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BVerwG - Entscheidung vom 03.05.2018

6 B 48.18

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
SächsFrTrSchulG § 13 Abs. 3 S. 2

BVerwG, Beschluss vom 03.05.2018 - Aktenzeichen 6 B 48.18

DRsp Nr. 2018/6935

Auslösung der dreijährigen Wartefrist für die Gewährung staatlicher Finanzhilfe durch den Betrieb einer Mittelschule ausschließlich mit den Klassenstufen 5 und 6; Zuschussfähigkeit einer Ersatzschule

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. September 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 48 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3 ; SächsFrTrSchulG § 13 Abs. 3 S. 2;

Gründe

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde bereits unzulässig ist, weil die Klägerin keine Wiedereinsetzung in die versäumte gesetzliche Frist für die Begründung der Beschwerde verlangen kann. Die Wiedereinsetzung wäre ausgeschlossen, wenn den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein Verschulden an der Fristversäumnis träfe (§ 133 Abs. 3 Satz 1 und 2 , § 60 Abs. 1 VwGO , § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO ). Dies wäre der Fall, wenn er sich durch eine Nachfrage bei dem mit dem Postversand beauftragten privaten Zustelldienst hätte vergewissern müssen, dass dieser den Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung nach dessen Übergabe unverzüglich beim Oberverwaltungsgericht abgeliefert hat.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin kann jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil sich aus ihrer Beschwerdebegründung nicht ergibt, dass ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO vorliegt. Aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO kann die Revision nur aus Gesichtspunkten zugelassen werden, die der Beschwerdeführer geltend macht.

Die Klägerin ist ein privater Schulträger, der eine genehmigte Mittelschule als Ersatzschule betreibt. Im Jahr 2009 erteilte ihr der Beklagte die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer weiteren vollständigen Mittelschule ab Klassenstufe 5 an dem Schulstandort O. Die Erteilung einer Genehmigung für den Betrieb einer Außenstelle der ersten Mittelschule mit den Klassenstufen 5 und 6 lehnte der Beklagte ab. Ihr darauf gerichtetes Klagebegehren hat die Klägerin in der Berufungsinstanz für erledigt erklärt. Sie betrieb in O. in dem Schuljahr 2009/2010 zunächst die Klassenstufe 5, in den Folgejahren die Klassenstufen 5 und 6 einer Mittelschule. Die Klassenstufen 7 bis 10 richtete sie nicht ein. Ihre Klage, den Beklagten für die Schuljahre 2012/13 bis 2016/17 zur Zahlung staatlicher Finanzhilfe für die weitere Mittelschule in O. zu verpflichten, ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil heißt es: Der Klägerin stünden keine Ansprüche auf Bewilligung staatlicher Zuschüsse für den Schulbetrieb in O. zu, weil sie seit 2009 nicht die Absicht gehabt habe, entsprechend der ihr erteilten Genehmigung eine vollständige Mittelschule mit den Klassenstufen 5 bis 10 zu betreiben. Der Betrieb der Klassenstufen 5 und 6 habe den Lauf der dreijährigen Wartefrist für die Gewährung staatlicher Finanzhilfe nicht ausgelöst.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, das Berufungsurteil beruhe auf der Verletzung von Verfahrensrecht, weil das Oberverwaltungsgericht eine entscheidende Rechtsfrage übersehen habe. Seit dem Schuljahr 2015/16 könnten Schulträger von Ersatzschulen für die Zeit der dreijährigen Wartefrist Zuschüsse von 80 % des vollen Zuschusses verlangen, die zur Hälfte während dieses Zeitraums zu bewilligen und auszuzahlen seien. Über diese Ansprüche habe das Oberverwaltungsgericht in dem Berufungsurteil nicht entschieden, obwohl sie von dem Klageantrag umfasst gewesen seien.

Dieser Vortrag ist bereits nicht geeignet, um die Zulassung der Revision wegen eines dem Berufungsurteil anhaftenden Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu erreichen. Dieser gesetzliche Begriff erfasst Verstöße des Gerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze, die den äußeren Ablauf des gerichtlichen Verfahrens betreffen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 27. Juni 1994 - 6 B 17.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 3 und vom 18. Juni 2007 - 2 B 36.07 - juris Rn. 5 f.). Die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe einen zur Entscheidung gestellten prozessualen Anspruch übersehen, d.h. darüber in dem Berufungsurteil versehentlich nicht entschieden, betrifft nicht das prozessuale Verfahren, sondern die gerichtliche Rechtsfindung. Die Klägerin hält dem Oberverwaltungsgericht vor, seine Berufungsentscheidung sei lückenhaft, weil es prozessuale Ansprüche nicht vollständig erfasst habe.

