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BGH - Entscheidung vom 17.05.2018

IX ZB 26/17

Normen:
Brüssel-I-VO Art. 34 Nr. 2, Art. 45
VO (EG) 44/2001 Art. 34 Nr. 2
VO (EG) 44/2001 Art. 45
Brüssel-I-VO Art. 34 Nr. 2
Brüssel-I-VO Art. 45

Fundstellen:
EuZW 2018, 732
MDR 2018, 1231
ZInsO 2018, 1638

BGH, Beschluss vom 17.05.2018 - Aktenzeichen IX ZB 26/17

DRsp Nr. 2018/8454

Vollstreckbarerklärung eines polnischen Zahlungsbefehls bei fehlender Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks; Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine im Ausland ergangene Entscheidung

a) Hat sich der Beklagte auf das Verfahren nicht eingelassen und ist ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt worden, darf eine Entscheidung nur dann für vollstreckbar erklärt werden, wenn das Gericht feststellt, dass der Beklagte die Möglichkeit hatte, im Urteilsstaat einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen.b) Ob der Beklagte die Möglichkeit hatte, gegen eine ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, richtet sich nach dem Recht des Urteilsstaates. Maßgeblich ist, ob die Gerichte des Urteilsstaates einen vom Beklagten eingelegten Rechtsbehelf nach Maßgabe des von ihnen zu beachtenden Rechts entsprechend der tatsächlichen Auslegung und Anwendung dieses Rechts als zulässig behandelt hätten und dieser eine vollständige Überprüfung der Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglicht hätte.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Juni 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.281,57 € festgesetzt.

Normenkette:

Brüssel-I-VO Art. 34 Nr. 2; Brüssel-I-VO Art. 45;

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines polnischen Zahlungsbefehls. Sie macht Provisionsforderungen in Höhe von insgesamt 19.500 PLN gegen den in Deutschland wohnhaften Antragsgegner geltend. Zunächst erhob die Antragstellerin Klage beim Amtsgericht in Jelenia Góra in Polen über einen Teilbetrag von 9.750 PLN. Hierbei gab die Antragstellerin als ladungsfähige Anschrift die Adresse des Antragsgegners in Deutschland an. Der Antragsgegner bestellte in diesem Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten in Polen. Für die andere Hälfte der von ihr verlangten Provisionsforderung erhob die Antragstellerin eine zweite Klage beim Amtsgericht Jelenia Góra. In diesem Verfahren gab die Antragstellerin als ladungsfähige Anschrift des Antragsgegners die polnische Adresse des vom Antragsgegner im ersten Verfahren benannten Zustellungsbevollmächtigten an.

Das Amtsgericht Jelenia Góra ließ die Klageschrift im zweiten Verfahren an die von der Antragstellerin angegebene Anschrift in Polen zustellen. Am 4. April 2013 erließ das Amtsgericht Jelenia Góra im zweiten Verfahren einen Zahlungsbefehl, mit dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, an die Antragstellerin 9.750 PLN nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 22. Dezember 2012 sowie bestimmte Kosten des Prozesses zu bezahlen. Der Antragsgegner hat sich im zweiten Verfahren nicht eingelassen.

Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung des polnischen Zahlungsbefehls vom 4. April 2013 in Deutschland nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: EuGVVO aF) beantragt und hierzu beglaubigte und übersetzte Abschriften des Zahlungsbefehls sowie eine Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO aF vorgelegt. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts hat dem Antrag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht mit Maßgaben zur Höhe der Zinsen zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Antragsgegner weiter gegen die Vollstreckbarerklärung.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 EuGVVO aF, § 15 Abs. 1 AVAG , § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO ). Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Zahlungsbefehl sei in Polen vollstreckbar. Dies habe die Antragstellerin durch die Bescheinigung gemäß Art. 54 EuGVVO aF belegt. Anerkennungsversagungsgründe bestünden nicht.

