägung einzustellenden Beeinträchtigungen für die Antragstellerin einhergehen, ist weiterhin nicht ersichtlich. Dass diese Maßnahmen Grundwasserleiter zerstören könnten, wurde von der Antragsgegnerin innerhalb der Begründungsfrist für den Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist maßgeblich der vom Antragsgegner vorgelegte Bauablaufplan, auf den der Tenor des Senatsbeschlusses Bezug nimmt und nicht die Unterlage der D. (Anlage AG 9 im Verfahren 9 VR 1.18), in der die Antragstellerin nunmehr eine Diskrepanz zum Bauablaufplan zu finden glaubt.

Schließlich vermag die Antragstellerin hinsichtlich der von ihr angesprochenen CEF-Maßnahmen (dazu Beschluss vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - Rn. 22) weiterhin keine gewichtigen Nachteile zu ihren Lasten vorzutragen, die in der Folgenabwägung zu berücksichtigen wären.

Der Senat nimmt das nunmehrige Vorbringen der Antragstellerin auch nicht zum Anlass, gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO seinen Beschluss vom 5. Juli 2018 von Amts wegen zu ändern.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 , § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG .