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BVerwG - Entscheidung vom 30.01.2018

1 WB 42.17

Normen:
WBO § 23a Abs. 2 S. 1
VwGO § 54
ZPO § 45 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 30.01.2018 - Aktenzeichen 1 WB 42.17 - Aktenzeichen 1 WB 43.17 - Aktenzeichen 1 WDS-VR 13.17

DRsp Nr. 2018/5765

Antrag auf Ablehnung von Richter vor den Wehrdienstgerichten wegen Besorgnis der Befangenheit

Tenor

Die gegen die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht a.D. A., den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht B., die Richterin am Bundesverwaltungsgericht C. und den Richter am Bundesverwaltungsgericht D. gerichteten Ablehnungsgesuche des Antragstellers vom 15. Januar 2018 werden zurückgewiesen.

Normenkette:

WBO § 23a Abs. 2 S. 1; VwGO § 54 ; ZPO § 45 Abs. 1 ;

Gründe

I

Mit Schreiben vom 15. Januar 2018 hat der Antragsteller die in der Beschlussformel bezeichneten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dies hat er mit der Mitwirkung jeweils mehrerer der abgelehnten Richter an vorangegangenen Beschwerdeverfahren und einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Im Verfahren BVerwG 1 WB 4.16 habe er zwei getrennte Beschwerden erhoben. Durch die Entscheidung darüber in nur einem Verfahren sei zu seinem Nachteil eine Entscheidung über seine zweite Beschwerde verhindert worden. In dem Verfahren BVerwG 1 WB 5.17 sei - wie er in seiner dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerde ausgeführt habe - nicht über den wahren Gegenstand seiner Klage entschieden worden. Die Auslegung seiner Anträge in BVerwG 1 WDS-VR 10.17 sei zu seinen Ungunsten und ohne Rücksprache mit ihm fehlerhaft erfolgt, sodass gar nicht über seine gestellten Anträge entschieden worden sei. Die Aufteilung seiner Anträge auf drei Verfahren sei wegen eines gemeinsamen übergeordneten Zieles nicht sachgerecht gewesen.

Zu dem Ablehnungsgesuch sind dienstliche Stellungnahmen der abgelehnten Richter eingeholt worden, ausgenommen der bereits in den Ruhestand getretene Richterin. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Der Antragsteller hat vorgetragen, die dienstlichen Stellungnahmen bestätigten die Besorgnis der Befangenheit bzw. räumten diese nicht aus.

II

1. Der Senat entscheidet über die Ablehnungsgesuche gegen die Richter des 1. Wehrdienstsenates ohne diese (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ) durch ihre regelmäßigen Vertreter und unter Beteiligung des für den Fall der Verhinderung der Mitglieder der Wehrdienstsenate und ihrer regelmäßigen Vertreter durch Buchstabe C. III. 4. des Geschäftsverteilungsplans des Bundesverwaltungsgerichts für das Jahr 2018 bestellten Richters am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden.

2. Die Ablehnungsgesuche bleiben ohne Erfolg.

Über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist im Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 bis 49 ZPO zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. April 2012 - 1 WB 40.11 - Rn. 3 m.w.N.).

a) Das gegen die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht a.D. A. gerichtete Ablehnungsgesuch ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil durch deren - dem Antragsteller auch mitgeteilten - Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen ist, dass sie an einer Entscheidung in einem anhängigen Verfahren mitwirkt (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 - II ZB 2/10 - juris Rn. 10 m.w.N.).

b) Die weiteren Ablehnungsanträge sind unbegründet, weil der Antragsteller keine Gründe glaubhaft gemacht hat, die eine Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder des 1. Wehrdienstsenates begründen.

aa) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO ). Die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Grundes sind erfüllt, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis haben kann, der Richter werde in seiner Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt; insoweit genügt schon der "böse Schein" (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 2008 - 1 WB 41.07 - und vom 11. Oktober 2011 - 1 WB 36.11 -). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich "parteilich" oder "befangen" ist oder ob er sich selbst für befangen hält (BVerfG, Beschluss vom 5. April 1990 - 2 BvR 413/88 - BVerfGE 82, 30 [amp]lt;37 f.[amp]#62; = juris Rn. 24; BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 1 WB 22.15 - Rn. 7).