Gemäß Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF sei es nicht erforderlich, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Es genüge, wenn der Antragsgegner noch Einspruch gegen den Zahlungsbefehl einlegen könne und ihm dies zumutbar sei. Die Einspruchsfrist beginne nach polnischem Recht erst mit der Zustellung des Zahlungsbefehls. Diese Frist sei mangels wirksamer Zustellung nicht in Lauf gesetzt worden. Soweit das polnische Gericht eine wirksame Zustellung bescheinigt habe, treffe dies nicht zu, weil die Zustellung nur an die Anschrift des im anderen Verfahren bestellten Zustellungsbevollmächtigten erfolgt sei. Die im Zuge der von der Antragstellerin begehrten Vollstreckbarerklärung in Deutschland erfolgten Zustellungen hätten die Rechtsmittelfrist in Polen nicht in Lauf gesetzt. Eine Einlegung eines Rechtsmittels sei dem Antragsgegner auch zumutbar gewesen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

a) Auf das Verfahren ist die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, weil das Verfahren vor dem 10. Januar 2015 eingeleitet worden ist (Art. 66 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen). Gemäß Art. 45 Abs. 1 EuGVVO aF in Verbindung mit Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF ist eine Entscheidung nicht anzuerkennen und demgemäß die Vollstreckbarerklärung zu versagen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.

b) Der Antragsgegner hat sich auf das Verfahren vor dem polnischen Gericht nicht eingelassen. Das Beschwerdegericht hat weiter festgestellt, dass dem Antragsgegner die das Verfahren einleitende Klageschrift nicht zugestellt worden ist. Maßgeblich sind die Zustellungsregeln, die der Urteilsstaat im Verhältnis zum Wohnsitzstaat des Schuldners zu beachten hat (BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - IX ZB 83/16, WM 2017, 2031 Rn. 17 mwN). Dies richtet sich gegenüber den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (fortan: EuZustVO), sofern der Empfänger eines gerichtlichen Schriftstücks im Ausland ansässig ist (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-325/11, Alder IPRax 2013, 157 Rn. 25). Die Zustellung an einen Dritten genügt den Anforderungen der Art. 4 ff, 12 ff EuZustVO auch dann nicht, wenn der Beklagte diesen Dritten in einem früheren Verfahren zwischen den Parteien zu seinem Zustellungsbevollmächtigten bestellt hatte. Das Beschwerdegericht hat auch nicht feststellen können, dass der Antragsgegner die Schriftstücke tatsächlich erhalten hat.

c) Hingegen hält die Annahme des Beschwerdegerichts, der Antragsgegner habe die Möglichkeit gehabt, einen Rechtsbehelf gegen die polnische Entscheidung einzulegen, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht ist insoweit von falschen Voraussetzungen ausgegangen und hat - wie die Beschwerde mit Recht rügt - die rechtlichen Anforderungen für die Feststellung des anzuwendenden polnischen Rechts verkannt.

aa) Ob es dem Beklagten möglich ist, gegen die ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, richtet sich nach dem Recht des Urteilsstaates. Im Streitfall ist daher entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Antragsgegner nach dem maßgeblichen polnischen Recht noch gegen den Zahlungsbefehl einen Rechtsbehelf in Polen einlegen konnte. Das Beschwerdegericht hat sich keine ausreichenden Informationen über das polnische Recht verschafft, um dieses Recht auslegen und anwenden zu können.

Das Beschwerdegericht hat das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 293 ZPO ). Dabei hat der deutsche Richter das ausländische Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet (BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 - II ZR 192/13, NJW 2014, 1244 Rn. 15; vom 7. Juni 2016 - KZR 6/15, BGHZ 210, 292 Rn. 70; Beschluss vom 13. September 2016 - VI ZB 21/15, BGHZ 212, 1 Rn. 55 mwN). Wie der Tatrichter sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Jedoch darf sich die Ermittlung des fremden Rechts nicht auf die Heranziehung der Rechtsquellen beschränken, sondern muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen. Der Tatrichter ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat. Er muss dabei die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen (BGH, Urteil vom 14. Januar 2014, aaO mwN). Vom Rechtsbeschwerdegericht wird insoweit lediglich überprüft, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2014, aaO mwN).

bb) Diesen Maßstäben hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.

