Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 25.09.2018

XI ZB 7/17

Normen:
BGB § 812 Abs. 1
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 25.09.2018 - Aktenzeichen XI ZB 7/17

DRsp Nr. 2018/15875

Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach dem Widerruf der auf den Abschluss von zwei Darlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen; Anforderungen an die Berufungsbegründung

Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Dezember 2016 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 15.656,81 €.

Normenkette:

BGB § 812 Abs. 1 ; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Bank nach dem Widerruf seiner auf den Abschluss von zwei Darlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch.

Der Kläger und seine damalige Lebensgefährtin schlossen im März 2006 mit der Beklagten zwei Darlehensverträge. Am 16./21. Januar 2012 vereinbarten die Vertragsparteien die vorzeitige Aufhebung der Darlehensverträge zum 31. Januar 2012 gegen Zahlung von 211.280,82 €. In diesem Betrag war eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 15.656,81 € enthalten. Unter dem 19. März 2015 widerrief der Kläger seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keinen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 BGB auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung. Diese habe der Beklagten aufgrund der Vertragsaufhebung vom 21. Januar 2012 gemäß § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB zugestanden. Auf einen auf dem Widerruf beruhenden Erstattungsanspruch habe der Kläger verzichtet. Nach der in der Aufhebungsvereinbarung enthaltenen Abgeltungsklausel, die AGB-rechtlichen Wirksamkeitsbedenken nicht begegne, seien mit dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung alle Ansprüche auf Rückzahlung der darin genannten Beträge abgegolten. Ungeachtet dessen fehle es an einem wirksamen Widerruf des Klägers. Sein Widerrufsrecht sei verwirkt.

In der Berufungsbegründung wendet sich der Kläger unter Zitierung des Senatsurteils vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 ff. gegen die Auffassung des Landgerichts, das Widerrufsrecht des Klägers sei verwirkt. Im Übrigen stellt er das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht und nimmt auf sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen Bezug.

Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genüge. Soweit der Kläger sich gegen die Bejahung der Verwirkung durch das Landgericht wende, fehle es an einer auf den konkreten Streitfall zugeschnittenen Berufungsbegründung. Außerdem genüge die Berufungsbegründung nicht dem Erfordernis, im Fall mehrerer voneinander unabhängiger, selbständig tragender rechtlicher Erwägungen des Vordergerichts jede tragende Erwägung anzugreifen. Die Berufungsbegründung befasse sich in keiner Weise mit der tragenden Erwägung des Landgerichts, die Parteien hätten einvernehmlich eine Aufhebung der streitgegenständlichen Darlehensverträge vereinbart und sodann über mehr als drei Jahre hinweg die aus der Aufhebungsvereinbarung sich ergebenden Pflichten beiderseitig erfüllt, ehe der Widerruf erklärt worden sei.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde ist zwar kraft Gesetzes (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ) statthaft, im Übrigen aber unzulässig. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO ), weil das Berufungsgericht § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO rechtsfehlerfrei angewendet hat und der Kläger weder in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) verletzt ist.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt (BGH, Beschlüsse vom 26. Juli 2004 - VIII ZB 29/04, NJW-RR 2004, 1716 , vom 27. Mai 2008 - XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rn. 11, vom 12. Mai 2009 - XI ZB 21/08, juris Rn. 13, vom 1. März 2011 - XI ZB 26/08, juris Rn. 11 und vom 11. Oktober 2016 - XI ZB 32/15, NJW-RR 2017, 365 Rn. 9, jeweils mwN).

Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Beschluss vom 25. November 1999 - III ZB 50/99, BGHZ 143, 169 , 171, Urteil vom 27. November 2003 - IX ZR 250/00, WM 2004, 442 , Beschlüsse vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285 und vom 12. Mai 2009 - XI ZB 21/08, juris Rn. 13, jeweils mwN).

Dabei reicht es nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (Senatsbeschlüsse vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10 und vom 11. Oktober 2016 - XI ZB 32/15, NJW-RR 2017, 365 Rn. 11, jeweils mwN).

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers nicht.

a) Der Kläger hat mit seiner Berufungsbegründung die selbständig tragende Begründung des Landgerichts, der Beklagten stehe die Vorfälligkeitsentschädigung aufgrund der Vertragsaufhebung vom 21. Januar 2012 zu, der Kläger habe auf einen Anspruch auf Erstattung verzichtet, nicht angegriffen. Die Berufungsbegründung geht auf diese Ausführungen des landgerichtlichen Urteils nicht ein.

b) Dass in der Berufungsbegründung das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt und auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen verwiesen wird, reicht nicht aus. Die Berufungsbegründung muss vielmehr auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein (Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2008 - XI ZB 41/06, WM 2008, 1810 Rn. 11, vom 12. Mai 2009 - XI ZB 21/08, juris Rn. 13, vom 1. März 2011 - XI ZB 26/08, juris Rn. 11 und vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10). Deswegen erfüllen allgemeine Redewendungen, wie hier von der Überprüfung des Urteils in vollem Umfang, ebenso wenig wie ein pauschaler Verweis auf das Vorbringen erster Instanz die Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (Senatsbeschlüsse vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10 und vom 11. Oktober 2016 - XI ZB 32/15, NJW-RR 2017, 365 Rn. 18, jeweils mwN).

c) Diese Anforderungen an die Berufungsbegründung verletzen den Kläger weder in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ). Das Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist sachlich gerechtfertigt, da es der Verfahrenskonzentration dient, indem es den Berufungsführer anhält, die angegriffene Entscheidung nicht nur im Ergebnis, sondern in der konkreten Begründung zu überprüfen und im Einzelnen darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Dies stellt anwaltlich vertretene Parteien, wie hier den Kläger, vor keine erheblichen oder gar unzumutbaren Anforderungen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2002, 135 f. zu der Vorgängerregelung des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ; Senatsbeschlüsse vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 18 und vom 11. Oktober 2016 - XI ZB 32/15, NJW-RR 2017, 365 Rn. 19).

3. Ob die Berufungsbegründung, wie das Berufungsgericht meint, auch deshalb den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, weil sie, soweit sie sich auf die Ausführungen des Landgerichts zur Verwirkung bezieht, nicht hinreichend auf den konkreten Streitfall zugeschnitten ist, bedarf somit keiner Entscheidung.

Vorinstanz: LG Bonn, vom 15.07.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 431/15
Vorinstanz: OLG Köln, vom 22.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 74/16