Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 15.06.2018

AnwZ (Brfg) 23/17

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 15.06.2018 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 23/17

DRsp Nr. 2018/10035

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Durchführung von Maßnahmen zur Verhinderung einer Gefährdung der Rechtsuchenden durch Bestellung eines Vertreters

Tenor

Das Zulassungsverfahren wird eingestellt.

Das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. Februar 2017 ist wirkungslos.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der 1958 geborene Kläger ist seit 1990 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 22. Juni 2015 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Seine hiergegen gerichtete Klage wies der Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom 10. Februar 2017 ab. Der Kläger beantragte zunächst die Zulassung der Berufung; mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 7. November 2017 hat er dann auf die Rechte aus der Zulassung als Rechtsanwalt verzichtet. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 14. November 2017 seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO widerrufen. Der Bescheid ist bestandskräftig. Die Parteien haben nunmehr den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist für die noch zu treffenden Entscheidungen nach § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 87a Abs. 1 Nr. 3 bis 5 , Abs. 3 VwGO der Berichterstatter zuständig.

1. Gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Zulassungsverfahren einzustellen. Zudem ist zur Klarstellung nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 173 Satz 1 VwGO , § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO auszusprechen, dass das angefochtene Urteil wirkungslos geworden ist.

2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Danach hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen. Die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ).

a) Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vom 9. November 2016 - AnwZ (Brfg) 61/15, juris Rn. 3). Daran fehlt es.

aa) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.

bb) Der Kläger hat die Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs zum Vermögensverfall nicht in Zweifel gezogen. Zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden angenommen. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. März 2015 - AnwZ (Brfg) 47/14, juris Rn. 5, und vom 2. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 30/14, juris Rn. 7). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2015, aaO).

cc) Die vom Kläger geschilderte "Ausnahmesituation", wonach er seit seiner Krankschreibung am 15. Mai 2015 keine anwaltliche Tätigkeit mehr ausgeübt, seine Kanzleiräume seit Dezember 2015 aufgelöst und der Prozessbevollmächtigte die Bearbeitung bestehender Mandate als amtlicher Vertreter des Klägers seit 9. Juni 2015 übernommen habe, vermag einer solchen Gefährdung nicht hinreichend entgegenzuwirken. Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Vertreterbestellung nach § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO jederzeit vom Kläger selbst widerrufen werden kann und er zudem dadurch nicht gehindert ist, neben dem Vertreter eigenständig tätig zu sein. Effektive absichernde Maßnahmen zur Verhinderung einer Gefährdung der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gegeben.

b) Besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) liegen nicht vor. Die Behauptung des Klägers, solche Schwierigkeiten seien darin zu sehen, ob die wegen der Erkrankung des Klägers komplett eingestellte Anwaltstätigkeit, verbunden mit der Schließung und Auflösung der Kanzlei bei Übertragung sämtlicher Altfälle an seinen amtlich bestellten Vertreter nebst Verzicht auf das Inkassorecht, eine Gefährdung der Rechtsuchenden ausschließe, trifft nicht zu.

c) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ). Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen werden durch das Vorbringen des Klägers nicht aufgeworfen. Die dargestellte gesundheitliche und berufliche Situation des Klägers ist nicht vergleichbar mit der von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmesituation, in der ein Rechtsanwalt mit ausreichenden Sicherungsmaßnahmen in einer Anwaltssozietät eingebunden ist.

d) Dem Anwaltsgerichtshof ist schließlich kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf welchem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ). Bei der summarischen Prüfung des bisherigen Sach- und Streitstands sind hinreichende Umstände nicht erkennbar, dass der Kläger seit der Zustellung des Widerrufsbescheides aufgrund einer psychischen Erkrankung prozessunfähig gewesen ist. Allein die ärztlicherseits über einen längeren Zeitraum festgestellte Arbeits- und Dienstunfähigkeit vermag für den in der Hauptverhandlung vom Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger keine Prozessunfähigkeit zu begründen. Die vom Kläger behauptete Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) liegt daher nicht vor.

III.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 10.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 34/15