Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 05.07.2018

IX ZR 141/17

Normen:
InsO § 134 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1

BGH, Urteil vom 05.07.2018 - Aktenzeichen IX ZR 141/17

DRsp Nr. 2018/11072

Zahlungen des Inhabers eines Handelsgewerbes an einen stillen Gesellschafter als entgeltliche Leistung hinsichtlich der Gegenleistung für die erbrachte Einlage i.R.e. Anfechtungsanspruchs

Enthält eine Regelung des Gesellschaftsvertrags einen Anspruch auf eine garantierte, gewinn- und verlustunabhängige jährliche Mindestverzinsung der Einlage des stillen Gesellschafters, so stellen die auf dieser Grundlage gezahlten Vorabvergütungen mithin eine Gegenleistung für die Einlage der stillen Gesellschafter dar, die in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierten Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals geht.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 11. Mai 2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Normenkette:

InsO § 134 Abs. 1 ; InsO § 143 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die E. Gesellschaft mbH (fortan: Schuldnerin) gab eine kostenlose Zeitung heraus. Zur Deckung ihres Kapitalbedarfs bot die Schuldnerin privaten Anlegern seit Ende der 90er Jahre die Möglichkeit, sich mit einer Einlage als stille Gesellschafter zu beteiligen (sogenannte Medienbriefe). Seit dem Jahr 2001 wiesen die Handelsbilanzen der Schuldnerin stets einen Jahresverlust aus. Die Einlagen neu beitretender Gesellschafter verwendete die Schuldnerin in der Art eines sogenannten Schneeballsystems für Auszahlungen an die stillen Gesellschafter sowie zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs.

Die Beklagte erwarb in der Zeit zwischen dem 3. Juni 2008 und dem 7. September 2009 insgesamt vier Medienbriefe zu je 5.000 €. Die jeweiligen Medienbriefe enthielten stets gleichlautende Bestimmungen. Die Schuldnerin zahlte an die Beklagte zwischen dem 1. Juli 2010 und dem 27. Dezember 2012 als Vorabvergütungen insgesamt 3.750 €. Hiervon führte die Schuldnerin für die Beklagte als Abgeltungssteuer einen Betrag von 989,04 € an das Finanzamt ab.

Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin vom 23. Januar 2014 eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 18. März 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 5. September 2014 auf, die Vorabvergütungen einschließlich der abgeführten Abgeltungssteuer in Höhe von 3.750 € zu erstatten.

Da die Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, erhob der Kläger Klage auf Zahlung von 3.750 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anfechtungsanspruch gemäß § 143 Abs. 1 , § 134 Abs. 1 InsO zu. Bei den Zahlungen der Schuldnerin habe es sich nicht um unentgeltliche Leistungen gehandelt. Die Vorabvergütungen seien gerade vertraglich geschuldet gewesen. Die Beklagte sei nicht nach Treu und Glauben gehindert gewesen, diesen Anspruch geltend zu machen.

Die Regelung in § 3 der jeweiligen Gesellschaftsverträge enthalte eine Regelung über garantierte Zinszahlungen in Form einer (Mindest-)Verzinsung. Zwar sei der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Jedoch ergebe sich dies vor allem aus den Besonderheiten der Vertragsdurchführung. Eine Gewinn- oder Verlustverteilung gemäß § 4 des Gesellschaftsvertrags sei nicht durchgeführt worden. Trotz ständig erzielter Verluste habe die Schuldnerin die Zahlungen nicht zurückgefordert.

Schließlich sei eine unterlassene Rückforderung nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Es fehle schon an einer Einigung darüber, dass die Beklagte keinen ausgleichenden Gegenwert zu erbringen gehabt habe. Mangels Gewinn- und Verlustverteilungen habe die Beklagte nicht wissen können, dass ein Verzicht auf eine Rückzahlungsverpflichtung vorliege. Zudem liege eine Gegenleistung der Beklagten darin, dass sie durch die Zahlungen von einer Kündigung abgehalten worden sei. Die Schuldnerin habe somit planmäßig den Erhalt der Beteiligungen erkauft.

II.

Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Dem Kläger steht kein Rückgewähranspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO zu, weil die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 InsO nicht erfüllt sind.

1. Eine unentgeltliche Leistung liegt im - hier bestehenden - Zwei-Personen-Verhältnis vor, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (BGH, Urteil vom 20. April 2017 - IX ZR 252/16, WM 2017, 1215 Rn. 10 mwN, zVb in BGHZ). Hingegen sind Zahlungen des Inhabers eines Handelsgewerbes an einen stillen Gesellschafter, denen ein gewinnunabhängiges Zahlungsversprechen im Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt, entgeltliche Leistungen, wenn sie die Gegenleistung für die erbrachte Einlage darstellen. Dies hat der Senat mit Urteil vom 5. Juli 2018 ( IX ZR 139/17, zVb) in einer Parallelsache entschieden und näher begründet.

2. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den angefochtenen Zahlungen um eine entgeltliche Leistung der Schuldnerin. Die Schuldnerin hat mit den Zahlungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder eine Einlage zurückgewährt noch Scheingewinne gezahlt, sondern ihre Verpflichtung aus § 3 des Gesellschaftsvertrags erfüllt.

a) § 3 des Gesellschaftsvertrags enthält - wie der Senat mit Urteil vom 5. Juli 2018 ( IX ZR 139/17, zVb) entschieden und näher begründet hat - einen Anspruch auf eine garantierte, gewinn- und verlustunabhängige jährliche Mindestverzinsung der Einlage des stillen Gesellschafters. Die auf dieser Grundlage gezahlten Vorabvergütungen stellen mithin eine Gegenleistung für die Einlage der stillen Gesellschafter dar, die in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierten Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals geht.

Soweit bei einem zweigliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnis sich die Auslegung des Vertrags gemäß §§ 133 , 157 BGB i.V.m. § 242 BGB nach dem Empfängerhorizont des beitretenden Anlegers richtet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 12), hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass keine individuellen Umstände bestanden, die im Rahmen der hier vorliegenden zweigliedrigen stillen Gesellschaft eine abweichende Auslegung rechtfertigen. Die Revision zeigt solche Umstände auch nicht auf.

b) Der Anspruch auf Zahlung einer Vorabvergütung war auch wirksam und durchsetzbar. Der in Form einer stillen Gesellschaft erfolgte Beitritt der Beklagten zur Schuldnerin ist wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein sogenanntes Schneeballsystem betrieb, weil die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zur Anwendung kommen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2018 - IX ZR 139/17, zVb). Die Beklagte war schließlich nicht im Hinblick auf eine Treuepflicht gehindert, die ihr zustehenden Ansprüche auf Vorabvergütung geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2018 - IX ZR 139/17, zVb).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 5. Juli 2018

Vorinstanz: AG Tecklenburg, vom 25.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 13 C 71/16
Vorinstanz: LG Münster, vom 11.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 S 8/16