(1) Dem angegriffenen Beschluss lässt sich schon nicht entnehmen, ob und auf welche Weise das Beschwerdegericht seiner Pflicht nachgekommen ist, den Inhalt des polnischen Rechts zu ermitteln. Im Gegenteil hat das Beschwerdegericht im Hinweisbeschluss vom 28. Juni 2016 darauf hingewiesen, dass es derzeit über keine hinreichenden Kenntnisse zum polnischen Recht verfüge. Soweit das Beschwerdegericht im angefochtenen Beschluss davon ausgeht, dass gegen den polnischen Zahlungsbefehl ein Einspruch gegeben sei, die zweiwöchige Einspruchsfrist gemäß § 502 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuches (fortan: ZVGB) mangels Zustellung nicht zu laufen begonnen habe und der Antragsgegner noch Einspruch habe einlegen können, hat es sich dabei ausschließlich auf den von der Antragstellerin mit einer Übersetzung vorgelegten Text vereinzelter Bestimmungen des ZVGB gestützt. Seine weitere Annahme, dass nur eine Auslandszustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 (EuZustVO) die Frist habe in Lauf setzen können, enthebt das Beschwerdegericht nicht seiner Pflicht, den Inhalt des polnischen Rechts zu ermitteln.

(2) Das Beschwerdegericht wählt im Hinblick auf die für Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF maßgebliche Frage, ob der Beklagte die Möglichkeit hatte, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen, den falschen Ausgangspunkt. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO aF erfordert die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-283/05, ASML, IPRax 2008, 519 Rn. 20; vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 38). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf das Ziel, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung zu erleichtern, nicht dadurch erreicht werden, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 - 49/84, Debaecker, RIW 1985, 967 Rn. 10; vom 3. Juli 1990 - C-305/88, Lancray, IPRax 1991, 177 , 178; vom 28. März 2000 - C-7/98, Krombach, IPRax 2000, 406 Rn. 43; vom 6. September 2012 - C-619/10, Trade Agency, IPRax 2013, 427 Rn. 41 f; vom 7. Juli 2016, aaO Rn. 34; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - C-325/11, Alder, IPRax 2013, 157 Rn. 35).

Soweit dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück - wie im Streitfall - nicht zugestellt worden ist, kommt eine Anerkennung der Entscheidung nur in Betracht, wenn ihm noch im Urteilsstaat ein effektiver Weg tatsächlich zur Verfügung stand, seine Rechte geltend zu machen. Dies bedingt, dass die Rechtsbehelfe eine vollständige Überprüfung der Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglichen müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 - C-300/14, Imtech Marine, IPRax 2016, 598 Rn. 38 zu Art. 19 EuVTVO ). Es kommt darauf an, ob der Beklagte seine Rechte wirksam vor dem Gericht des Ursprungsstaats hätte geltend machen können (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - C-283/05, ASML, IPRax 2008, 519 Rn. 48). Ausschlaggebend ist dabei, ob diese Möglichkeit tatsächlich bestand (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016 - C-70/15, Lebek, RIW 2016, 593 Rn. 47 f). Dies hat das Beschwerdegericht im Rahmen der Vollstreckbarkeitserklärung festzustellen.

