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BGH - Entscheidung vom 10.07.2018

3 StR 249/18

Normen:
StGB § 64 S. 1

BGH, Beschluss vom 10.07.2018 - Aktenzeichen 3 StR 249/18

DRsp Nr. 2018/10675

Unterbringung eines Täters in einer Entziehungsanstalt durch den Hang zur Einnahme von alkoholischen Getränken oder anderen berauschenden Mitteln im Übermaß

Der Umstand, dass ein Angeklagter bis zu seiner Inhaftierung täglich bis zu 15 Flaschen Bier zu je 0,3 Liter bzw. 2-3 Flaschen Whiskey pro Wochen konsumierte, legt den Schluss nahe, dass er einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB hat, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Hierfür genügt eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische oder physische Abhängigkeit bestehen.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 30. Januar 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von einer Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 64 S. 1;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die er auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil hält jedoch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

a) Das Landgericht hat seinen Feststellungen zum Konsumverhalten des Angeklagten dessen eigene Angaben zu Grunde gelegt, wonach er bis zu seiner Inhaftierung täglich zeitweise bis zu vier Tabletten Diazepam oder zwei Tabletten Rivotril, ein Benzodiazepin, einnahm. Wenn er diese nicht bekam, trank er 15 Flaschen Bier zu je 0,3 Liter täglich oder auch zwei bis drei Flaschen Whiskey pro Woche. Auch die abgeurteilte Tat beging der Angeklagte nach dem Konsum von Whiskey mit der geleerten Whiskeyflasche. Zum Tatzeitpunkt hatte er eine Blutalkoholkonzentration von bis zu 1,94 ‰. Zwar war er nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen weder in seiner Einsichts- noch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Nach der wiedergegebenen Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen sei aufgrund seiner Angaben bei dem Angeklagten jedoch ein schädlicher Gebrauch von Sedativa und Alkohol zu diagnostizieren. Das Landgericht hat ihm ferner zugutegehalten, dass er bei der Tat infolge des konsumierten Alkohols enthemmt war.

b) Angesichts dieser Umstände liegt es nicht fern, dass der Angeklagte einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB hat, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Hierfür genügt eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine psychische oder physische Abhängigkeit bestehen muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. August 2016 - 3 StR 287/16, juris Rn. 3 mwN). Den Urteilsgründen lässt sich auch nicht entnehmen, dass die weiteren Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht gegeben sind.

c) Auf eine fehlende Beschwer des Angeklagten, der die Nichtanordnung des § 64 StGB - auch nach der Stellungnahme des Generalbundesanwalts - nicht von seinem Revisionsangriff ausgenommen hat, kommt es insoweit nicht an (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO ; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08, NStZ 2009, 261 ).

2. Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss daher - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO ) - neu verhandelt und entschieden werden.

Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch indes unberührt. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf eine mildere Strafe erkannt hätte.

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 30.01.2018