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BGH - Entscheidung vom 23.10.2018

III ZB 50/18

Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 23.10.2018 - Aktenzeichen III ZB 50/18

DRsp Nr. 2018/17163

Schadensersatzanspruch und Zahlung von Schmerzengeld wegen eines Sturzes bei einem Friedhofsbesuch durch Verletzung von Verkehrssicherungspflichten bzgl. Mitverschuldens

Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, ist eine Berufungsbegründung nur dann geeignet, das gesamte klageabweisende Urteil infrage zu stellen, wenn sie jede dieser Erwägungen konkret angreift. Anderenfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. April 2018 - 9 U 80/16 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Streitwert für die Rechtsbeschwerde beträgt 11.500 €.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen eines Sturzes bei einem Friedhofsbesuch unter dem Vorwurf der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auf den Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Kammergericht als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO ).

1. Das Berufungsgericht hat zur Unzulässigkeit der Berufung ausgeführt: Das Landgericht habe seine Klageabweisung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, nämlich auf das Fehlen einer Pflichtverletzung des Beklagten und auf ein anspruchsausschließendes Mitverschulden des Klägers. Die Berufungsbegründung habe sich jedoch nur mit der Frage der Pflichtverletzung des Beklagten und nicht - wie geboten - auch mit dem Mitverschulden des Klägers befasst.

2. Diese Würdigung befindet sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Berufungsbegründung nur dann geeignet, das gesamte klageabweisende Urteil infrage zu stellen, wenn sie jede dieser Erwägungen konkret angreift. Anderenfalls ist das Rechtsmittel unzulässig. Der Grund hierfür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist (s. z.B. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 - VI ZB 26/14, NJW-RR 2015, 756 Rn. 8 und Urteil vom 18. Januar 2018 - IX ZR 31/15, NZI 2018, 325 f Rn. 7, jeweils mwN). Ausnahmsweise kann der Angriff gegen einen selbstständigen Abweisungsgrund genügen, wenn dieser aus Rechtsgründen auch den anderen Abweisungsgrund zu Fall bringt (BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 aaO S. 326 Rn. 7 mwN).

b) Hiernach hat das Kammergericht die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.

aa) Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dem Beklagten bei einer Gehwegunebenheit (Überstand/Kante) von nur 2,5 cm keine Pflichtverletzung anzulasten sei, und ferner ausgeführt, soweit der Kläger geltend mache, dass die Schadstelle so deutlich und eklatant sei, dass sie habe entdeckt und behoben werden müssen, trage er zugleich ein eigenes überwiegendes, die Haftung des Beklagten ausschließendes Mitverschulden vor. Damit hat es seine klageabweisende Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt. Die Berufungsbegründung des Klägers vom 24. Oktober 2016 hat sich demgegenüber allein mit der Frage der Pflichtverletzung des Beklagten, nicht jedoch auch mit dem Einwand des (anspruchsausschließenden) Mitverschuldens befasst.

bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann dem Inhalt der Berufungsbegründung kein konkreter Angriff gegen die Annahme eines anspruchsausschließenden Mitverschuldens des Klägers entnommen werden. Der Kläger hat darin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Höhenunterschied zumindest 3,5 cm betragen und eine reaktionspflichtige Gefahr vorgelegen habe. Die Bemerkung, der Kontrolleur des Beklagten habe die Gefahrenstelle offenbar "nicht gesehen" (weil er sie sonst hätte feststellen müssen), bezog sich allein auf den Vorwurf der Pflichtverletzung des Beklagten und enthielt nicht etwa die Behauptung, die Gefahrenstelle sei allgemein, insbesondere auch für den Kläger, schlecht sichtbar gewesen. Auch der Hinweis auf die überwiegende Wegenutzung durch "Ältere und nicht mehr ganz so trittsichere Personen" betraf lediglich die Frage der Pflichtverletzung des Beklagten. Dass der Kläger damit etwa ein eigenes Mitverschulden in Abrede nehmen wollte, weil er selbst älter und "nicht mehr so ganz trittsicher" sei, kam hierin nicht zum Ausdruck.

cc) Der Berufungsangriff gegen die Ablehnung einer Pflichtverletzung des Beklagten vermochte schließlich auch nicht aus Rechtsgründen die Annahme eines anspruchsausschließenden Mitverschuldens des Klägers zu Fall zu bringen. Zum einen setzt ein Mitverschulden des Geschädigten das Vorliegen einer (haftungsbegründenden) Pflichtverletzung des Anspruchsgegners voraus. Zum anderen brachte der Kläger in seiner Berufungsbegründung zum Ausdruck, dass die Gefahrenstelle als solche deutlich zu erkennen gewesen sei und daher von dem Beklagten habe beseitigt werden müssen. Die deutliche Erkennbarkeit einer Gefahrenstelle ist indes ein Gesichtspunkt, welcher der Annahme eines (ggfs. anspruchsausschließenden) Mitverschuldens des Geschädigten nicht entgegensteht, sondern - im Gegenteil - für ein solches Mitverschulden spricht.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 11.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 86 O 118/16
Vorinstanz: KG, vom 20.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 80/16