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BGH - Entscheidung vom 10.07.2018

XI ZR 652/16

Normen:
BGB § 488 Abs. 1 S. 2
BGB-InfoV § 14 Abs. 1
BGB-InfoV § 14 Abs. 3

BGH, Urteil vom 10.07.2018 - Aktenzeichen XI ZR 652/16

DRsp Nr. 2018/11076

Rückgewährschuldverhältnis durch Widerruf der auf den Abschluss verschiedener Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen

Eine Klage auf positive Feststellung, ein Darlehensvertrag habe sich zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, kann nicht zulässig zum Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage gemacht werden. Dies widerstreitet den Grundsätzen, die für das prozessuale Verfahren nach Widerruf bei Verbraucherdarlehensverträgen aufgestellt wurden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 3. November 2016 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 17. November 2015 wird betreffend den Antrag festzustellen, dass sich die Darlehensverträge Nr. 13, 29, 35 und 41 durch wirksamen Widerruf der auf ihren Abschluss gerichteten Erklärungen der Klägerin vom 19. August 2009 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag als unzulässig abgewiesen wird.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 488 Abs. 1 S. 2; BGB-InfoV § 14 Abs. 1 ; BGB-InfoV § 14 Abs. 3 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss verschiedener Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Klägerin.

Zum Zwecke der Finanzierung einer Immobilie schloss die Klägerin mit der Beklagten im August 2009 unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln vier Darlehensverträge über insgesamt 313.000 €. Zur Sicherung der Beklagten diente ein Grundpfandrecht. Die Beklagte belehrte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht für alle vier Darlehensverträge - hier beispielhaft anhand eines Widerrufsformulars dargestellt - gleichlautend wie folgt:

Die Klägerin erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 14. Juli 2014 widerrief sie ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

Ihre Klage auf Herausgabe mutmaßlich von der Beklagten auf Zins- und Tilgungsleistungen gezogener Nutzungen und nach ihrer Auffassung überzahlter Zinsen - insgesamt 13.014,03 € - zuzüglich Zinsen "Zug um Zug gegen Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta" zum Zeitpunkt des Widerrufs, auf Rückzahlung der nach Widerruf erbrachten Leistungen in Höhe von 16.699,69 € zuzüglich Zinsen, auf Feststellung, "dass die Darlehensverträge der Klägerin [...] wirksam widerrufen worden" seien, auf Verurteilung der Beklagten, der Löschung der zu ihren Gunsten bestellten Grundschuld zuzustimmen, und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin, mit der sie zuletzt noch beantragt hat festzustellen, "dass sich die Darlehensverträge [...] durch wirksamen Widerruf [...] in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben und der Beklagten aus diesen Verträgen keine Ansprüche mehr zustehen", festzustellen, "dass aufgrund des wirksam erklärten Widerrufs" die Beklagte von der Klägerin "unter Berücksichtigung aller Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis" die Zahlung bestimmter Beträge verlangen könne, die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der zu ihren Gunsten bestimmten Grundschuld zuzustimmen, und die Beklagte zu verurteilen, außergerichtlich verauslagte Anwaltskosten zu erstatten, hat das Berufungsgericht durch Teilurteil das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat antragsgemäß festgestellt, "dass sich die Darlehensverträge [...] durch wirksamen Widerruf [...] in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben und der Beklagten aus diesen Verträgen keine Ansprüche mehr zustehen". Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revision der Beklagten relevant - ausgeführt:

Der durch Teilurteil beschiedene Feststellungsantrag sei zulässig. Er kombiniere eine Zwischenfeststellungsklage auf Umwandlung der Darlehensverträge in ein Rückgewährschuldverhältnis mit einer Klage auf (negative) Feststellung, dass die Pflichten der Klägerin aus den Darlehensverhältnissen aufgrund des Widerrufs nicht mehr fortbestünden. Da er auch eine Zwischenfeststellungsklage enthalte, habe über ihn vorab im Wege des Teilurteils erkannt werden können.

Der Feststellungsantrag sei auch begründet. Die Beklagte habe in die Widerrufsbelehrungen im konkreten Fall nicht einschlägige Passagen zu "Finanzierten Geschäften" eingefügt, die die Belehrungen insgesamt inhaltlich und gestalterisch undeutlich gemacht hätten. Die Klägerin habe ihr Widerrufsrecht weder verwirkt noch sonst rechtsmissbräuchlich ausgeübt.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, der von ihm beschiedene Feststellungsantrag sei auch hinsichtlich des positiven Feststellungsbegehrens als Zwischenfeststellungsklage zulässig.

a) Allerdings konnte die Klägerin zulässig im Wege der leugnenden Feststellungsklage zur Entscheidung stellen, die Beklagte habe aufgrund einer Widerrufserklärung gegen sie keine Ansprüche aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB mehr (Senatsurteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 10 ff.). Einen Antrag dieses Inhalts hat das Berufungsgericht zutreffend dem Zusatz entnommen, es möge festgestellt werden, dass "der Beklagten aus diesen [im Antrag näher bezeichneten] Verträgen keine Ansprüche mehr zustehen".

b) Eine Klage auf positive Feststellung, ein Darlehensvertrag habe sich zum - grundsätzlich wiederum im Antrag zu bezeichnenden - Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, kann dagegen, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (Senatsurteil vom 17. April 2018 - XI ZR 446/16, n.n.v.), nicht zulässig zum Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage gemacht werden. Dies widerstritte, wie der Senat mit Urteil vom 17. April 2018 (aaO) näher ausgeführt hat, den Grundsätzen, die der Senat für das prozessuale Verfahren nach Widerruf bei Verbraucherdarlehensverträgen aufgestellt hat.

