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BGH - Entscheidung vom 30.01.2018

II ZR 238/16

Normen:
ZPO § 520 Abs. 2

BGH, Urteil vom 30.01.2018 - Aktenzeichen II ZR 238/16

DRsp Nr. 2018/3598

Verwerfung der Berufung als unzulässig wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 23. August 2016 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 22. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Klägerin ist eine in Liquidation befindliche Publikumsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG. Der Beklagte trat der Klägerin mit Beitrittserklärung vom 1. April 2007 als Treugeberkommanditist mit einem Zeichnungsbetrag von 12.000 € zuzüglich 6 % Agio bei. Der Gesamtbetrag war gemäß einer Zusatzvereinbarung in Form einer Kontoeröffnungszahlung sowie in monatlichen Raten ab Mai 2007 zu leisten.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 ordnete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 KWG die Abwicklung der Klägerin an, die sich seitdem in Liquidation befindet. Ab März 2012 leistete der Beklagte keine Ratenzahlungen mehr.

Die Klägerin, vertreten durch den nach § 38 Abs. 2 KWG bestellten Abwickler, nimmt den Beklagten auf Zahlung noch offener Raten in Höhe von insgesamt 2.700 € nebst Zinsen in Anspruch. Hilfsweise begehrt sie die Feststellung, dass in die Abfindungsrechnung der Parteien als unselbständiger Abrechnungsposten zu ihren Gunsten eine Einlageforderung von 2.700 € nebst Zinsen einzustellen sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten auf die Berufung der Klägerin unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und teilweiser Abweisung des Zinsanspruchs zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Verwerfung der Berufung der Klägerin als unzulässig (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ). Die Klägerin hat ihre Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet (§ 520 Abs. 2 ZPO ).

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom Revisionsgericht von Amts wegen unabhängig von den Anträgen der Parteien zu prüfende Prozessvoraussetzung. Bei dieser Prüfung hat das Revisionsgericht den maßgeblichen Sachverhalt selbst festzustellen und zu würdigen, ohne an Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2017 - III ZR 368/16, ZIP 2017, 1026 Rn. 14 mwN).

2. Die Berufung der Klägerin ist wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässig (§ 520 Abs. 2 ZPO ).

Die innerhalb der bis zum 26. Oktober 2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist bei Gericht per Telefax eingegangene Berufungsbegründung der Klägerin war unvollständig. Es wurden nur die Seiten 1, 3 und 5 des sechsseitigen Begründungsschriftsatzes, diese allerdings doppelt, mittels Telefax übermittelt, nicht aber die Seiten 2, 4 und die letzte Seite 6 mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Das vollständige Original des Schriftsatzes ist erst nach Fristablauf am 27. Oktober 2015 bei Gericht eingegangen.

Damit fehlte insbesondere die gemäß § 520 Abs. 5 , § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift der Berufungsbegründung durch einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Hierbei handelt es sich um ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1962 - II ZR 173/60, BGHZ 37, 156 , 160; Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028 ; Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364 ).

Das Fehlen einer Unterschrift kann zwar ausnahmsweise unschädlich sein, wenn aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte in der Berufungsinstanz die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364 ). Dafür lagen hier aber im Zeitpunkt des Fristablaufs keine Anhaltspunkte vor.

3. Dieser Mangel ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch rügelose Einlassung des Beklagten in der Berufungsinstanz gemäß § 295 Abs. 1 ZPO geheilt worden.

Unabhängig davon, ob der Beklagte Kenntnis von der Fristversäumung hatte und insoweit überhaupt ein rügeloses Verhandeln angenommen werden könnte, sind die Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmittelschriften, namentlich die Wahrung von Rechtsmittelfristen, grundsätzlich einer Heilung entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1988 - II ZR 129/88, NJW-RR 1989, 441 ; BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 - 5 AZR 849/13, NJW 2015, 3533 Rn. 28). Rechtsmittel sind nicht nur zum Schutz des Gegners, sondern vor allem auch im öffentlichen Interesse fristgebunden. Aus diesem Grund kann es auch nicht der Gegenpartei überlassen werden, ob Mängel, mögen sie die Form der Rechtsmittelschrift, ihren vorgeschriebenen Inhalt oder sonstige Voraussetzungen der Fristwahrung betreffen, zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1975 - VIII ZR 254/74, BGHZ 65, 46 , 48; Urteil vom 3. Juni 1987 - VIII ZR 154/86, BGHZ 101, 134 , 140 f.; Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045 , 2046). Das gilt insbesondere für die Unterschrift als zwingendes Wirksamkeitserfordernis einer formgültigen Berufungsbegründung. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlungen ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, BB 2003, 1199 ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 30. Januar 2018

Vorinstanz: AG München, vom 22.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 242 C 3419/15
Vorinstanz: LG München I, vom 23.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 13 S 14335/15