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BGH - Entscheidung vom 08.01.2018

AnwZ (Brfg) 50/17

Normen:
BRAO § 7 Nr. 5
BRAO § 112e S. 2
VwGO § 124a Abs. 4

Fundstellen:
AnwBl 2018, 147

BGH, Beschluss vom 08.01.2018 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 50/17

DRsp Nr. 2018/1982

Versagung der Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Unwürdigkeit; Abwägung des berechtigten Interesses nach beruflicher und sozialer Eingliederung und des durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit an der Integrität des Anwaltsstandes

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Diese Voraussetzung ist bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erfüllt, da der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, dass ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt.

Tenor

Auf Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das am 14. Juli 2017 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen zugelassen.

Normenkette:

BRAO § 7 Nr. 5 ; BRAO § 112e S. 2; VwGO § 124a Abs. 4 ;

Gründe

I.

Der Kläger ist seit Mai 2007 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Das Amtsgericht E. setzte mit - seit dem 2. Juni 2016 rechtskräftigem - Strafbefehl vom 10. März 2015 gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100 € fest. In dem Strafbefehl ist als Tatzeit der 31. Mai 2014 angegeben.

Mit Bescheid vom 25. November 2015 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid blieb erfolglos (siehe Senatsbeschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris).

Am 20. Januar 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10. März 2017 ab, da ein Versagungsgrund nach § 7 Nr. 5 BRAO vorliege. Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 , § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ). Die Antragsbegründung stellt mit schlüssigen Argumenten in Frage, ob die Voraussetzungen einer Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 Nr. 5 BRAO noch gegeben sind.

a) Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Die mit der Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verbundene Einschränkung der freien Berufswahl ist nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2017 - 1 BvR 1822/16, juris Rn. 25; Senat, Urteil vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 10/10, juris Rn. 13 f.; Beschluss vom 10. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 55/14, juris Rn. 5). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, dass ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände - wie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt (vgl. BVerfG, aaO; Senat, Beschluss vom 10. Februar 2015, aaO). Dabei sind das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden an der Integrität des Anwaltsstandes, das in der Regel nur im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege von Belang sein kann, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen (BVerfG, aaO).

Im Rahmen der Prognoseentscheidung, die im Hinblick auf die Beeinträchtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlichkeit zu erstellen ist (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 27, 29), hat die Frage Bedeutung, wie viele Jahre zwischen einer Verfehlung, die seinerzeit die Unwürdigkeit begründete, und dem Zeitpunkt der (Wieder-)Zulassung liegen. Diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Bindende feste Fristen gibt es nicht. Vielmehr sind alle für und gegen den jeweiligen Bewerber sprechenden Umstände einzelfallbezogen zu gewichten (Senat, Urteil vom 10. Oktober 2011; Beschluss vom 10. Februar 2015; jeweils aaO). Wurde die Unwürdigkeit durch die Begehung von Straftaten seitens des Rechtsanwalts begründet, ist neben der seit der Begehung der letzten Straftat vergangenen Zeitspanne zu berücksichtigen, ob der Bewerber sich in der Zwischenzeit auch ansonsten untadelig geführt hat (Senat, Beschlüsse vom 10. Februar 2015, aaO, Rn. 6 und vom 4. April 2005 - AnwZ (B) 21/04, juris Rn. 9).

b) Von diesem Maßstab ist der Anwaltsgerichtshof zwar ausgegangen. Dabei hat er in die Prüfung, ob sich der Kläger eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben, die vom Kläger begangene Steuerhinterziehung einbezogen. Die vor dreieinhalb Jahren begangene Tat hat er zutreffend als eher leichtere Tat bewertet. Der Anwaltsgerichtshof hat auch das große Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Wiederzulassung erkannt und berücksichtigt, dass er sich nach der Tat bis zur Rechtskraft des Widerrufs seiner Zulassung wegen Vermögensverfalls nichts hat zuschulden kommen lassen. Zu Lasten des Klägers hat er allein die - nicht sehr schwerwiegende - Zeichnung der Kostennote vom 25. Januar 2017 mit der Bezeichnung "Rechtsanwalt" durch den Kläger gewertet.

Bedenken begegnen indes die Ausführungen des Anwaltsgerichthofs, nach denen in Abwägung der vorgenannten Umstände ein Zeitablauf von rund dreieinhalb Jahren seit Tatende noch nicht ausreichend sei, um der durch die abgeurteilte Tat begründeten Unwürdigkeit in einem Maße die Bedeutung zu nehmen, dass eine Wiederzulassung schon in Betracht komme. Der Anwaltsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang nicht hinreichend geprüft, ob und in welchem Maße bei einer Wiederzulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft das Interesse der Öffentlichkeit an der Integrität des Anwaltsstandes, insbesondere an einer funktionierenden Rechtspflege, beeinträchtigt wäre. Es bestehen daher ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung.

Offen bleiben kann, ob die Zulassung der Berufung auch aufgrund der weiteren vom Kläger geltend gemachten Gründe angezeigt ist.

III.

Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO ).

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 14.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 28/17
Fundstellen
AnwBl 2018, 147