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BGH - Entscheidung vom 24.09.2018

AnwZ (Brfg) 37/18

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
ZPO § 882b
InsO § 26 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 24.09.2018 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 37/18

DRsp Nr. 2018/16303

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. April 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; ZPO § 882b; InsO § 26 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Der Kläger hat "Berufung" eingelegt und nach Hinweis erklärt, die Berufung "enthält als ein Minus auch den erforderlichen Antrag auf Zulassung derselben".

II.

Die vom Kläger zunächst eingelegte Berufung ist nicht statthaft. Sie kann nicht als Antrag auf Zulassung der Berufung ausgelegt werden (vgl. auch Senat, Beschlüsse vom 2. Juni 2017 - AnwZ (Brfg) 26/16, MDR 2017, 1091 Rn. 9 ff. und vom 20. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 8/18, juris Rn. 4 f.). Eine Berufung kann allerdings in einen Zulassungsantrag umgedeutet werden, wenn dieser Antrag noch innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt wird beziehungsweise der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist beantragt hat, das unstatthafte Rechtsmittel als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln (vgl. nur Senat, aaO Rn. 14 ff. und Rn. 6). Bei verständiger Würdigung kann hier die nach Hinweis erfolgte o.a. Erklärung so verstanden werden, dass der Kläger sein Rechtsmittel als Zulassungsantrag behandelt wissen möchte. Ob die Erklärung allerdings fristgerecht war, steht nach Aktenlage nicht fest. In den Akten befindet sich kein Empfangsbekenntnis des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, an den das angefochtene Urteil hätte zugestellt werden müssen (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO ). Ob und wann deshalb die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt wurde - die Zustellung an den Kläger persönlich reichte hierzu nicht -, ist offen. Ob der neue Prozessbevollmächtigte des Klägers das Urteil bei Einlegung der Berufung vorliegen hatte und ob eine Heilung (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 56 Abs. 2 VwGO , § 189 ZPO ) in Betracht kommt, ist ebenfalls offen. Die Zulässigkeit des Antrags kann aber letztlich dahinstehen, da der Antrag jedenfalls unbegründet ist.

III.

Der vom Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) liegt nicht vor.

1. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Juni 2018 - AnwZ (Brfg) 9/18, juris Rn. 3 und vom 3. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 26/18, juris Rn. 3; jeweils mwN). Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen.

a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO , § 882b ZPO ) eingetragen ist. Hierbei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (ständige Senatsrechtsprechung seit Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.).

b) Der Kläger war zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 15. September 2017 in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis in zumindest zwei Fällen eingetragen (§ 882b ZPO ). Sein Vermögensverfall wird damit kraft Gesetzes vermutet. Zur Widerlegung dieser Vermutung hat ein Rechtsanwalt bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und - ggfs. unter Mitteilung eines realistischen Tilgungsplans - konkret in nachprüfbarer Weise darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 25. August 2016 - AnwZ (Brfg) 30/16, juris Rn. 7; vom 24. März 2017 - AnwZ (Brfg) 60/16, juris Rn. 6; vom 18. Juni 2018, aaO Rn. 4 und vom 3. Juli 2018, aaO Rn. 6). Hieran fehlt es. Der Kläger hat sich weder im Widerrufsverfahren der Beklagten noch vor dem Anwaltsgerichtshof zur Sache eingelassen. Auch die Zulassungsbegründung verhält sich nicht näher zum Vermögensverfall.

c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft (st. Senatsrechtsprechung; siehe Beschlüsse vom 25. Juni 2018 - AnwZ (Brfg) 18/18, juris Rn. 7 und vom 3. Juli 2018, aaO Rn. 8; jeweils mwN). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. Senat aaO mwN). Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (Senat, Beschlüsse vom 18. Juni 2018, aaO Rn. 6 und vom 3. Juli 2018, aaO Rn. 8; jeweils mwN). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Kläger ist weiterhin als Einzelanwalt tätig. Die Zulassungsbegründung beschränkt sich insoweit im Kern auch nur auf die - zur ständigen Senatsrechtsprechung in Widerspruch stehende - Bemerkung "Die Eintragung eines Rechtsanwaltes im Schuldnerverzeichnis kann alleine keine abstrakte Gefährdung der Interessen von Rechtsuchenden begründen ... Vielmehr müssen weitere Anhaltspunkte vorgebracht werden, aus denen sich ergibt, dass tatsächlich zu befürchten ist, genau dieser Rechtsanwalt werde die Interessen der Rechtsuchenden gefährden."

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 20.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 81/17