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BGH - Entscheidung vom 27.02.2018

XI ZR 187/17

Normen:
BGB § 355 Abs. 1
BGB § 355 Abs. 2
BGB § 495 Abs. 1

BGH, Urteil vom 27.02.2018 - Aktenzeichen XI ZR 187/17

DRsp Nr. 2018/4674

Wirksamkeit des Widerrufs von auf den Abschluss dreier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen bei behaupteter unzureichender Aufklärung über den Beginn der Widerrufsfrist

Fehlt es an einem Vertragsschluss "unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln", weil der Verbraucher während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter des Unternehmers oder einem vom Unternehmer bevollmächtigten Vertreter hat, so haben die Parteien keinen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB geschlossen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Februar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 355 Abs. 1 ; BGB § 355 Abs. 2 ; BGB § 495 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Die Beklagte übersandte den Klägern im Juni 2008 zwei Exemplare eines von ihr unterzeichneten Vertragsformulars. Dieses Vertragsformular bezog sich auf ein "Hypothekendarlehen I plus Tilgung" Nr. XXX99 über 41.000 € und einen bis zum 30. Juni 2023 festen Zinssatz von 4,86% p.a. und auf ein weiteres "Hypothekendarlehen I plus Tilgung" Nr. XXX02 über 39.000 € und einen ebenfalls bis zum 30. Juni 2023 festen Zinssatz von 4,86% p.a. Die Beklagte belehrte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:

Die Kläger sandten im Juni 2008 ein von ihnen gegengezeichnetes Exemplar des Vertragsformulars samt Widerrufsbelehrung an die Beklagte zurück. Ein Vertragsformular samt einer Widerrufsbelehrung verblieb in ihrem Besitz. Mit Schreiben vom 13. Januar 2015 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. In diesem Schreiben führten sie aus, sie hätten auf das Darlehen Nr. XXX99 Zahlungen in Höhe von 19.522,47 € und auf das Darlehen Nr. XXX02 Zahlungen in Höhe von 18.575,29 € geleistet. Entsprechend hätten sie veranlasst, dass "kurzfristig" auf das Darlehenskonto für das Darlehen Nr. XXX99 ein Betrag von 21.477,53 € und auf das Darlehenskonto für das Darlehen Nr. XXX02 ein Betrag von 20.424,71 € überwiesen werde. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 20. Januar 2015 zurück. Daraufhin bekräftigten die Kläger mit Schreiben ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 26. Februar 2015 ihren Standpunkt.

Ihre Klage auf Feststellung, dass die Kläger die Darlehensverträge "wirksam widerrufen" hätten, auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten und auf Feststellung, "dass sich die Beklagte mit der Annahme der Darlehensvaluta in Verzug" befinde, hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger, mit der sie nach Rücknahme des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs noch Anträge auf Feststellung der Umwandlung "des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis" und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil wie von den Klägern zuletzt beantragt abgeändert. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Kläger weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Die im Sinne der Klärung einer bloßen Vorfrage formulierte Feststellungsklage sei dahin auszulegen, die Kläger begehrten die Feststellung, dass sich die Darlehensverträge aufgrund des Widerrufs in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt hätten. In dieser Form sei die Feststellungsklage zulässig. Vom Vorrang der Leistungsklage sei eine Ausnahme zu machen, wenn davon auszugehen sei, die Beklagte werde schon aufgrund eines rechtskräftigen Feststellungsurteils leisten. Dies sei bei Banken anzunehmen. Für die Beklagte als Bausparkasse gelte dasselbe.

Die Kläger hätten ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen noch widerrufen können, weil die Beklagte sie unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet habe. Nach dem Wortlaut der Widerrufsbelehrung habe für das Anlaufen der Widerrufsfrist genügt, dass der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung und die Widerrufsbelehrung zur Kenntnis nehme, ohne dass die Widerrufsbelehrung kenntlich gemacht habe, dass beide Unterlagen dem Darlehensnehmer während der Widerrufsfrist hätten zur Verfügung stehen müssen. Die Widerrufsbelehrung habe damit nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Das Widerrufsrecht der Kläger sei nicht verwirkt. Da die Beklagte die Aufforderung der Kläger zur Rückabwicklung der Darlehensverträge mit Schreiben vom 20. Januar 2015 zurückgewiesen habe, sei der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzugs begründet.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Klage auf Feststellung ausgegangen, die Darlehensverträge hätten sich in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt. Für diesen Antrag fehlt, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16, vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16 f. und vom 23. Januar 2018 - XI ZR 359/16, n.n.v.), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 (aaO, Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt.

2. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen im Ergebnis rechtsfehlerfrei ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Willenserklärungen der Kläger seien noch im Januar 2015 widerruflich gewesen, weil die Beklagte die Kläger unzureichend deutlich über ihr Widerrufsrecht belehrt habe.

a) Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, den Klägern sei gemäß § 495 Abs. 1 BGB das Recht zugekommen, ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nach § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , §§ 32 , 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF) zu widerrufen.

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet, trifft im Ergebnis zu.

aa) Freilich war die Widerrufsbelehrung nicht deshalb undeutlich, weil sie nicht den Zusatz enthielt, den Klägern müsse die Widerrufsbelehrung in Textform sowie eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden (dazu Senatsurteile vom 13. Januar 2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 18 und - XI ZR 508/07, juris Rn. 16; Senatsbeschluss vom 7. März 2017 - XI ZR 282/16, juris). Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache XI ZR 160/17 für eine insoweit gleichlautende Widerrufsbelehrung entschieden hat, belehrte die von der Beklagten gewählte Formulierung die Kläger hinreichend deutlich über die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF.

bb) Die Widerrufsbelehrung der Beklagten war aber unzureichend deutlich, weil sie zu den Voraussetzungen des § 312d Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 BGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 3. August 2009 geltenden Fassung (künftig: aF) keine Angaben machte.

(1) Der Senat hat im Revisionsverfahren vom Zustandekommen eines Fernabsatzvertrags im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung auszugehen. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen und nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts haben sich die Parteien auf den Abschluss der Darlehensverträge ohne gleichzeitige Anwesenheit beider Vertragsparteien durch Briefwechsel geeinigt. Die Qualifikation der Darlehensverträge als Fernabsatzverträge scheitert nicht an fehlendem Vortrag der Kläger dazu, dass auch die Vertragsanbahnung ohne Anwesenheit beider Parteien erfolgt ist (BGH, Urteil vom 12. November 2015 - I ZR 168/14, WM 2016, 968 Rn. 27 f.). Zwar kommt in einem solchen Fall, wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tag in der Sache XI ZR 160/17 näher ausgeführt hat, der Vertrag nicht als Fernabsatzvertrag zustande. Soweit allerdings - wie im Streitfall - die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln beim Vertragsschluss feststeht, hat der Unternehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dem Vertragsschluss ein persönlicher Kontakt vorausgegangen ist. Entsprechendes gilt für den gesetzlich als Ausnahmetatbestand formulierten Fall, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist (BGH, aaO, Rn. 28). Dass die danach darlegungs- und beweisbelastete Beklagte solche Umstände vorgetragen hätte, macht die Revision nicht geltend.

(2) Bei Fernabsatzverträgen musste die Widerrufsbelehrung, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, auf die weiteren Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach § 312d Abs. 2 BGB aF hinweisen (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 23 ff.). Entsprechende Zusätze fehlen in der von der Beklagten erteilten Widerrufsbelehrung.

3. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand halten dagegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Anspruch der Kläger auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten begründet hat. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu dem Zeitpunkt der Mandatierung des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger getroffen, so dass im Revisionsverfahren davon auszugehen ist, eine Beauftragung sei vor Eintritt des Verzugs der Beklagten erfolgt (vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 2016, 149 Rn. 32). Dann kam eine Erstattung aufgrund Verzugs nicht in Betracht.

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO ), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO ). Insbesondere können die Kläger Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten aus einem anderen Rechtsgrund als dem des Verzugs nicht beanspruchen (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 34 f.).

Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO ), verweist sie der Senat zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ), das den Klägern zunächst Gelegenheit zu geben haben wird, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen (Senatsurteile vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 34 und vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 456/16, WM 2017, 2254 Rn. 15 sowie - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 28).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 27. Februar 2018

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 11.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 376/15
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 24.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 445/16