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BGH - Entscheidung vom 24.09.2018

AnwZ (Brfg) 7/18

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 24.09.2018 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 7/18

DRsp Nr. 2018/15646

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 10. November 2017 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der 1947 geborene Kläger ist seit 1980 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit dem Kläger am 6. Februar 2017 zugestelltem Bescheid vom 30. Januar 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ) und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 21. April 2016 - AnwZ (Brfg) 1/16, juris Rn. 6 und vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 4; jeweils mwN).

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 15. Dezember 2017, aaO Rn. 5 und vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; jeweils mwN).

aa) Dementsprechend ist in Bezug auf das Vorliegen eines Vermögensverfalls des Klägers allein auf den ihm am 6. Februar 2017 zugestellten Widerrufsbescheid vom 30. Januar 2017 abzustellen. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt in Vermögensverfall geraten. Nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs bestanden zwei Forderungen der Beklagten und des Finanzamts H. gegen den Kläger, bezüglich derer es schon zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gekommen war (Forderungen Nr. 45 und Nr. 48 der dem Widerrufsbescheid beigefügten Forderungsaufstellung der Beklagten). Damit lagen, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, hinreichende Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Klägers vor.

bb) Der Kläger wendet sich nicht gegen die vorgenannten Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs. Er macht geltend, die Forderungen der Beklagten und des Finanzamts H. seien in der Zeit vom 15. Februar 2017 bis 7. März 2017 beglichen worden. Indes liegt dieser Zeitraum nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des dem Kläger am 6. Februar 2017 zugestellten Widerrufsbescheides vom 30. Januar 2017. Die Beurteilung der Erfüllung der vorgenannten Forderungen bleibt daher einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides nicht davon auszugehen, dass seine Vermögensverhältnisse in absehbarer Zeit nachhaltig geordnet sein würden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 10; Beschlüsse vom 21. März 2017 - AnwZ (Brfg) 44/16, juris Rn. 3 und vom 5. November 2015 - AnwZ (Brfg) 28/15, juris Rn. 3; jeweils mwN). Letzteres ergibt sich insbesondere nicht aus der vollständigen Begleichung der Forderungen der Beklagten und des Finanzamts H. durch den Kläger bis zum 7. März 2017. Hierbei handelt es sich um Umstände, die erst nach dem am 6. Februar 2017 zugestellten Widerrufsbescheid vom 30. Januar 2017 eingetreten sind. Inwieweit von ihnen bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides auszugehen war, legt der Kläger nicht dar. Die Voraussehbarkeit der von ihm kurz nach dem Widerrufsbescheid geleisteten Zahlungen erscheint umso fraglicher, als ausweislich der Forderungsaufstellung der Beklagten in Bezug auf ihre Forderung noch im Dezember 2016 ein Zwangsvollstreckungsauftrag erteilt worden war.

2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler, insbesondere keinen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO , dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ).

a) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO ) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Senat, Beschluss vom 10. Juli 2015 - AnwZ (Brfg) 15/15, juris Rn. 11 mwN).

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Hätte der Anwaltsgerichtshof, wie der Kläger fordert, von Amts wegen Höhe und Zeitpunkt der nach dem Widerrufsbescheid erfolgten Zahlungen des Klägers auf die Forderungen der Beklagten und des Finanzamts H. aufgeklärt, hätte sich ihm - wie vorstehend ausgeführt - hieraus nicht erschlossen, dass von solchen Zahlungen bereits zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides auszugehen war. Gleiches gilt im Hinblick auf die Klärung, welche Zahlungen aus dem am 2. März 2017 ausgezahlten Privatdarlehen und welche aus dem "eigenen Bestand" des Klägers erfolgten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 10.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 20/17