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BGH - Entscheidung vom 17.01.2018

4 StR 522/17

Normen:
BtMG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 17.01.2018 - Aktenzeichen 4 StR 522/17

DRsp Nr. 2018/2638

Revisionsgerichtliche Nachprüfung des Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 22. Juni 2017 mit den zugehörigenFeststellungen aufgehoben,

a)

soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubtenHandeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringerMenge in Tateinheit mit Beihilfe zur Nötigung (Fall II. 2der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,

b)

im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie

c)

im Maßregelausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

BtMG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubtenHandeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen,davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen diese Verurteilung wendetsich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Seine Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen istdas Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

I.

Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1 der Urteilsgründewegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nichtgeringer Menge verurteilt hat, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteilsweder hinsichtlich des Schuldspruchs noch hinsichtlich des Ausspruchs überdie Einzelstrafe einen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

II.

Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zur Nötigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete der gesondertverfolgte J. S. dem Vater des Angeklagten, dem ebenfalls gesondertverfolgten H. W. , im November 2014 40 Gramm Methamphetamin miteinem Wirkstoffgehalt von mindestens 25,20 Gramm Methamphetaminbase, diedieser kurz zuvor von einem unbekannten Dritten erworben hatte. S. strittden Diebstahl jedoch ab. Deshalb entschloss sich der gesondert verfolgteH. W. , sich das Methamphetamin bzw. einen entsprechenden Gegenwert von S. mit Unterstützung durch den Angeklagten zurückzuholen. In Umsetzung dieses Tatentschlusses forderte H. W. den gesondert verfolgtenJ. S. im Beisein des Angeklagten zur Rückgabe des Methamphetamins auf und setzte ihn dabei durch die Androhung von Schlägen unter Druck.Wie vom Angeklagten erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen, ließsich J. S. durch die Drohungen des H. W. , die in ihrer Wirkungdurch seine, des Angeklagten, Anwesenheit verstärkt wurden, einschüchternund gab dem Vater des Angeklagten einen Tag später 30 Gramm des entwendeten Methamphetamins zurück. Bei dieser Gelegenheit, bei der der Angeklagte nicht zugegen war, verlangte der gesondert verfolgte H. W. „Schadensersatz“ für die restlichen 10 Gramm, die J. S. selbst konsumierthatte.

2. Diese Feststellungen belegen keine Haupttat des Handeltreibens mitBetäubungsmitteln durch den gesondert verfolgten Vater des Angeklagten undvermögen daher auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe hierzunicht zu tragen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige, auf denUmsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252 , 256 mwN). Ob der gesondertverfolgte H. W. vorhatte, die von J. S. entwendeten und unterMitwirkung des Angeklagten wiederbeschafften Betäubungsmittel – abzüglichder von J. S. konsumierten Teilmenge – gewinnbringend weiterzuverkaufen, ist den Urteilsgründen nicht ausdrücklich zu entnehmen. Auch zu derUrsprungsmenge von 40 Gramm Methamphetamin wird insoweit lediglich mitgeteilt, der gesondert verfolgte H. W. habe diese Betäubungsmittel Anfang November 2014 von einem unbekannten Dritten erworben. Zum Zweckdes Erwerbs verhält sich das Urteil an dieser Stelle ebenfalls nicht.

b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ergeben sich dieTatbestandsvoraussetzungen des Handeltreibens auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Zwar ist das Landgericht rechtsfehlerfreidavon ausgegangen, dass es sich bei dem vom Vater des Angeklagten erworbenen Methamphetamin um eine nicht geringe Menge im Sinne von § 29aAbs. 1 Nr. 2 BtMG handelte. Dieser Umstand vermag indes weder für sich genommen noch in Zusammenschau mit den zum Fall II. 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen, wonach der gesondert verfolgte H. W. ein Kilogramm Marihuana mit Gewinn weiterverkaufte, die Annahme einer entsprechenden Verkaufs- und Gewinnabsicht zu tragen.

c) Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Es ist nicht auszuschließen, dass der neueTatrichter die fehlenden Feststellungen noch treffen kann.

Mit Blick auf die vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angesprochene mögliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung durch dessen Mitwirkung bei der Wiederbeschaffung derentwendeten Betäubungsmittel verweist der Senat auf seinen Beschluss vom21. April 2015 ( 4 StR 92/15, NJW 2015, 2898 m. Anm. Kudlich).

3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 2 der Urteilsgründe erfasstauch die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Nötigung. Ferner entzieht sie dem Ausspruch über die Gesamtstrafe und dem Maßregelausspruchdie Grundlage. Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte seit Ende 2015 durchgehend abstinent von Drogenlebte, wird dieser Umstand bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungenbesonders zu beachten sein; maßgebend für die Beurteilung eines Hangs imSinne des § 64 StGB und für die Gefahrprognose ist der Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2001 – 4 StR36/01, NStZ-RR 2001, 295 , 296; vom 22. Januar 1997 – 2 StR 656/96, StV1998, 73).

Sost-Scheible Cierniak Franke