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BVerwG - Entscheidung vom 10.12.2018

9 B 26.18 (9 B 4.18)

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 100 Abs. 2 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 10.12.2018 - Aktenzeichen 9 B 26.18 (9 B 4.18)

DRsp Nr. 2019/1671

Anforderungen an die Geltendmachung einer Gehörsverletzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Tenor

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2018 - 9 B 4.18 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; VwGO § 100 Abs. 2 S. 3;

Gründe

I

Der Senat hat mit dem im Tenor genannten Beschluss vom 12. Juni 2018 ein Ablehnungsgesuch des Klägers als offensichtlich unzulässig verworfen sowie die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2017 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger unter dem 18. Juli 2018 Anhörungsrüge sowie den "gesetzliche(n) Rechtsbehelf zur Verfügung des Vorsitzenden vom 4.07.2018" erhoben. Mit dieser Verfügung hatte der Vorsitzende dem Kläger Akteneinsicht nach § 100 Abs. 2 Satz 3 VwGO in die Prozess- und Beiakten, nicht aber in die Senatsakte, gewährt.

II

Der Senat kann über die Anhörungsrüge in seiner der aktuellen Geschäftsverteilung entsprechenden Besetzung entscheiden, nachdem die gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Y. und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Z. gerichteten Befangenheitsanträge mit Beschlüssen vom 29. November und 5. Dezember 2018 zurückgewiesen worden sind. Ein separater Rechtsbehelf gegen die Verfügung des Vorsitzenden vom 4. Juli 2018 ist nicht statthaft, da es sich bei Entscheidungen im Zusammenhang mit der Akteneinsicht nach § 100 VwGO um nicht anfechtbare prozessleitende Verfügungen handelt. Die Frage der Akteneinsicht kann aber zum Gegenstand einer Verfahrens- bzw. Anhörungsrüge gemacht werden. Daher wird ihr im Folgenden nachgegangen.

Die Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 VwGO ).

1. Der Kläger kann nicht mit seiner wiederholt vorgebrachten Kritik durchdringen, der Senat habe "zentrale rechtliche Kernargumente des Beschwerdeführers zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und eines Verfahrens(grund)rechte verletzenden Verfahrensfehler übergangen"; bei der "hier erfolgten, apodiktischen Verneinung einer Grundsatzbedeutung zum ausdrücklichen Hinweis auf § 590 Abs. 2 ZPO und die mit Bezug darauf bestehende Rechtsprechung des BGH (könne) das gebotene rechtliche Gehör nicht gewährt worden sein". Denn er benennt insoweit keinen konkreten entscheidungserheblichen Vortrag, den der Senat übergangen hat. Stattdessen wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine Rechtsauffassung, dass der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2017 rechtswidrig, insbesondere verfahrensfehlerhaft sei und Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfe. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt aber keinen Schutz davor, dass ein Gericht dem Vorbringen von Beteiligten nicht folgt oder aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.). Ebenso bleibt die Rüge des Klägers zu pauschal, sein Vorbringen hätte "konkret und nachvollziehbar beschieden werden" müssen; das "Unterbleiben einer solchen Bescheidung (spreche) eindeutig für eine Verletzung des gebotenen rechtlichen Gehörs."

2. Soweit der Kläger vorbringt, er habe entgegen der tragenden Begründung des Beschlusses vom 12. Juni 2018 (Rn. 11) in seinem Antrag auf Fristverlängerung vom 11. November 2017 "klar konkretisiert", wozu er noch vertieft habe vortragen wollen, zeigt er ebenfalls keine Gehörsverletzung auf. Denn die von ihm wörtlich (in Fettdruck) wiedergegebene Passage aus dem entsprechenden Schriftsatz vom 11. November 2017 enthält gerade keinen konkreten Hinweis auf weiteren Vortrag. Vielmehr hat er die Fristverlängerung in allgemein gehaltener Form, nämlich "vorab zu beabsichtigtem weiteren Vortrag zur ergänzenden Begründung der Berechtigung der diversen abgelehnten Anträge (...) auf der Grundlage der aufgefundenen und bezeichneten Unterlagen ..." beantragt.

3. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 12. Juni 2018 einen Gehörsverstoß mit der Begründung verneint, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht überraschend die nachträglich gefertigten Prüfberichte im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Gebührenkalkulation für unerheblich gehalten habe (Rn. 18). Denn er habe im Berufungsurteil vom 20. November 2014 "bereits einen diesbezüglichen Beweisantrag des Klägers mit der entsprechenden Begründung abgelehnt."

