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BSG - Entscheidung vom 05.06.2018

B 13 R 177/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
SGG § 62

BSG, Beschluss vom 05.06.2018 - Aktenzeichen B 13 R 177/18 B

DRsp Nr. 2020/2730

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rüge der Verletzung des Gehörsanspruchs Anordnung des Erscheinens eines Sachverständigen zu einem Termin

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Juni 2018 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; GG Art. 103 Abs. 1 ; SGG § 62 ;

Gründe

Mit Urteil vom 5.6.2018 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und zur Durchführung des Verfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt. Er beruft sich auf einen Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil die bereits durch eine Prozessbevollmächtigte des Klägers eingelegte und begründete Beschwerde unzulässig ist (dazu unter 2.). Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung seiner Rechtsanwältin 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 21.9.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil darin der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht ordnungsgemäß bezeichnet 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) wird.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht.

Der Kläger rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ), weil das LSG seinem in der mündlichen Verhandlung erneut gestellten Antrag auf Ladung des Gutachters Dr. S. zur Erläuterung seines Gutachtens nicht nachgekommen sei. Sein Vortrag reicht jedoch zur Bezeichnung eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels nicht aus.

Unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, steht den Beteiligten gemäß § 116 Satz 2 SGG , § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397 , 402 , 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen sachdienliche Fragen vorlegen zu lassen. Sachdienliche Fragen iS von § 116 Satz 2 SGG liegen vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (vgl Senatsbeschluss vom 16.6.2016 - B 13 R 119/14 B - juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10). An der Sachdienlichkeit fehlt es, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - juris RdNr 29 zur Rechtsprechung des BGH).

Einen sachdienlichen entscheidungserheblichen Klärungsbedarf hat der Kläger hier nicht hinreichend dargelegt.

Der Kläger hat mit der Wiedergabe seines in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags "zur Erläuterung des Gutachtens" bereits nicht in gebotenem Maße aufgezeigt, welche konkreten Punkte er als erläuterungsbedürftig bezeichnet und bis zuletzt aufrechterhalten hat. Es reicht nicht aus, entsprechende Ausführungen erst im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren "nachzuholen" (vgl BSG Beschluss vom 5.7.2018 - B 9 SB 26/18 B - juris RdNr 9).

Soweit sich der Kläger auf früheren Vortrag im Berufungsverfahren bezieht, wonach der Gutachter Dr. S. einerseits ambulanten und stationären Behandlungsbedarf der psychischen Erkrankung des Klägers gesehen und andererseits ein Restleistungsvermögen von 6 Stunden täglich angenommen habe, ergibt sich aus dieser behaupteten "Inkonsistenz" auch keine entscheidungserhebliche sachdienliche Frage. Die Behandlungsbedürftigkeit einer Erkrankung ist keine für das Vorliegen einer Erwerbsminderung hinreichende Voraussetzung, sondern spielt allenfalls für die Frage der Befristung 102 Abs 2 Satz 5 SGB VI ) eine Rolle. Insofern hat der Kläger nicht ausreichend dargelegt, warum es im vorliegenden Rechtsstreit auf diese Frage ankommen sollte. Soweit er dazu vorträgt, dass eine aufwändige stationäre Behandlung für den Zeitraum ihrer Dauer eine Erwerbstätigkeit von 6 Stunden ausschließen könne, begründet dies allein nicht die Notwendigkeit, den Behandlungsbedarf zu klären. Denn nur bei einer auch tatsächlich über längere Zeit (mehr als 6 Monate) durchgeführten Behandlung könnten solche Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit diskutiert werden. Dass ein solcher Fall gegeben ist, zeigt der Kläger aber nicht auf.

Wenn der Kläger außerdem erklärt, er habe den Gutachter zu dem Umstand befragen lassen wollen, ob er eine Tätigkeit als Pförtner oder Mitarbeiter der Poststelle ausüben könne, fehlt es schon an Ausführungen dazu, ob es nach der materiellen Rechtsauffassung des LSG auf diese Frage überhaupt angekommen ist. Der Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts reicht insoweit nicht aus.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 05.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 620/17
Vorinstanz: SG Leipzig, vom 13.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 1182/14