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BVerfG - Entscheidung vom 26.02.2018

1 BvR 1387/17

Normen:
RVG § 14 Abs. 1
RVG § 37 Abs. 2 S. 2

BVerfG, Beschluss vom 26.02.2018 - Aktenzeichen 1 BvR 1387/17

DRsp Nr. 2018/4262

Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts betreffend das Verfahrens der einstweiligen Anordnung und das erledigte Verfassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

1.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren der einstweiligen Anordnung auf 15.000 € (in Worten: fünfzehntausend Euro) festgesetzt.

2.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Normenkette:

RVG § 14 Abs. 1 ; RVG § 37 Abs. 2 S. 2;

Gründe

I.

Die Gegenstandswertfestsetzung betrifft ein Verfassungsbeschwerdeverfahren, in dessen Rahmen eine einstweilige Anordnung erlassen wurde und das sich in Folge dessen in der Hauptsache erledigt hat.

1. Die Verfassungsbeschwerde nebst Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betraf die Durchführung einer Veranstaltung mit dem Tenor "Antikapitalistisches Camp - Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen" anlässlich des G20-Gipfels, der am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg stattgefunden hat. Der Beschwerdeführer war Anmelder und vorgesehener Leiter des Camps. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Freie und Hansestadt Hamburg zur Duldung des Protestcamps zu verpflichten, war insofern teilweise erfolgreich, als die Freie und Hansestadt Hamburg zur Neubescheidung des Beschwerdeführers nach Maßgabe des Versammlungsrechts verpflichtet wurde (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 -, juris).

2. Durch Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2017, der die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen einen versammlungsrechtlichen Bescheid teilweise wiederherstellte, wurde die Durchführung des Protestcamps an anderer Örtlichkeit und in reduziertem Umfang ermöglicht. Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache für erledigt erklärt. Er beantragt, den Gegenstandswert festzusetzen.

3. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat zum Antrag Stellung genommen. Er hält eine Festsetzung des Gegenstandswerts je für die Verfassungsbeschwerde und für den Eilantrag in Höhe des gesetzlichen Mindestwerts von 5.000 € für angemessen.

II.

1. Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts ist verständig dahingehend auszulegen, dass er sich sowohl auf das Verfahren der einstweiligen Anordnung als auch auf das erledigte Verfassungsbeschwerdeverfahren bezieht.

2. Danach war der Gegenstandswert für das Verfahren der einstweiligen Anordnung auf 15.000 € festzusetzen. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das insoweit eigenständige Verfahren (vgl. BVerfGE 89, 91 <94>) folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG . Danach ist der Gegenstandswert unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Auch dem Erfolg der einstweiligen Anordnung kommt Bedeutung zu (zu den Maßstäben vgl. BVerfGE 79, 365 <366>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. März 2017 - 2 BvR 890/16 -, juris, Rn. 2). Vorliegend maßgeblich waren insbesondere die Bedeutung der einstweiligen Anordnung für den Beschwerdeführer, um die Errichtung eines Protestcamps während des G20-Gipfels erreichen zu können, wie auch der Umfang der für das Betreiben des einstweiligen Anordnungsverfahrens notwendigen anwaltlichen Tätigkeit. In objektiver Hinsicht hat der Beschwerdeführer sein Rechtsschutzziel teilweise erreicht. Im Ergebnis war der Gegenstandswert auf das Dreifache des Einsatzwertes des § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG festzusetzen.

3. Soweit der Beschwerdeführer weiter beantragt,

den Gegenstandswert für seine für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache abweichend vom gesetzlichen Mindeststreitwert festzusetzen, ist sein Antrag unzulässig. Für die Festsetzung eines über den gesetzlichen Einsatzwert von 5.000 € hinausgehenden Werts ist ein legitimes Rechtsschutzbedürfnis nicht erkennbar.

Für die Festsetzung des Gegenstandswerts ist auch der Erfolg der Verfassungsbeschwerde bedeutsam (zu den anwendbaren Kriterien vgl. BVerfGE 79, 365 <366>). Wird eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, über sie also nicht inhaltlich befunden, ist es im Regelfall nicht gerechtfertigt, über den gesetzlichen Mindestwert hinauszugehen. In diesen Fällen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Festsetzung des Gegenstandswerts (vgl. BVerfGE 79, 365 <369>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 2016 - 2 BvR 617/ 16 -, juris, Rn. 10 m.w.N.).

Dieser Interessenlage entspricht die vorliegende Fallgestaltung. Infolge der Erledigungserklärung konnte über die bereits im Ansatz ungeklärten verfassungsrechtlichen Fragestellungen nicht inhaltlich befunden werden. Da im Zeitpunkt der Erledigungserklärung weder die fortwirkende Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer noch der zu erwartende Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren oder die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde abzusehen waren, ist ein Abweichen vom Einsatzwert nicht angezeigt.

Zu berücksichtigen ist hierbei, dass vor dem Bundesverfassungsgericht regelmäßig - so auch hier - eine überschlägige Beurteilung der Sach- und Rechtslage für erledigt erklärter Verfassungsbeschwerden nicht stattfindet (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115 f.>; 87, 394 <397 f.>) und auch keine der Fallgestaltungen vorliegt, in denen die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde im Sinne des Beschwerdeführers vorhergesagt werden könnte (vgl. BVerfGE 85, 109 <115 f.>; 133, 37 <38 f.>). Die Bewertung, ob oder wieweit das konkret vom Beschwerdeführer geplante Protestcamp als Versammlung von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt war, war ausdrücklich nicht Inhalt der einstweiligen Anordnung (s. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 -, juris, Rn. 22 f., 29). Auch der zuletzt ergangene Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2017 - 4 Bs 148/17 - ist nicht als Eingeständnis der öffentlichen Hand zu lesen. Der insoweit vom Beschwerdeführer erzielte Teilerfolg war auch darauf gegründet, dass das Protestcamp in der letztendlich durchgeführten Form aufgrund seiner veränderten Lage und Dimension nur eingeschränkt mit der ursprünglich geplanten Gestalt vergleichbar sei (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2017 - 4 Bs 148/17 -, juris, Rn. 54 - in Anknüpfung an eine polizeiliche Gefährdungslage).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 22.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Bs 125/17