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BGH - Entscheidung vom 20.03.2018

AnwZ (Brfg) 8/17

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 und Nr. 9
BRAO § 112c Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
VwGO § 102 Abs. 2
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 20.03.2018 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 8/17

DRsp Nr. 2018/6190

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist allerdings bis zur Entscheidung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen oder rechtzeitig zu begründen, wenn er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2016 wird abgelehnt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 und Nr. 9 ; BRAO § 112c Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; VwGO § 102 Abs. 2 ; VwGO § 166 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

1. Die 1934 geborene Klägerin war seit 1965 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 15. April 2015 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 9. November 2016 (AnwZ (Brfg) 61/15, juris) abgelehnt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 2017 - 1 BvR 2893/16, nicht veröffentlicht).

2. Mit weiterem Bescheid vom 24. August 2016 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Fehlens der vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO ) und ordnete den Sofortvollzug des Widerrufs an. Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof mit Urteil vom 16. Dezember 2016, das der Klägerin am 13. Januar 2017 zugestellt worden ist, als unzulässig verworfen, da es aufgrund des in dem oben genannten Verfahren AnwZ (Brfg) 61/15 bestandskräftig erfolgten Widerrufs der Anwaltszulassung an einem Rechtsschutzinteresse im vorliegenden Verfahren fehle. Die Berufung hat der Anwaltsgerichtshof nicht zugelassen. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2017, bei dem Anwaltsgerichtshof eingegangen am 14. Februar 2017, hat die Klägerin die Zulassung der Berufung sowie Prozesskostenhilfe für das Zulassungs- und das Berufungsverfahren beantragt. Hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des von ihr selbst verfassten Zulassungsantrags wegen fehlender Postulationsfähigkeit hat die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe für einen nach deren Bewilligung nachzuholenden wirksamen Antrag auf Zulassung der Berufung durch einen ihr beizuordnenden Rechtsanwalt beantragt.

Der Senat hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit ihres Antrags auf Zulassung der Berufung bestehen, da dieser zum einen dem Anwaltszwang unterliegt (§ 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO ) und zum anderen - ebenso wie der Prozesskostenhilfeantrag - erst einen Tag nach Ablauf der Monatsfrist gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangen ist. Die Klägerin hat sodann - unter Wiederholung ihrer vorstehend genannten Anträge - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung ausgeführt, sie habe den Brief mit dem Schriftsatz vom 11. Februar 2017 (Samstag) am Vormittag dieses Tages fertiggestellt und ihn noch am selben Tag um 12.16 Uhr bei dem (bis 14 Uhr geöffneten) Hauptpostamt in B. als Einwurfeinschreiben aufgegeben. Auf ihre Nachfrage habe der am Postschalter tätige Bedienstete erklärt, eine Abholung der Post werde noch am selben Tag erfolgen; hinsichtlich der Beförderungsdauer gelte für das Einwurfeinschreiben nichts anderes als für die normale Post, das Schreiben der Klägerin werde bei dem Adressaten daher sicher am Montag (13. Februar 2017) eintreffen. Diese Angaben des Postbediensteten stimmten überein mit der Angabe der Deutschen Post AG auf deren Internetseite, wonach im Regelfall eine Beförderungszeit "E + 1", mithin bei einer Einlieferung an einem Werktag ein Eintreffen des Einschreibens an dem darauf folgenden Werktag, zu erwarten sei. Hierauf habe die Klägerin vertrauen und mit einem Eingang des Schriftsatzes am Montag, den 13. Februar 2017 (und nicht erst, wie geschehen, am Dienstag) rechnen dürfen. Zur Glaubhaftmachung hat sich die Klägerin auf den von ihr vorgelegten Einlieferungsbeleg der Deutschen Post AG und auf ihre eidesstattliche Versicherung berufen.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 166 VwGO , § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Über diesen Antrag, den die Klägerin hilfsweise für den - hier gegebenen - Fall der Unzulässigkeit des von ihr selbst verfassten Antrags auf Zulassung der Berufung gestellt hat, ist vorab zu entscheiden.

