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BGH - Entscheidung vom 03.07.2018

XI ZR 736/16

Normen:
BGB a.F. § 355 Abs. 1
BGB a.F. § 355 Abs. 2
BGB a.F. § 495 Abs. 1

BGH, Urteil vom 03.07.2018 - Aktenzeichen XI ZR 736/16

DRsp Nr. 2018/10769

Widerruf der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen

Der Darlehnsgeber klärt den Darlehnsnehmer unzureichend deutlich über die Voraussetzungen seines Widerrufsrechts auf, wenn der Zusatz "nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrags" die Angaben zu den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist verunklart.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. November 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB a.F. § 355 Abs. 1 ; BGB a.F. § 355 Abs. 2 ; BGB a.F. § 495 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten in dritter Instanz noch um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

Die Parteien schlossen am 1. Juni 2009 - nach dem Vortrag der Beklagten nicht als Fernabsatzgeschäft - einen Darlehensvertrag über 263.000 € mit einem bis zum 30. April 2019 festen Nominalzinssatz in Höhe von 3,99% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 8. September 2014 widerriefen sie durch ihre vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.

Ihrer Klage (zuletzt) auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag "durch den klägerischen Widerruf [...] wirksam beendet" worden sei, auf "Freigabe" der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung, auf "Abzug" von den Klägern laufend erbrachter Zahlungen (auf die der Beklagten von den Klägern zugestandene Forderung) und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht insoweit entsprochen, als es die gewünschte Feststellung getroffen und die Beklagte zur Zahlung eines Teils der begehrten Anwaltskosten verurteilt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Auf die dagegen gerichtete Berufung beider Parteien, mit der die Kläger zuletzt beantragt haben festzustellen, dass sich der Darlehensvertrag durch ihren Widerruf vom 8. September 2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe, und mit der sie ihren Antrag auf weitere Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten - soweit in erster Instanz erfolglos - weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht dem Begehren der Beklagten entsprechend den Antrag auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten insgesamt abgewiesen und auf die Berufung der Kläger das landgerichtliche Urteil dahin "zur Klarstellung [...] neu gefasst", es werde festgestellt, dass sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf der Kläger "in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt" habe. Im Übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Im Umfang ihrer Beschwer richtet sich dagegen die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (OLG Stuttgart, Urteil vom 22. November 2016 - 6 U 48/16, juris) - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Die Feststellungsklage sei zulässig. Ein "Rechtsschutzbedürfnis" bestehe. Auf die Leistungsklage könnten die Kläger nicht verwiesen werden, weil die Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis keinen Saldo zugunsten der Kläger ergeben werde. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt. Der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 BGB nicht entgegen gestanden.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen. Für den Antrag festzustellen, die Darlehensverträge hätten sich aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, fehlt, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16, vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16 f. und vom 23. Januar 2018 - XI ZR 359/16, WM 2018, 664 Rn. 12), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 (aaO, Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt.

2. Richtig ist dagegen die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über die Voraussetzungen ihres Widerrufsrechts nach § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , §§ 32 , 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung belehrt. Haben die Parteien, was die Revision im Anschluss an den vorinstanzlichen Vortrag der Beklagten wegen der für Fernabsatzverträge offensichtlich unzureichenden Belehrung ausdrücklich geltend macht, keinen Fernabsatzvertrag geschlossen, verunklarte der Zusatz "nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrags" die Angaben zu den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist (Senatsurteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 24). Aus dem Senatsurteil vom 24. Januar 2017 ( XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 26), das anders als hier einen im Wege des Fernabsatzes zustande gekommenen Vertrag betraf, lässt sich entgegen der Auffassung der Revision zugunsten der Beklagten für den hier zur Entscheidung gestellten Fall nichts anderes herleiten (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 24 und - XI ZR 450/16, juris Rn. 17).

3. Keinen revisionsrechtlichen Bedenken unterliegen außerdem die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht einen Verstoß der Kläger gegen Treu und Glauben verneint hat.

III.

Das Berufungsurteil unterliegt wegen der unzutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit der Klage der Aufhebung (§ 562 ZPO ), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO ). Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat verwehrt (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Insbesondere kann der Senat nicht auf die Unzulässigkeit der Feststellungsklage erkennen, weil den Klägern - wie hier durch eine von der Berufungsbegründung gedeckte Erweiterung ihres Berufungsangriffs noch möglich (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 39 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, WM 2000, 2439 , 2440, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 256 ) - zunächst Gelegenheit gegeben werden müsste, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 3. Juli 2018

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 19.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 12 O 84/15
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 22.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 48/16