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BGH - Entscheidung vom 11.10.2018

I ZR 156/16

Normen:
MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2

BGH, Urteil vom 11.10.2018 - Aktenzeichen I ZR 156/16

DRsp Nr. 2018/17837

Schutzfähigkeit der Marke nach Löschung der Eintragung in das Markenregister hinsichtlich Markenrechtsverletzung; Verwechslungsgefahr zwischen der Marke und der angegriffenen Verpackung "Capri Sonne" mit "Sun Blast Organic"

Ist rechtskräftig festgestellt, dass eine Marke von Anfang an nicht zu Recht bestanden hat, weil ihrer Eintragung in das Markenregister das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden hat, so können aus ihr keine Ansprüche gegen vermeintliche Verletzer erwachsen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 3. Zivilsenat und Kartellsenat - vom 14. Juni 2016 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 4. Kammer für Handelssachen - vom 19. August 2015 wird zurückgewiesen, soweit das Landgericht die auf die Marke der Beklagten gestützten Widerklageanträge abgewiesen hat.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 2 ; MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 ;

Tatbestand

Die Beklagte und Widerklägerin (im Folgenden: Beklagte) stellt seit 1969 das in Standbeuteln abgefüllte Fruchtsaftgetränk "Capri Sonne" her und vertreibt es. Sie ist Inhaberin der am 23. Februar 1995 angemeldeten und am 5. September 1996 vom Deutschen Patent- und Markenamt für die Warenklasse 32 (alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare) eingetragenen dreidimensionalen Marke Nr. 395 08 178 in Form eines silbernen Standbeutels:

Die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Klägerin bot im Februar 2014 auf der in Nürnberg stattfindenden Messe "BIOFACH" ein in Standbeuteln unter dem Namen "Sun Blast Organic" abgefülltes Fruchtsaftgetränk an. Der Standbeutel war wie nachstehend wiedergegeben gestaltet:

Das Hauptzollamt Nürnberg beschlagnahmte auf Veranlassung der Beklagten die auf dem Messestand der Klägerin ausgestellten Standbeutel wegen der Verletzung der Marke der Beklagten.

Die Klägerin hat Klage auf Feststellung der Nichtverletzung der Marke der Beklagten sowie auf Freistellung von den Kosten einer vorgerichtlichen Gegenabmahnung erhoben. Die Beklagte hat die Klägerin im Wege der Widerklage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Daraufhin haben die Parteien den Feststellungsantrag der Klägerin übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beklagte stützt die Widerklage in erster Linie auf ihre Marke, hilfsweise auf Wettbewerbsrecht. Das Landgericht hat die Beklagte zur Freistellung der Klägerin von den Kosten der Gegenabmahnung verurteilt und die Widerklage abgewiesen.

Mit Beschluss vom 21. August 2014 hat das Deutsche Patent- und Markenamt die Löschung der Marke der Beklagten mit der Begründung angeordnet, ihrem Schutz stehe das Schutzhindernis der technisch bedingten Form gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Das Berufungsgericht hat dem Antrag der Klägerin, den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Löschungsverfahrens auszusetzen, nicht entsprochen. Es hat auf die Berufung der Beklagten der Widerklage stattgegeben und die Klage abgewiesen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 6. April 2017 auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin die Revision zugelassen und das Revisionsverfahren ausgesetzt, nachdem das Bundespatentgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2017 die Beschwerde der Beklagten gegen die die Löschung der Marke der Beklagten anordnende Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen hatte (26 W [pat] 63/14, juris). Die von der Beklagten gegen diese Entscheidung eingelegte zulassungsfreie Rechtsbeschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2018 - I ZB 68/17, MarkenR 2018, 389 ).

Die Klägerin erstrebt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagten stünden der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 , Abs. 3 und 5 MarkenG sowie die darauf bezogenen Folgeansprüche gemäß § 19 Abs. 1 und 3 , § 14 Abs. 6 MarkenG zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Es bestehe unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen der Marke der Beklagten und der angegriffenen Verpackung. Die Klägerin benutze die angegriffene Standbodenbeutelform markenmäßig. Bei der Marke der Beklagten handele es sich um ein verkehrsdurchgesetztes Zeichen mit durchschnittlicher Kennzeichnungskraft. Es bestehe Warenidentität. Zudem seien sich die Standbeutel der Parteien hochgradig ähnlich. Die Klägerin habe ihr Produkt durch seine Ausstellung auf der Messe "BIOFACH" in Nürnberg beworben und in den Verkehr gebracht. Da ihre Abmahnung nicht berechtigt gewesen sei, stehe ihr kein Anspruch auf Erstattung der dadurch verursachten Kosten zu.

II. Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

1. Markenrechtliche Ansprüche der Beklagten scheiden aus, weil die Anordnung des Deutschen Patent- und Markenamts, die Marke der Beklagten zu löschen, im Laufe des Revisionsverfahrens infolge des Senatsbeschlusses vom 9. Mai 2018 rechtskräftig geworden ist. Diese nach der Verkündung des Berufungsurteils (14. Juni 2016) eingetretene Veränderung der Schutzrechtslage ist auch noch in der Revisionsinstanz zu beachten (BGH, Urteil vom 24. Februar 2000 - I ZR 168/97, GRUR 2000, 1028 , 1030 [juris Rn. 41] = WRP 2000, 1148 - Ballermann; zum vergleichbaren Fall der Löschung eines Geschmacksmusters: BGH, Urteil vom 15. Juli 2004 - I ZR 142/01, GRUR 2004, 941 f. [juris Rn. 15] = WRP 2004, 98 - Metallbett). Es ist rechtskräftig festgestellt, dass die Marke der Beklagten von Anfang an nicht zu Recht bestanden hat, weil ihrer Eintragung in das Markenregister das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden hat. Daher können aus ihr keine Ansprüche gegen vermeintliche Verletzer erwachsen.

2. Es kann aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage begründet sind. Die Beklagte hat die Widerklage hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz (§ 4 Nr. 9 UWG aF, § 4 Nr. 3 UWG ), gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG aF, § 4 Nr. 4 UWG ) und Irreführung (§ 5 Abs. 2 UWG ) gestützt. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Soweit es die auf die Marke der Beklagten gestützte Widerklageanträge angeht, ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO ) und die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen. Im übrigen Umfang der Aufhebung ist die Sache, da sie insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 11. Oktober 2018

Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 19.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 4 HKO 4543/14
Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 14.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 1901/15