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BGH - Entscheidung vom 28.05.2018

1 StR 169/18

Normen:
StGB § 24 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 28.05.2018 - Aktenzeichen 1 StR 169/18

DRsp Nr. 2018/10039

Strafbefreiender Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung

Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder (subjektiv) die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Das Tatgericht hat die Feststellungen zu einem Fehlschlag des Vergewaltigungsversuchs hinreichend beweiswürdigend zu unterlegen, dass der Angeklagte eine Vollendung im unmittelbaren Handlungsfortgang nicht mehr für möglich hielt.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Dezember 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 24 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO ).

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Die Geschädigte befand sich nach Schichtende gegen Mitternacht auf dem Weg vom E. Fleischwerk in R. nach Hause. Auf dem außerhalb der Ortschaft gelegenen, unbeleuchteten sowie um die Uhrzeit menschenleeren K. weg forderte der Angeklagte die Geschädigte auf, mit ihm "Sex" zu machen, sonst werde er sie mit dem Messer abstechen. Außerdem warte ein Kumpel in der Nähe. Zur Untermauerung seiner Forderung hielt er zunächst eine Hand so hinter dem Rücken versteckt, als ob er dort ein Messer bereit halte, und stieß der Geschädigten, als diese vorgab, aus sprachlichen Gründen nicht zu verstehen, was ein Messer sei, mit der Faust in den Bauch, als ob er zustechen werde. Zusätzlich bot er der Geschädigten an, für den "Sex" mit ihr zu zahlen. Die Geschädigte bemerkte daraufhin, dass der Angeklagte kein Messer bei sich führte und auch kein Kumpel in der Nähe wartete. Um dem körperlich überlegenen Angeklagten zu entkommen, ging sie zum Schein auf dessen Begehren ein. Der Angeklagte zog seine Hose bis zu den Knien herab und stand mit erigiertem Penis dicht vor der Geschädigten. Die Geschädigte stieß den Angeklagten mit einem Schubs gegen dessen Oberkörper von sich und floh, wobei der Träger ihres Büstenhalters zerriss, als der Angeklagte, der nicht von seinem Plan ablassen wollte, nach ihr griff, um sie zurückzuhalten. Die Geschädigte flüchtete auf dem K. weg in Richtung des E. Fleischwerks, versteckte sich zunächst hinter Müllcontainern, die vor der Umzäunung einer in der Nähe des Tatorts befindlichen ehemaligen unbewohnten Flüchtlingsunterkunft am K. weg standen, und lief sodann zum Fleischwerk zurück.

Das Landgericht hat einen fehlgeschlagenen Versuch angenommen, da der Angeklagte, der seinem Opfer aufgrund der bis zu den Knien heruntergelassenen Hose nicht sofort folgen konnte, erkannte, dass sein Vorhaben, die Geschädigte mittels Androhung von Gewalt zum Geschlechtsverkehr mit ihm zu zwingen, gescheitert war. Er verließ deshalb den Tatort, ohne der Geschädigten weiter nachzusetzen.

2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch (§ 24 Abs. 1 StGB ) abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder (subjektiv) die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - 1 StR 735/13, NStZ-RR 2014, 201 , 202 sowie Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156 , 157 f. jeweils mwN).

Die Feststellungen zu einem Fehlschlag des Vergewaltigungsversuchs sind nicht hinreichend beweiswürdigend unterlegt. Das Landgericht hat zwar festgestellt, der Angeklagte habe erkannt, dass sein Vorhaben gescheitert sei, da er der Geschädigten nicht sofort folgen konnte. Dass der Angeklagte eine Vollendung im unmittelbaren Handlungsfortgang nicht mehr für möglich hielt, hat es allerdings weder in der Beweiswürdigung noch in der rechtlichen Würdigung näher belegt. Denn der Angeklagte hat sich ausweislich der Urteilsgründe dahingehend eingelassen, er habe "der Frau nicht gleich folgen können und habe dann beschlossen, von seinem Vorhaben, mit der Angeklagten "Sex" zu haben, abzulassen" (UA S. 8). Daraus ergibt sich aber nicht eindeutig, dass der Angeklagte das Vorhaben im unmittelbaren Handlungsfortgang für endgültig gescheitert hielt. Die Formulierung kann vielmehr auch dahin verstanden werden, dass der Angeklagte die - ihm weiterhin möglich erscheinende - Vollendung der Tat aufgrund eines autonomen Entschlusses aufgegeben hat. Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Umstände das Landgericht zu der Annahme gelangt ist, der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass zur Herbeiführung des Erfolgs ein erneutes Ansetzen erforderlich sei. So fehlen insbesondere konkrete Feststellungen zu den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen in der Situation, als die Geschädigte sich von dem Angeklagten losgerissen hat, in die Dunkelheit geflohen ist und sich hinter Mülltonnen verborgen hat, sowie zu den Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in dieser Situation.

3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen. Das neue Tatgericht wird dabei weitergehendere Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten zu treffen haben.

Vorinstanz: LG Karlsruhe, vom 13.12.2017