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BGH - Entscheidung vom 25.10.2018

V ZB 83/18

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3- 5

BGH, Beschluss vom 25.10.2018 - Aktenzeichen V ZB 83/18

DRsp Nr. 2019/585

Vorliegen eines zulässigen Haftantrags bzgl. der Abschiebung eines türkischen Staatsangehörigen in sein Heimatland; Möglichkeit der nachträglichen Heilung eines Mangels des Haftantrages; Anforderungen an die Ausführungen zu der Dauer der beantragten Haft

Ein Haftantrag ist nur zulässig, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Rheine vom 15. Mai 2018 und der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 1. Juni 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis Steinfurt auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 - 5;

Gründe

I.

Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2008 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der im Jahr 2010 abgelehnt wurde. Ein Wiederaufnahmeantrag blieb erfolglos. Eine für den 10. Januar 2018 geplante Abschiebung scheiterte, weil der Betroffene nicht angetroffen wurde. Nach seiner Vorsprache bei dem Ausländeramt am 15. Mai 2018 wurde er festgenommen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2018 Abschiebungshaft bis zum 7. August 2018 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haft längstens bis zum 5. Juli 2018 angeordnet wird.

Der Senat hat die Vollziehung der Sicherungshaft durch Beschluss vom 20. Juni 2018 einstweilen ausgesetzt. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung feststellen lassen. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen für eine Haftanordnung vor, insbesondere sei der Haftantrag zulässig. Nachdem ein Flug für den 3. Juli 2018 gebucht sei und damit ein konkreter Abschiebungstermin feststehe, sei die festgesetzte Haftdauer allerdings zu verkürzen.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht und deren Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.

1. Es fehlt bereits an einem zulässigen Haftantrag.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - V ZB 192/13, juris Rn. 6 mwN; Beschluss vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, juris Rn. 5; Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, NVwZ 2017, 1231 Rn. 6). Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen (st. Rspr., Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 12 ff.; Beschluss vom 20. Oktober 2016 - V ZB 167/14, juris Rn. 6, jeweils mwN; Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 107/17, Asylmagazin 2018, 224, Rn. 3).

b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag vom 15. Mai 2018 nicht gerecht. Zur Dauer der beantragten Haft führt die beteiligte Behörde darin aus, dass eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich sei. Ein gültiger türkischer Reisepass des Betroffenen liege vor. Auf telefonische Rückfrage bei der Zentralstelle für Flugabschiebungen sei mitgeteilt worden, dass ein Vorlauf von zwölf Wochen für eine Rückführung in die Türkei notwendig sei. Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§ 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ; vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 19. Mai 2002 - V ZB 246/11, FGPrax 2012, 225 Rn. 20; Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15), unzureichend. Die Behörde hätte jedenfalls knapp erläutern müssen, welche organisatorischen Verfahrensschritte den beantragten Zeitraum von zwölf Wochen trotz des vorhandenen Reisepasses erforderlich machten und warum eine frühere Flugbuchung nicht erfolgen konnte (zu einem ähnlich gelagerten Fall: Senat, Beschluss vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, juris Rn. 6 f.). Eine solche Erläuterung war nicht deshalb entbehrlich, weil die Behörde sich auf die Auskunft der für die Flugbuchung zuständigen Behörde berufen hat (vgl. zur Darlegung des für die Buchung eines Flugs mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitraums: Senat, Beschluss vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, juris Rn. 11). Die Auskunft der Zentralstelle für Flugabschiebungen beschreibt nur die üblicherweise zu erwartende Dauer für Flugabschiebungen in die Türkei und bezieht sich nicht auf den konkreten Fall des Betroffenen. Diesen Zeitraum durfte die beteiligte Behörde nicht übernehmen, ohne nachvollziehbar darzulegen, warum er im konkreten Fall der kürzest möglichen Haftdauer entspricht.

c) Der Mangel des Haftantrages ist auch nicht nachträglich geheilt worden.

aa) Mängel des Haftantrages können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.). Zwingende weitere Voraussetzungen für eine Heilung ist in einem solchen Fall, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 9; Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 201/17, juris Rn. 8).

bb) Daran fehlt es hier. Die beteiligte Behörde hat im Beschwerdeverfahren zwar ergänzende Angaben gemacht und mitgeteilt, dass ein Flug für den 3. Juli 2018 gebucht sei. Das hat das Beschwerdegericht auch dazu veranlasst, die angeordnete Haft bis zum 5. Juli 2018 zu reduzieren. Mangels persönlicher Anhörung des Betroffenen hat das aber nicht zu einer Heilung geführt.

2. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG ). Da die angeordnete Haftzeit bereits abgelaufen ist, hätte eine Nachholung der unterlassenen Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht auf die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung keine Auswirkungen. Denn eine Heilung könnte nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen.

IV .

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Rheine, vom 15.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 42 XIV 81/18
Vorinstanz: LG Münster, vom 01.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 316/18