Darauf kann ein Rechtsmittel gegen das ergangene Urteil nicht gestützt werden. Dies folgt aus § 120 Abs. 1 VwGO , der Kläger darauf verweist, die versehentlich unvollständige Bescheidung des Klagebegehrens durch einen Antrag geltend zu machen, das lückenhafte Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung über den übergangenen prozessualen Anspruch zu ergänzen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10. November 1988 - 3 C 19.87 - BVerwGE 81, 12 [amp]lt;14[amp]#62;; Beschlüsse vom 14. April 1999 - 2 BN 1.98 - juris Rn. 5 und vom 9. Dezember 2010 - 4 B 49.10 - juris Rn. 6). Hat das Gericht einen prozessualen Anspruch übergangen, der Kläger aber innerhalb der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO keinen Antrag auf Urteilsergänzung gestellt, entfällt mit Fristablauf die Rechtshängigkeit des versehentlich nicht entschiedenen Anspruchs (BVerwG, Urteil vom 10. November 1988 - 3 C 19.87 - a.a.O.).

Unabhängig davon lassen die Gründe des Berufungsurteils hinreichend deutlich erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht die geltend gemachten Ansprüche auf Bewilligung von verminderten Zuschüssen für die Zeit der Wartefrist nicht übergangen, vielmehr Bewilligungsansprüche für den Schulbetrieb in O. umfassend abgelehnt hat. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Streitgegenstand der Klage lassen den Schluss zu, dass das Gericht bei der Urteilsfindung alle in Betracht kommenden Bewilligungsansprüche für die Schuljahre 2009/10 bis 2016/17 in den Blick genommen hat (UA Rn. 15). Darauf deutet auch die Bemerkung hin, dass einer Ersatzschule staatliche Zuschüsse erst nach Ablauf einer Wartefrist und zuvor in geringerem Umfang gewährt werden (UA Rn. 23). Schließlich hat das Gericht ausgeführt, der Betrieb einer Mittelschule ausschließlich mit den Klassenstufen 5 und 6 in O. habe die dreijährige Wartefrist nicht ausgelöst (UA Rn. 28). Der Beginn des Laufs der Wartefrist ist aber nach § 13 Abs. 3 Satz 2 des Sächsischen Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft vom 8. Juli 2015 - SächsFrTrSchulG - (SächsGVBl. S. 434) Voraussetzung für die Gewährung eines verminderten Zuschusses. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser gesetzlichen Regelung wird der verminderte Zuschuss gerade für die Zeit der Wartefrist gewährt.

Mit der Erkenntnis, der Schulbetrieb in O. seit dem Schuljahr 2009/10 habe die gesetzliche Wartefrist nicht ausgelöst, hat das Oberverwaltungsgericht ersichtlich an seine Würdigung des festgestellten Sachverhalts angeknüpft, die Klägerin habe von Anfang an nicht die Absicht gehabt, entsprechend der vom Beklagten erteilten Genehmigung in O. eine vollständige Mittelschule mit den hierfür notwendigen Klassenstufen 5 bis 10 zu betreiben (UA Rn. 27). Nach diesen tatsächlichen Feststellungen, die den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO binden, war der Schulbetrieb der Klägerin in O. seit seiner Aufnahme im Schuljahr 2009/10 durchgängig nicht von der erforderlichen Genehmigung gedeckt (§ 4 Abs. 1 und 2 SächsFrTrSchulG). Die Klägerin ist zwar seit 2009 im Besitz einer Genehmigung für den Betrieb einer vollständigen Mittelschule mit den Klassenstufen 5 bis 10 in O. Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sie von dieser Genehmigung jedoch in der Folgezeit keinen Gebrauch gemacht. Ihren Antrag, die seit 2009 ausschließlich betriebenen Klassenstufen 5 und 6 als Außenstelle einer Mittelschule zu genehmigen, hatte der Beklagte vor Beginn des Schulbetriebs in O. abgelehnt.

Aufgrund des Fehlens der erforderlichen Genehmigung ist dieser Betrieb nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 SächsFrTrSchulG nicht zuschussfähig. Nach dieser Regelung erhalten Schulträger staatliche Finanzhilfe in Form von Zuschüssen für ihre als Ersatzschulen genehmigten und betriebenen Schulen. Ein ohne Genehmigung aufgenommener Schulbetrieb löst auch keine Wartezeit aus (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 3 SächsFrTrSchulG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 39 Abs. 1 , § 52 Abs. 1 GKG . Der Senat bemisst den Wert der mit der Beschwerde verfolgten Ansprüche der Klägerin auf 40 % der vollen Zuschüsse von jeweils ca. 60 000 € für die Schuljahre 2015/16 und 2016/17 (vgl. zur Zuschusshöhe Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. Oktober 2015).

Vorinstanz: OVG Sachsen, vom 05.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 3/16