1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist - entgegen der von ihr vertretenen Auffassung - unzulässig, da er dem Vertretungszwang unterliegt und daher von einem Prozessbevollmächtigten hätte gestellt werden müssen. Der Bundesgerichtshof tritt bei verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen im Berufungsverfahren an die Stelle des Oberverwaltungsgerichts (§ 112e Satz 2 BRAO ). Nach § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO müssen sich die Beteiligten in einem solchen Verfahren, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt gemäß § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO - worauf die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Urteils des Anwaltsgerichtshofs hingewiesen worden ist - auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren eingeleitet wird. Bei dem hier in Rede stehenden Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO handelt es sich um eine solche einleitende Prozesshandlung (vgl. nur VGH München, Beschluss vom 26. März 2012 - 11 ZB 12.426, juris Rn. 3; OVG Münster, Beschluss vom 24. November 2017 - 5 A 1467/16, juris Rn. 1; Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO , Stand Juni 2016, § 67 Rn. 68 mwN; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO , 6. Aufl., § 67 Rn. 31).

Hiervon ausgehend konnte die Klägerin im vorliegenden Verfahren einen Antrag auf Zulassung der Berufung nicht wirksam selbst stellen. Denn ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft war mit dem im Verfahren AnwZ (Brfg) 61/15 ergangenen Beschluss des Senats vom 9. November 2016 bestandskräftig widerrufen. Es hätte daher im vorliegenden Verfahren der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten (§ 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 VwGO ) bedurft.

2. Da die Klägerin hilfsweise für den Fall des Bestehens des vorgenannten Vertretungserfordernisses die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt hat, ist vor einer Verwerfung des von ihr selbst gestellten Zulassungsantrags als unzulässig zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Dieser ist abzulehnen, da die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 166 VwGO , § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

a) Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat (siehe zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 2012 - 8 PKH 3/12, juris Rn. 3 mwN; vom 22. Mai 2013 - 3 PKH 7/13, juris Rn. 3; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1998, 208 ; Happ in Eyermann/Fröhler, VwGO , 14. Aufl., § 124a Rn. 43; R. Schenke in Kopp/W. Schenke, VwGO , 22. Aufl., § 124a Rn. 42), ist allerdings bis zur Entscheidung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen oder rechtzeitig zu begründen, wenn er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 8 PKH 3/12, aaO; BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2016 - VIII ZB 15/16, NJW-RR 2017, 691 Rn. 8; vom 14. März 2017 - VI ZB 36/16, VersR 2017, 1035 Rn. 6; vom 25. Oktober 2017 - IV ZB 22/16, NJW-RR 2018, 61 Rn. 14; jeweils mwN; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2012 - AnwZ (Brfg) 14/11, juris Rn. 4; vom 10. Dezember 2012 - AnwZ (Brfg) 57/12, juris Rn. 4; jeweils mwN). Eine bedürftige Prozesspartei, die eine gegen sie ergangene Entscheidung mit dem Rechtsmittel angreifen will, kann sich darauf beschränken, innerhalb der Rechtsmittelfrist einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den notwendigen Belegen beim Prozessgericht einzureichen und die Rechtsmitteleinlegung bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zurückzustellen. Das gilt auch dann, wenn neben dem Prozesskostenhilfegesuch - wie hier - ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2016 - VIII ZB 15/16, aaO mwN; vom 14. März 2017 - VI ZB 36/16, aaO).

Liegen diese Voraussetzungen vor, hat das Rechtsmittelgericht vor einer Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Denn der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei ist im Falle einer Versagung der Prozesskostenhilfe die Möglichkeit einzuräumen, das Rechtsmittelverfahren auf eigene Kosten durch Einlegung des Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt wirksam fortzuführen und einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03, NJW-RR 2004, 1218 unter II 2; vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11, NJW-RR 2011, 995 Rn. 12; vom 27. Oktober 2011 - III ZB 31/11, NJW-RR 2012, 308 Rn. 22; vom 13. Dezember 2016 - VIII ZB 15/16, aaO Rn. 9; vom 14. März 2017 - VI ZB 36/16, aaO).