Hierin liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Gehörsverstoß. Zwar trifft es zu, dass sich die Zurückweisung des Beweisantrags auf die Beiziehung der WP-Berichte 2012 und 2013 bezog (vgl. UA S. 23 = GA 542), während es nun um vorgelegte Prüfberichte geht. Die inhaltliche Argumentation ist allerdings identisch. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 30. November 2017 nochmals klargestellt, dass es entscheidungserheblich auf die Rechtmäßigkeit der für den Kalkulationszeitraum im Voraus angestellten Prognose, nicht aber auf Nachberechnungen zu Kostenüber- oder unterdeckungen ankommt. "Folgerichtig" habe er daher damals den Beweisantrag abgelehnt. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat mit seiner Formulierung "mit der entsprechenden Begründung" (s.o.) Bezug.

4. Des Weiteren kritisiert der Kläger, der Senat habe den Vortrag übergangen, dass der Vorsitzende des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zunächst eine Frist bis 30. November 2017 bewilligt, diese Frist dann aber wieder gestrichen habe. Auch insoweit wird eine Gehörsverletzung nicht dargetan. Der Senat hat diesen sich ohne Weiteres aus den Akten ergebenden Umstand keineswegs übersehen. Hiervon abgesehen handelt es sich aber auch nicht um einen entscheidungserheblichen Umstand. Denn die am 14. November 2017 unterzeichnete Verfügung zur weiteren Fristverlängerung - dem Kläger war bereits eine Frist bis zum 10. November 2017 gesetzt worden - hatte sich offensichtlich mit dem Posteingang vom 13. November 2017 gekreuzt, der dem Vorsitzenden am 14. November vorgelegt wurde. Daraufhin hat er offenbar die Fristverlängerung gestrichen. Inwiefern aus diesem Vorgang Argumente zugunsten des Klägers abgeleitet werden können, erschließt sich nicht. Im Übrigen hat der Senat ohnehin nicht nur gesehen, dass der vom Kläger beanstandete Beschluss noch vor Ablauf der Äußerungsfrist ergangen ist. Vielmehr hat er ausdrücklich anerkannt, dass dies "regelmäßig" nicht zulässig ist (vgl. Rn. 9). Entscheidungstragend hat der Senat dann aber im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der regelmäßig anzunehmenden Unzulässigkeit angenommen, die er näher begründet hat.

5. Der Senat hat ebenfalls nicht unberücksichtigt gelassen, dass der gerichtliche Hinweis zu §§ 125 , 130a VwGO hinsichtlich seiner Konkretheit Zweifeln ausgesetzt war. Wie der Kläger selbst zutreffend erkennt, zeigt sich dies an der Formulierung, die Anhörungsmitteilung werde den Anforderungen "(noch) gerecht" (Rn. 14).

6. Ein Gehörsverstoß ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger vor dem angefochtenen Beschluss vom 12. Juni 2018 mehrfach erfolglos die Einsichtnahme in die Senatsakte bzw. in eine elektronisch geführte Duploakte beantragt hat. Dass und warum der Kläger hierauf keinen Anspruch hat, wurde ihm im Laufe der letzten Jahre wiederholt mitgeteilt und erläutert, etwa in den gerichtlichen Verfügungen vom 24. März 2017, vom 11. Juli 2018, hier unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 3. Mai 2017 - 9 B 1.17 - (Rn. 4), in der gerichtlichen Verfügung vom 9. August 2018 sowie zuletzt nochmals mit Beschluss vom 29. November 2018. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen Bezug. Dass der Kläger diese Rechtsauffassung des Senats für fehlerhaft hält, begründet keinen Gehörsverstoß.

7. Hieraus folgt zugleich, dass sich ein Gehörsverstoß auch nicht daraus ergibt, dass der Kläger immer wieder eine (erneute) Vorabbescheidung seiner "Gegenvorstellung zur bisher weiterhin nur unvollständig bewilligten Akteneinsicht" begehrt hat und der Senat dem nicht nachgekommen ist. Dem Kläger steht kein Anspruch auf wiederholte Bescheidung derselben Frage zu. Hierdurch würde das Verfahren des Klägers nie zu einem Ende kommen. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger der Auffassung ist, als Fristbeginn für seine weiteren Äußerungen könne nur der Zeitpunkt bestimmt werden, ab dem ihm "vollständig Akteneinsicht ermöglicht wurde" (vgl. Schriftsatz vom 20. Juli 2018 S. 1), worunter er die Einsicht auch in die Senatsakte und die sog. Duploakte versteht. So würde jede weitere Bescheidung lediglich weitere Fristverlängerungsanträge und Gegenvorstellungen nach sich ziehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO . Eine Streitwertfestsetzung ist nicht notwendig, da sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ergibt.

Vorinstanz: VGH Hessen, vom 30.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 C 1714/17