2. Außerdem weisen die Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf, soweit es auf der Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2 , § 32 Abs. 1 , § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Klägerin unzureichend deutlich über das ihr zukommende Widerrufsrecht belehrt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, genügten die Hinweise unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" als Sammelbelehrung (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 49 f. und vom 27. Februar 2018 - XI ZR 160/17, WM 2018, 729 Rn. 29; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2017 - XI ZR 66/16, WM 2017, 370 Rn. 9) den gesetzlichen Vorgaben. Das galt unbeschadet dessen, ob die Widerrufsbelehrungen als Nachbelehrungen erteilt wurden oder die Parteien - weil ausschließlich zugunsten der Klägerin wirkend zulässig - die reguläre Widerrufsfrist auf einen Monat verlängert haben. Auch der Gestaltungshinweis (1) der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der vom 4. August 2009 bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (künftig: aF), an der sich die Widerrufsbelehrungen der Beklagten orientierten, enthielt insoweit keine Einschränkung des in Gestaltungshinweis (10) enthaltenen Grundsatzes, die Übernahme von Hinweisen zu "Finanzierten Geschäften" werde in das Ermessen des Verwenders gestellt. Auch ansonsten genügten die Widerrufsbelehrungen der Beklagten sowohl inhaltlich als auch entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung gestalterisch den gesetzlichen Vorgaben (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 21 ff.). Der Verweis auf § 312c Abs. 2 BGB in der zwischen dem 8. Dezember 2004 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung genügte, um zu verdeutlichen, dass für das Anlaufen der Widerrufsfrist die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mitzuteilen seien.

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO ), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO ). In dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Im Übrigen kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats nicht in Betracht:

1. Der Senat kann die (positive) Zwischenfeststellungsklage selbst als unzulässig abweisen. Schon das Landgericht hat eine Zwischenfeststellungsklage als unzulässig erachtet. Die Parteien haben über die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage sowohl vor dem Berufungsgericht als auch in der Revisionsinstanz gestritten. Weil die Klägerin, was die Revisionserwiderung nochmals bekräftigt hat, den ersten Teil ihres vom Berufungsgericht zuerkannten Feststellungsantrags ausdrücklich als Zwischenfeststellungsklage verstanden wissen will und im Übrigen die von ihr aus dem Rückgewährschuldverhältnis erstrebten Rechtsfolgen in weitere Anträge gefasst hat, muss ihr vorab keine Gelegenheit gegeben werden, ihren Antrag in einer wiedereröffneten Berufungsverhandlung anzupassen.

2. Die das Fortbestehen von Ansprüchen der Beklagten aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB leugnende Feststellungsklage ist dagegen nicht zur Endentscheidung reif. Der Senat kann sie nicht als unbegründet abweisen. Zwar ging der am 14. Juli 2014 erklärte Widerruf der Klägerin mangels fortbestehender Widerruflichkeit ihrer auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen ins Leere, so dass mit seinem Zugang die Pflichten der Klägerin aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht geendet haben. Ein sachliches Erkenntnis über die negative Feststellungsklage begründete aber die Gefahr widersprechender Entscheidungen im Instanzenzug (vgl. Senatsurteile vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14, BGHZ 210, 30 Rn. 29 und vom 20. Juni 2017 - XI ZR 72/16, WM 2017, 1599 Rn. 17), weil nach Abweisung der Zwischenfeststellungsklage als unzulässig keine Gewähr dafür besteht, dass das Berufungsgericht bei seinem Erkenntnis über die bei ihm noch anhängigen weiteren Anträge der Klägerin die maßgeblichen Rechtsfragen - Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrungen, Wirkungslosigkeit der Widerrufserklärung vom 14. Juli 2014 - ebenso wie der Senat beurteilen wird. Eine Bindung an die Rechtsauffassung des Senats bestünde im Fall einer eigenen Entscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO - anders als in den Fällen des § 563 Abs. 2 ZPO - nicht. Andererseits kann der Senat einen Widerspruch nicht dadurch vermeiden, dass er die vom Berufungsgericht nicht beschiedenen Anträge an sich zieht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 - IV ZR 62/00, WM 2001, 1384 ).

IV.

Der Senat verweist die Sache daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Juli 2018

Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 17.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 599/15
Vorinstanz: OLG Braunschweig, vom 03.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 134/15