b) Der Antrag der Klägerin vom 11. Februar 2017 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die notwendigen Belege (§ 112c Abs. 1 Satz 1, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO , § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ) sind nicht innerhalb der bis zum 13. Februar 2017 laufenden Frist zur Beantragung der Zulassung der Berufung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ), sondern erst am 14. Februar 2017 und damit verspätet bei dem Anwaltsgerichtshof eingegangen.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Klägerin - wie von ihr rechtzeitig innerhalb der Frist gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO beantragt - wegen der vorgenannten Versäumung einer rechtzeitigen Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 1 VwGO ) gewährt werden kann, weil sie unter Zugrundelegung ihres oben genannten Wiedereinsetzungsvorbringens auf einen Zugang ihres Einwurfeinschreibens bereits am nächsten Werktag trotz des Umstands hätte vertrauen dürfen, dass die Einlieferung hier an einem Samstag erfolgt ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. September 1988 - 6 C 1/88, juris Rn. 12 mwN; LAG Köln, Urteil vom 8. November 2011 - 11 Sa 1410/09, juris Rn. 16 [jeweils für vergleichbare Fallgestaltungen bejahend]; vgl. auch OLG Oldenburg, NStZ-RR 2014, 113 , und ZfS 2011, 471 [jeweils zum normalen Einschreiben]; OLG Hamm, NJW 2009, 2230 , 2231; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 Ws 956/15, juris Rn. 3 mwN und Leitsatz [jeweils zum Einwurfeinschreiben]; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 3 Ws 357/14, juris Rn. 8 ff. [zum Einschreiben mit Rückschein]; vgl. ferner Hessisches LSG, Urteil vom 31. August 1978 - L 6 An 641/77, juris Rn. 26; aA KG Berlin, Beschluss vom 30. August 2000 - 3 Ws 397/00, juris Rn. 4 mwN, und NStZ-RR 2006, 142 mwN; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. Juli 2017 - 4 PA 205/17, juris Rn. 3 f. [jeweils zum normalen Einschreiben]; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2010, 15 f. [zum Einwurfeinschreiben, unter Heranziehung des § 270 Satz 2 ZPO]; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2011, 116 mwN [für das normale Einschreiben verneinend, für das Einwurfeinschreiben offenlassend]; OVG Münster, NJW 1996, 2809 [zum Einschreiben mit Rückschein]).

Denn der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin greift jedenfalls in der Sache nicht durch. Die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 166 VwGO , § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor; auch sonst ist ein Grund für die Zulassung der Berufung nicht ersichtlich. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage vielmehr zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin abgewiesen.

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; vom 21. April 2016 - AnwZ (Brfg) 1/16, juris Rn. 3; vom 8. Juni 2016 - AnwZ (Brfg) 18/16, juris Rn. 3; jeweils mwN). Daran fehlt es hier.

(1) Soweit die Klägerin zunächst beanstandet, das Bundesverfassungsgericht habe ihre in dem Verfahren AnwZ (Brfg) 61/15 erhobene Verfassungsbeschwerde ( 1 BvR 2893/16) "nachgerade blitzartig" und in "erschreckender Eile" sowie ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen, so dass sie sich nunmehr gehalten sehe, eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erheben, kommt es hierauf für die rechtliche Beurteilung der Erfolgsaussicht der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren erstrebten Zulassung der Berufung nicht an.

(2) Ebenfalls fehl geht der Einwand der Klägerin, dem Anwaltsgerichtshof seien Willkür und Rechtsbeugung vorzuwerfen. Die Klägerin stützt diesen Vorwurf unter anderem darauf, dass der Anwaltsgerichtshof das Verfahren nicht, wie von ihr beantragt, bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem vorstehend genannten Verfahren AnwZ (Brfg) 61/15 ausgesetzt hat (§ 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 94 VwGO ). Die Klägerin verkennt dabei schon im Ausgangspunkt, dass dieses Verfahren, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat, durch den ablehnenden Beschluss des Senats vom 9. November 2016 - und damit vor der mündlichen Verhandlung des Anwaltsgerichtshofs im vorliegenden Verfahren - rechtskräftig abgeschlossen worden ist.

Die Klägerin lässt zudem außer Acht, dass die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG , § 13 Nr. 8a , § 90 BVerfGG ) nicht ein zusätzlicher Rechtsbehelf zum Verfahren nach der Bundesrechtsanwaltsordnung , sondern vielmehr ein außerordentlicher Rechtsbehelf ist, der keine aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt) hat (st. Rspr.; siehe nur BVerfGE 94, 166 , 213 ff.; BGH, Beschlüsse vom 26. November 2003 - XII ZB 75/02, NJW 2004, 1245 unter II 2 d; vom 11. Dezember 2003 - V ZR 416/02, JurBüro 2004, 439 ; vom 2. November 2016 - VIII ZA 22/16, juris Rn. 4 mwN; BAGE 103, 290 , 293 f., 299; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 10. Aufl., Rn. 194). Der Anwaltsgerichtshof durfte deshalb - entgegen der Auffassung der Klägerin - den Ausgang des Verfahrens AnwZ (Brfg) 61/15 bei seiner Entscheidung des vorliegenden Falles berücksichtigen, ohne das Ergebnis einer Verfassungsbeschwerde der Klägerin abzuwarten, zumal die Klägerin nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs zu diesem Zeitpunkt eine Verfassungsbeschwerde zwar erwogen, aber noch nicht eingelegt hatte.