Die Besorgnis der Befangenheit lässt sich nicht allein darauf stützen, dass ein Richter bereits in einem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren mit der Sache befasst war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2013 - 1 WB 30.13 - Rn. 5 m.w.N.). Dass ein Richter bei der Würdigung des Sachverhaltes oder dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Dies gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind und damit Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Abgelehnte Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - NJW-RR 2008, 72 ). Entsprechendes gilt für die von einem Richter gewählte Gestaltung des Verfahrens (BVerwG, Beschluss vom 15. August 2017 - 1 ER12 16.17 - Rn. 5). Ein verständiger Verfahrensbeteiligter muss in der Regel davon ausgehen, dass ein Richter sich dadurch nicht für künftige Entscheidungen festgelegt hat. Er kann sich Richter nicht aussuchen oder Ablehnungsanträge stellen, weil er ihre ihm ungünstigen Rechtsauffassungen nicht billigt (BVerwG, Beschluss vom 15. März 2017- 2 WD 13.16 - juris Rn. 12 m.w.N.).

bb) Hiernach rechtfertigen die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe die Besorgnis der Befangenheit nicht. Die Auslegung und Bearbeitung seiner Anträge in den von ihm angeführten Verfahren war nicht willkürlich, sodass sie nicht den Schluss zulassen, die mitwirkenden Richter seien ihm gegenüber voreingenommen oder würden Partei für die Gegenseite nehmen.

aaa) Der Beschluss vom 24. Mai 2016 - BVerwG 1 WB 4.16 - weist in den Randnummern 6 und 7 sowie 15 und 19 der Entscheidungsgründe aus, dass die Richter des 1. Wehrdienstsenats bei ihrer Entscheidung sowohl die Beschwerde des Antragstellers vom 10. November 2015 als auch diejenige vom 20. November 2015 berücksichtigt haben, der entsprechende Vortrag des Antragstellers also nicht übergangen wurde. Der Antrag vom 20. November 2015 ist unter Berücksichtigung seiner Begründung als Vertiefung der Beschwerde des Antragstellers vom 10. November 2015 ausgelegt worden. Ausweislich von Randnummer 19 der Entscheidungsgründe ist in die Auslegung seines Antrages eingeflossen, dass der Antragsteller - wie er mit den Ablehnungsgesuchen vorträgt - die Nichteinhaltung von Richtwerten bei einzelnen Beurteilungsdurchgängen gerügt hat. Die Würdigung dieses Vortrages als Vertiefung der Beschwerde wird damit begründet, dass der Vortrag bezogen auf einzelne Beurteilungsdurchgänge pauschal sei und er sich vorrangig gegen die Zentrale Dienstvorschrift selbst richte. Diese Erwägungen stellen sachliche Gründe dar. Dass sie den Antragsteller nicht überzeugen, begründet keine Willkür.

bbb) Die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 30. März 2017 - BVerwG 1 WB 5.17 - weisen aus, dass die Richter des 1. Wehrdienstsenats auch die Rüge einer mangelhaften Befassung mit dem Anliegen des Antragstellers durch den Generalinspekteur in dessen Schriftsätzen vom 20. September 2016 und vom 13. Februar 2017 nicht übergangen haben. In Randnummer 10 des Beschlusses wird dies als Gegenstand der Beschwerde referiert und auch in Randnummer 16 des Beschlusses wird ausgeführt, der Antragsteller beanstande, nicht die von ihm gewünschte gesonderte dienstaufsichtliche Prüfung des Beschwerdegegenstandes durch den Generalinspekteur der Bundeswehr erhalten zu haben. Mithin haben die Richter des 1. Wehrdienstsenats - wie der Antragsteller auch in seiner der Begründung des Ablehnungsgesuches beigefügten Verfassungsbeschwerde für geboten hält - das Anliegen des Antragstellers ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, darüber zu befinden, ob seine Beschwerde vom 13. Oktober 2016 durch das Bundesministerium der Verteidigung ordnungsgemäß bearbeitet wurde.

