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BGH - Entscheidung vom 12.04.2018

V ZB 208/17

Normen:
AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 12.04.2018 - Aktenzeichen V ZB 208/17

DRsp Nr. 2018/6082

Zulässigkeit eines Abschiebungshaftantrags bei Fehlen von konkreten Angaben zur Dauer der Haft

Ein Haftantrag genügt nicht den gestzlichen Anforderungen, wenn er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthält. Hat die Behörde lediglich dargelegt, dass ein konkreter Abschiebungstermin noch nicht feststeht und alle für die Flugbuchung relevanten Unterlagen an das zuständige Landeskriminalamt übermittelt worden sind, so reichen diese allgemein gehaltenen Ausführungen vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist und die Frist von drei Monaten nur die obere Grenze der möglichen Haft und nicht deren Normaldauer bestimmt, nicht aus.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 13. September 2017 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Geestland vom 26. Juni 2017 den Betroffenen im Zeitraum bis zum 12. Juli 2017 in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Cuxhaven auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Der Betroffene, ein moldawischer Staatsangehöriger, reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet ein. Im Juni 2017 wurde er bei einer Polizeikontrolle festgenommen. Die Abschiebung in die Republik Moldau wurde ihm angedroht.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. Juni 2017 Abschiebungshaft bis zum 26. September 2017 angeordnet. Die nach der Abschiebung des Betroffenen in die Republik Moldau am 12. Juli 2017 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Haftantrag sei zulässig. Er enthalte konkrete Angaben zur Dauer der Haft. Diese sei zu Recht auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützt worden.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG ) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlt und dieser Mangel während des Verfahrens nicht behoben wurde.

1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, juris Rn. 6 mwN; Beschluss vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, juris Rn. 5; Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, NVwZ 2017, 1231 Rn. 6).

2. Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer enthält. Die beteiligte Behörde hat in ihm nur dargelegt, dass ein konkreter Abschiebungstermin noch nicht feststehe und alle für die Flugbuchung relevanten Unterlagen an das Landeskriminalamt Niedersachsen übermittelt worden seien, das die Abschiebung eingeleitet habe und den frühesten möglichen Flug buchen werde. Diese allgemein gehaltenen Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist und die Frist von drei Monaten nur die obere Grenze der möglichen Haft und nicht deren Normaldauer bestimmt (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ; Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - V ZB 67/13, InfAuslR 2014, 99 Rn. 9; Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 7; Beschluss vom 13. Oktober 2016 - V ZB 22/16, juris Rn. 6) unzureichend. Sie lassen nicht erkennen, warum eine Haftdauer von drei Monaten erforderlich ist. Dass die Abschiebung mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben und der früheste verfügbare Flug gebucht werden soll, macht konkrete Angaben in dem Haftantrag zu der notwendigen Haftdauer nicht entbehrlich.

3. Der Mangel des Haftantrages ist auch nicht nachträglich geheilt worden. Weder hat die Behörde ihre Darlegungen ergänzt noch hat das Amtsgericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG ) in dem Beschluss festgestellt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 22). Vielmehr hat das Amtsgericht in dem Haftanordnungsbeschluss die Angaben aus dem Haftantrag vom 26. Juni 2017 übernommen.

4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Geestland, vom 26.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen XIV 50/17
Vorinstanz: LG Stade, vom 13.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 9 T 77/17