(3) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit der Anwaltsgerichtshof die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig angesehen hat.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nach den hier gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO maßgeblichen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung ausnahmsweise dann, wenn die Rechtsstellung des Klägers selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert würde, die Klage also nutzlos wäre; nutzlos ist eine Klage, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen - auch ideellen - Vorteil bringen könnte (Senatsurteil vom 20. Juni 2016 - AnwZ (Brfg) 56/15, NJW-RR 2017, 249 Rn. 8; BVerwG, NVwZ 2016, 316 Rn. 19 mwN; BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2003 - 6 C 18/02, juris Rn. 17).

Dem entsprechend besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein Rechtsschutzbedürfnis für die Überprüfung eines angegriffenen Widerrufsbescheids und einer hierzu ergangenen Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs nicht, wenn die Rechtsanwaltszulassung bereits aus anderen Gründen bestandskräftig widerrufen worden ist; es fehlt dann an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Überprüfung eines weiteren Widerrufsgrundes (Senatsbeschlüsse vom 25. September 2008 - AnwZ (B) 107/06, juris Rn. 3; vom 8. Juni 2010 - AnwZ (B) 17/09, juris Rn. 2; vom 17. Juni 2010 - AnwZ (B) 93/09, juris Rn. 2; jeweils mwN). So liegt der Fall hier, da die Rechtsanwaltszulassung der Klägerin bereits durch den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2015 bestandskräftig widerrufen worden ist.

Da der Anwaltsgerichtshof deshalb zu Recht bereits die Zulässigkeit der vorliegenden Klage verneint hat, kommt es auf die Einwendungen der Klägerin gegen den Inhalt des angegriffenen weiteren Widerrufsbescheids der Beklagten vom 24. August 2016 nicht an.

bb) Die Klägerin hat schließlich auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ). Sie rügt insoweit eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht nach § 102 Abs. 2 VwGO und ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ), da der Anwaltsgerichtshof in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden habe, obwohl sie bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht auf die Möglichkeit einer solchen Vorgehensweise hingewiesen worden sei.

(1) Gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 102 Abs. 2 VwGO sind die Beteiligten bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Einen solchen Hinweis, der dem Schutz des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör dient (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1995 - 6 B 56/94, juris Rn. 2; BSG , Beschlüsse vom 25. November 2008 - B 5 R 308/08 B, juris Rn. 7 mwN; vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 36/13 B, juris Rn. 4 mwN; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., aaO, § 102 Rn. 19; Brüning in BeckOK VwGO , Stand April 2017, § 102 Rn. 19), hat der Anwaltsgerichtshof im vorliegenden Fall nicht erteilt. Zwar hatte der Vorsitzende des erkennenden Senats des Anwaltsgerichtshofs in seiner Ladungsverfügung vom 30. November 2016 angeordnet, die Ladung der Parteien unter anderem mit dem Hinweis zu versehen, dass im Falle ihres Ausbleibens im Termin zur mündlichen Verhandlung auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann. Wie sich aus der anschließenden Ladungsverfügung der Geschäftsstelle des Anwaltssenats vom selben Tag sowie aus den zur Akte genommenen Abschriften der an die Parteien gerichteten Ladungsschreiben ergibt, hat die Geschäftsstelle die Ladungen jedoch ohne diesen Zusatz ausgefertigt.

(2) Verhandelt und entscheidet das Gericht trotz der Abwesenheit eines Beteiligten, ohne dass diesem bei der Ladung ein entsprechender Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO erteilt worden ist, so stellt dies grundsätzlich einen Verfahrensfehler und zugleich auch eine - von der Klägerin hier auch hinreichend gerügte (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1983 - 9 C 127/83, juris Rn. 9 mwN) - Verletzung des Anspruchs des Beteiligten auf rechtliches Gehör dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1995 - 6 B 56/94, aaO; BSG , Beschlüsse vom 25. November 2008 - B 5 R 308/08 B, aaO; vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 36/13 B, aaO; juris Rn. 4; Stuhlfauth in Bader/FunkeKaiser/Stuhlfauth u.a., aaO; Brüning in BeckOK VwGO , aaO). Es kann dahingestellt bleiben, ob letzteres auch bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1995 - 6 B 56/94, aaO; Brüning in BeckOK VwGO , aaO) oder bei einem Beteiligten gilt, der - wie die Klägerin - zwar nicht anwaltlich vertreten und auch nicht mehr selbst als Rechtsanwalt zugelassen ist, der aber über eine (langjährige) Erfahrung als Rechtsanwalt verfügt. Denn unter den hier gegebenen Umständen erfordert der genannte Verfahrensmangel jedenfalls deshalb nicht die Zulassung der Berufung, weil ausgeschlossen werden kann (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2011 - AnwZ (Brfg) 52/11, juris Rn. 3), dass die angegriffene Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs hierauf beruht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ).