Die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 30. März 2017 legen im Übrigen auch willkürfrei dar, warum dieses Antragsziel nicht zulässig verfolgt werden kann. Insbesondere ist in Randnummer 19 ausgeführt, dass die Art und Weise der Behandlung von Wehrbeschwerden keine selbständige anfechtbare Maßnahme darstellt. Randnummer 22 erklärt, warum das Ergebnis oder die Durchführung einer dienstaufsichtlichen Prüfung der wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung entzogen ist. Hiernach ist sachlich begründet worden, warum der Antrag mangels Zulässigkeit ohne Erfolg geblieben ist. Der Antragsteller stellt auch hier den Ausführungen des Senates seine abweichende Rechtsauffassung gegenüber. Damit hat er aber Willkür nicht dargetan.

ccc) Die Randnummern 19 und 20 des Beschlusses vom 19. Dezember 2017 - BVerwG 1 WDS-VR 10.17 - erläutern unter Bezugnahme auf das Verfahrensziel des Hauptsacheverfahrens BVerwG 1 WB 42.17 und die dort richtige Antragsart die Auslegung des Antrages. Die angestellten Erwägungen sind sachorientiert und enthalten keine Voreingenommenheit zugunsten der Gegenseite. Sie sind vielmehr von dem Bestreben geleitet, das Anliegen des Antragstellers einem von der Verfahrensordnung vorgegebenen Verfahren zuzuordnen und inhaltlich zu prüfen. Dass der Antragsteller wegen eines nach seiner Auffassung übergeordneten gemeinsamen Ziels die Aufteilung von Anträgen auf drei Verfahren nicht für sachgerecht hält, stellt der Auffassung des Senates eine abweichende Sichtweise gegenüber, zeigt damit aber Willkür nicht auf.

ddd) Ein Ablehnungsgrund ergibt sich auch nicht aus den dienstlichen Stellungnahmen der Richter.

Der Umstand, dass die Richterin am Bundesverwaltungsgericht C. in ihrer dienstlichen Stellungnahme zu den Rechtsausführungen des Antragstellers in dem Ablehnungsgesuch nicht Stellung genommen hat, rechtfertigt nicht die Besorgnis ihrer Befangenheit. Die dienstliche Stellungnahme dient der Tatsachenfeststellung (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10 - juris Rn. 11) und nicht der Erläuterung von Entscheidungen, gegen deren Richtigkeit ein Antragsteller Einwände erhebt. Für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch wesentliche Tatsachenfragen sind in der dienstlichen Stellungnahme nicht offen geblieben. Der Hinweis der Richterin auf die nicht erhobene Anhörungsrüge ist kein Indiz für ihre Voreingenommenheit, weil sie damit nur auf einen statthaften Rechtsbehelf hingewiesen hat.

Der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht B. ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu entnehmen, dass er die von diesem vorgetragenen Argumente zukünftig nicht aufzunehmen bereit wäre. Wie der Antragsteller selbst ausführt, hat B. erklärt, dessen Vortrag im Hauptsacheverfahren erneut zu würdigen. Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters wird nicht dadurch begründet, dass dieser nicht erklärt, sich der Rechtsmeinung eines Beteiligten anschließen zu wollen.

Soweit der Antragsteller zur dienstlichen Stellungnahme des Richters am Bundesverwaltungsgericht D. ausführt, diese entkräfte seine Argumente nicht, legt dies nicht den Anschein der Befangenheit des Richters dar. Die Funktion einer dienstlichen Stellungnahme besteht nicht in der Darlegung der Unbegründetheit des Ablehnungsgesuches.

eee) Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt allein aus dem Umstand, dass Richter nicht der Rechtsauffassung des Antragstellers, sondern aus - wie dargelegt - willkürfreien Gründen der des Antragsgegners folgen, keine Parteinahme für die Gegenseite. Der Anschein einer Voreingenommenheit der Richter, die an den vorangegangenen Verfahren des Soldaten mitgewirkt haben, folgt auch nicht daraus, dass diese verständliche Darlegungen zu Ungunsten des Antragstellers missdeutet hätten. Wie ausgeführt sind die Anträge in den genannten Verfahren durchgängig berücksichtigt worden, der Senat ist aber jeweils unter Darlegung seiner Gründe nicht der Rechtsauffassung des Antragstellers gefolgt.