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BGH - Entscheidung vom 15.02.2018

III ZR 297/16

Normen:
ZPO § 544 Abs. 7
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 15.02.2018 - Aktenzeichen III ZR 297/16

DRsp Nr. 2018/4019

Vergütung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Markteinführung eines Zertifikates

Eine Nichtzulassungsbeschwerde führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht, weil das Berufungsgericht den entscheidungserheblichen Sachvortrag einer Partei außer Acht gelassen hat.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. April 2016 - 23 U 158/14 - gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 36.250 €

Normenkette:

ZPO § 544 Abs. 7 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin, eine Werbeagentur, verlangt von der Beklagten, einer in der Lebensmittelproduktion tätigen Gesellschaft polnischen Rechts, Vergütung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Markteinführung des von der Help Food Sp. z.o.o. vertriebenen "Vita Menü Zertifikats".

Der Geschäftsführer der Beklagten S. ist zugleich Geschäftsführer der - mittlerweile in Liquidation befindlichen - Help Food. Eine schriftliche Vereinbarung über die von der Geschäftsführerin der Klägerin D. und der Zeugin W. erbrachten Leistungen wurde nicht getroffen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es stehe aufgrund der Vernehmung der Zeugin W. weder die Aktivlegitimation der Klägerin noch die Passivlegitimation der Beklagten fest.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es würdige die Aussage der Zeugin ebenso wie das Landgericht dahingehend, dass sich S. am 3. Juli 2011 für die Zeit von April bis Dezember 2011 mit der Zahlung einer monatlichen Vergütung von 2.500 € für Leistungen der Geschäftsführerin der Klägerin und der Zahlung weiterer 2.500 € pro Monat für die ab Juli 2011 hinzukommenden Leistungen der Zeugin einverstanden erklärt habe. Zwar habe die Vorinstanz Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage angedeutet. Im Ergebnis habe sie aber nicht das Zustandekommen einer Vergütungsvereinbarung als solcher, sondern eine Beauftragung gerade der Klägerin und gerade durch die Beklagte als nicht erwiesen angesehen. Mit dieser Würdigung der Zeugenaussage sei der Sachverhalt aber nicht ausgeschöpft. Denn es ergebe sich - was das Landgericht nicht berücksichtigt habe - schon aus den gesamten Umständen des Falles unabhängig von der Aussage der Zeugin, dass hier nur eine Vertragsbeziehung zwischen den Parteien des Rechtsstreits zustande gekommen sein könne. Zu diesen Umständen gehöre insbesondere die Tatsache, dass unstreitig bereits eine Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten bestanden habe, aufgrund derer Leistungen in Rechnung gestellt und von einem Konto der Beklagten bezahlt worden seien. Wenn die Geschäftsführer der Parteien vor diesem Hintergrund Vereinbarungen über weitere gleichartige Leistungen und deren Vergütung träfen, dränge sich die Annahme auf, dass auch dieser Vertrag zwischen den bisherigen Vertragspartnern habe geschlossen werden sollen, da anderenfalls eine entsprechende Klarstellung zu erwarten gewesen wäre. Dies gelte auch für den Erwerb eines eigenen Vergütungsanspruchs der Zeugin für die von ihr erbrachten Leistungen, der in dem Gespräch vom 3. Juli 2011 hätte zur Sprache kommen müssen.

II.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG .

Mit Erfolg macht die Beschwerde geltend, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 22. Januar 2014 und vom 2. April 2015 außer Acht gelassen hat. Dort ist im Einzelnen dargelegt, dass die Anlagen K 1, K 3, K 5, K 9 und K 50 jeweils Hinweise darauf enthalten, dass S. die Verhandlungen für die Help Food und nicht für die Beklagte führte. So wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass auf der Anlage K 1 (Ausdruck einer Mail von D. an D. B. vom 30. Januar 2011) handschriftlich "Rechnungsanschrift Help Food z.o.o. D. B. (es folgt die postalische Anschrift der Help Food)" vermerkt ist, auf Seite 2 der Anlage K 3 (Präsentationsunterlage mit dem Copyright von D. und W. ) unter "Unsere Kontraktbedingungen" ein "Exklusiver Kontrakt für 2 Jahre mit Help Food" und eine "Haushaltsverfügung durch Help Food … bis zum Ende 2011 Startphase" erwähnt werden, auf Seite 2 der Anlage K 5 (mit dem Logo der Klägerin versehenes Protokoll eines Treffens der Beteiligten am 26. August 2011) von einem "Vorschlag zum Vertrag zwischen Help Food, M. D. und P. W. " die Rede ist, die Anlage K 9 (von S. unterzeichnetes Schreiben vom 29. Dezember 2011) als Absender die Help Food ausweist und die Anlage K 50 (Ausdruck einer Mail der Zeugin F. an D. und W. vom 14. September 2011) die Absenderadresse "m. @helpfood.eu" trägt.

Mit diesen, für eine Passivlegitimation der Help Food und nicht der Beklagten sprechenden Hinweisen hat sich das Berufungsgericht nicht auseinander gesetzt. Zwar hat es seine Auffassung, dass zwischen den Parteien eine Vertragsbeziehung zustande gekommen sei, erklärtermaßen nicht auf die auch aus seiner Sicht insoweit nicht überzeugende beziehungsweise unergiebige erstinstanzliche Aussage der Zeugin W. , sondern auf eine davon unabhängige Würdigung der gesamten Umstände des Falles gestützt, die nur den von ihm gezogenen Schluss zulasse. Diese Gesamtwürdigung hat das Berufungsgericht aber nicht vorgenommen, sondern vielmehr als einziges Indiz berücksichtigt, dass bereits früher, nämlich in Bezug auf das von der Beklagten selbst vertriebene Produkt "Econdimenta Gewürzmischungen", eine Vertragsbeziehung zwischen den Parteien bestanden hat. Gänzlich unbeachtet gelassen hat es dagegen die aufgeführten, von der Klägerin selbst vorgelegten und gegen die Passivlegitimation der Beklagten sprechenden Unterlagen, mit denen es sich aber im Hinblick auf deren deutliche Indizwirkung zwingend hätte auseinander setzen müssen. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass die Gesamtwürdigung des Berufungsgerichts anders ausgefallen wäre, wenn es die übergangenen Umstände berücksichtigt hätte.

Das gleiche gilt - was die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings nicht rügt - für den Umstand, dass sich die Tätigkeit der Klägerin auf das nicht von der Beklagten, sondern von der Help Food vertriebene Produkt "Vita Menü Zertifikat" bezog. Diese Tatsache könnte für die Zuordnung des Handelns des eine Doppelfunktion als Geschäftsführer sowohl der Beklagten als auch der Help Food wahrnehmenden S. nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts bedeutsam sein.

2. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit dem weiteren Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde zu befassen, auf das einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 19.09.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 22 O 338/13
Vorinstanz: KG, vom 27.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 23 U 158/14