(a) Möglicher Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dem Inhalt und zu der Berechtigung der hier im Streit stehenden und von der Klägerin schriftsätzlich umfassend angegriffenen Widerrufsentscheidung der Beklagten vom 24. August 2016 - mithin mündlicher Vortrag zur Begründetheit der Klage - hätte schon deshalb an dem Ergebnis des angefochtenen Urteils nichts ändern können, weil es nach der zutreffenden Beurteilung des Anwaltsgerichtshofs bereits an der Zulässigkeit der Klage fehlt. Auch möglicher mündlicher Vortrag der Klägerin zur Zulässigkeit der Klage wäre für das endgültige Ergebnis der Entscheidung mit Sicherheit bedeutungslos (vgl. hierzu OVG Münster, NVwZ-RR 2004, 701 , 702; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e BRAO Rn. 47; Roth in BeckOK VwGO , aaO, § 124 Rn. 89.1; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1994, 1095 , 1096), da nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe oben II 2 b aa (3)) bei einem - wie hier - bereits bestandskräftig erfolgten Widerruf der Anwaltszulassung das Rechtsschutzbedürfnis für eine gegen eine weitere Widerrufsverfügung gerichtete Klage fehlt und die vorliegende Klage daher in jedem Fall unzulässig ist.

(b) Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs kann zudem auch deshalb nicht auf dem oben genannten Verfahrensmangel beruhen, weil unter den hier gegebenen Umständen bei der Klägerin durch das Fehlen des Hinweises nach § 102 Abs. 2 VwGO nicht der Eindruck entstehen konnte, dass im Falle ihres Ausbleibens jedenfalls keine abschließende Sachentscheidung zu ihrem Nachteil ergehen werde, sie sich also auch später noch zur Sache einlassen könne (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1995 - 6 B 56/94, aaO; Brüning in BeckOK VwGO , aaO). Denn die Klägerin hat sowohl mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2016 - nach dem Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung - als auch mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2016 - nach einem Hinweis des Gerichts auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis und nach Ablehnung des Antrags der Klägerin, den Verhandlungstermin wegen einer im Verfahren AnwZ (Brfg) 61/15 beabsichtigten Verfassungsbeschwerde aufzuheben - ausdrücklich und umfassend beanstandet, dass in der Ladung zum Termin der vorgeschriebene Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO fehle, was eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beinhalte und einer Verhandlung und Entscheidung in ihrer - durch den vorgenannten Schriftsatz bereits angekündigten - Abwesenheit entgegenstehe.

Der Klägerin war mithin nicht nur der Inhalt des nach § 102 Abs. 2 VwGO zu erteilenden Hinweises im Einzelnen bekannt, sie musste zudem aufgrund der ihr mitgeteilten Aufrechterhaltung des Verhandlungstermins und der seitens des Anwaltsgerichtshofs geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage ernsthaft damit rechnen, dass im Termin auch ohne ihre Anwesenheit verhandelt und entschieden werden wird. Unter diesen Umständen kann ausgeschlossen werden, dass bei der Klägerin durch das Fehlen des Hinweises nach § 102 Abs. 2 VwGO der Eindruck entstehen konnte, der Anwaltsgerichtshof werde in ihrer Abwesenheit weder verhandeln noch entscheiden, sondern ihr zu einem späteren Zeitpunkt die Gelegenheit zu mündlichem Vortrag geben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1995 - 6 B 56/94, aaO; Brüning in BeckOK VwGO , aaO).

cc) Da ein Grund für die Zulassung der Berufung mithin weder von der Klägerin dargelegt noch sonst ersichtlich ist, ist der Prozesskostenhilfeantrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 166 VwGO , § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 16.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 85/16