Maßgeblich ist allein, ob der Antragsgegner nach dem Inhalt des polnischen Rechts, so wie es der polnische Richter auch im Hinblick auf die unmittelbar geltenden Vorschriften des europäischen Rechts auslegt und anwendet, tatsächlich in der Lage gewesen ist, gegen den Zahlungsbefehl noch einen zulässigen Einspruch oder einen anderen zulässigen Rechtsbehelf einzulegen, und dieser Rechtsbehelf eine vollständige Überprüfung der Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglicht hätte. Mithin hat das Beschwerdegericht festzustellen, wie ein polnisches Gericht über einen vom Antragsgegner gegen den Zahlungsbefehl erhobenen Einspruch nach Maßgabe des vom polnischen Gericht zu beachtenden Rechts entsprechend der tatsächlichen Auslegung und Anwendung dieses Rechts durch die polnischen Gerichte entschieden hätte. Solche Feststellungen fehlen. Tatsächlich hat das Beschwerdegericht nicht den Inhalt des polnischen Rechts in seiner tatsächlichen Auslegung und Anwendung ermittelt, sondern hat die in Polen unter der Adresse des früheren Zustellungsbevollmächtigten des Antragsgegners erfolgte Zustellung aufgrund einer eigenen Auslegung aus europarechtlichen Gründen für unwirksam gehalten und daraus den Schluss gezogen, dass deshalb auch für einen polnischen Richter die Einspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Dies führt dazu, dass die tatsächliche Möglichkeit eines Rechtsbehelfs sich nicht nach dem Maßstab der tatsächlichen Auslegung und Anwendung des Rechts durch die polnischen Gerichte richtet, sondern nach Maßstäben, die das Beschwerdegericht für richtig hält. Dies ist für die Beurteilung, ob dem Antragsgegner ein Rechtsbehelf in Polen noch möglich gewesen ist, unergiebig.

Soweit das Beschwerdegericht davon ausgeht, dass die Zustellung nach polnischem Recht keine Wirkungen entfalte, hat es den Inhalt des polnischen Rechts nicht aufgeklärt. Offen ist insbesondere, wie die polnischen Gerichte über die Wirksamkeit der Zustellung entscheiden und ob für den Einspruch nach polnischem Recht eine Höchstfrist besteht oder ein eingelegter Rechtsbehelf aus anderen Gründen nicht mehr zulässig ist. So erklärt das Beschwerdegericht nicht, warum die von der Antragstellerin vorgelegte Bescheinigung des polnischen Amtsgerichts Jelenia Góra vom 2. November 2015, wonach der Zahlungsbefehl dem Antragsgegner wirksam zugestellt worden sein soll, nach polnischem Recht ohne Bedeutung ist. Das Beschwerdegericht geht auch nicht - wie die Rechtsbeschwerde rügt - auf die Feststellung im Beschluss des Amtsgerichts Jelenia Góra vom 9. Juli 2013 ein, wonach der Zahlungsbefehl rechtskräftig sei, obwohl das Beschwerdegericht diesen Beschluss im anderen Zusammenhang - nämlich hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls - als zutreffende Darstellung des polnischen Rechts behandelt.

(3) Darüber hinaus lässt die Verfahrensweise des Beschwerdegerichts - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - befürchten, dass das Beschwerdegericht bei der Ermittlung des ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO eine Darlegungslast der Parteien annimmt. Die Ermittlung hat jedoch von Amts wegen zu erfolgen (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - VI ZR 105/07, BGHZ 177, 237 Rn. 7 mwN; Beschluss vom 30. April 2013 - VII ZB 22/12, WM 2013, 1225 Rn. 39). Dies gilt auch für die Frage, ob der Antragsgegner, nachdem ihm der Zahlungsbefehl im Rahmen des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung zugestellt wurde, nach den einschlägigen Vorschriften des polnischen Verfahrensrechts (noch) die rechtliche Möglichkeit hatte, einen statthaften Rechtsbehelf gegen den Zahlungsbefehl des Amtsgericht Jelenia Góra einzulegen. Dies ist nicht nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast zu beurteilen, weil ausländische Rechtsnormen Rechtssätze und keine Tatsachen sind. Sie sind deshalb nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, EuZW 2008, 251 Rn. 37). Eine prozessuale Beweisführungslast einer Partei für den Inhalt des ausländischen Rechts besteht im Rahmen des § 293 ZPO nicht. Nur der Umfang der Ermittlungspflicht kann durch den Vortrag der Parteien beeinflusst werden (BGH, Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 78/04, ZIP 2005, 478 , 480 unter II.1.b. mwN).

III.

Die Beschwerdeentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO ).

Vorinstanz: LG Essen, vom 09.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 20/15
Vorinstanz: OLG Hamm, vom 13.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen I-25 W 88/15
Fundstellen
EuZW 2018, 732
MDR 2018, 1231
ZInsO 2018, 1638