Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 08.08.2018

XII ZB 25/18

Normen:
VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 1
FamFG § 66 S. 1
VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 1
FamFG § 66 S. 1
VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 1
FamFG § 66 S. 1

Fundstellen:
FamRB 2018, 470
FamRZ 2018, 1741
MDR 2018, 1245
NJW 2018, 3444

BGH, Beschluss vom 08.08.2018 - Aktenzeichen XII ZB 25/18

DRsp Nr. 2018/13259

Rechtsmittel des Versorgungsträgers gegen eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung; Rechtsschutzbedürfnis für eine Anschließung durch die Ehegatten; Übertragung des durch einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag schon vor der Ehezeit gebildeten Kapitals nach Kündigung des Vertrags während der Ehezeit auf einen anderen zertifizierten Altersvorsorgevertrag

a) Legt der Versorgungsträger Rechtsmittel gegen eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich bei der Scheidung ein, fehlt es für eine Anschließung durch die Ehegatten regelmäßig an einem Rechtsschutzbedürfnis.b) Wird das durch einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag schon vor der Ehezeit gebildete Kapital nach Kündigung des Vertrags während der Ehezeit auf einen anderen zertifizierten Altersvorsorgevertrag übertragen, handelt es sich versorgungsausgleichsrechtlich um ein einheitliches Anrecht, das nur hinsichtlich des ehezeitlich gebildeten Kapitals auszugleichen ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Dezember 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 die Entscheidung des Familiengerichts abgeändert worden ist.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 2.049 €

Normenkette:

VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 1 ; FamFG § 66 S. 1;

Gründe

I.

Auf den am 16. Oktober 2015 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 9. Oktober 2010 geschlossene Ehe der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und des Antragsgegners (im Folgenden: Ehemann) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. Oktober 2010 bis 30. September 2015; § 3 Abs. 1 VersAusglG ) hat die Ehefrau 4,8090 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 2,4045 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 15.737 € erworben, der Ehemann hat 3,3498 Entgeltpunkte mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 1,6749 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 10.961,91 € erworben. Darüber hinaus war die Ehefrau ursprünglich Inhaberin eines zertifizierten Altersvorsorgevertrags bei der Sparkasse P., auf den sie vor und während der Ehezeit Zahlungen geleistet hatte. Im Zeitpunkt der Eheschließung war bereits ein Kapital von 7.570 € gebildet, das sich während der Ehezeit durch weitere Einzahlungen erhöhte. Während der Trennungszeit kündigte sie den Vertrag, um das insgesamt gebildete Kapital von mittlerweile 11.889,60 € auf einen anderen Altersvorsorgevertrag bei der Beteiligten zu 1 übertragen zu lassen. Unter Einbeziehung weiterer Einzahlungen auf den neuen Vertrag hatte das bei der Beteiligten zu 1 bestehende Anrecht zum Ehezeitende einen Kapitalwert von 12.401,36 € mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 6.076,66 €.

Das Familiengericht hat die in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehenden Anrechte mit den jeweils vorgeschlagenen Ausgleichswerten intern geteilt. Das Anrecht bei der Beteiligten zu 1 hat es intern geteilt, indem es von dem bei Ehezeitende bestehenden Kapital das zum Ehezeitbeginn bereits auf den ursprünglichen Altersvorsorgevertrag bei der Sparkasse P. vorhandene Kapital abgezogen und ein Anrecht in hälftiger Höhe der Differenz beider Kapitalwerte, somit 2.415,68 €, zugunsten des Ehemanns begründet und den weitergehenden Ausgleich dieses Anrechts wegen grober Unbilligkeit (§ 27 VersAusglG ) ausgeschlossen hat.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie die externe anstatt der internen Teilung des unter der Wertgrenze des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG liegenden Übertragungswerts von 2.415,68 € verfolgt hat, hat das Oberlandesgericht das bei ihr bestehende Anrecht im Umfang des vollen Ausgleichswerts von 6.076,66 € intern geteilt und die Anschlussbeschwerden beider Ehegatten verworfen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, mit der sie weiterhin einen vollständigen Wegfall des Ausgleichs ihres Anrechts bei der Beteiligten zu 1 wegen Geringfügigkeit erstrebt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die von der Ehefrau bei der Beteiligten zu 1 in der Ehezeit erworbene Anwartschaft sei in vollem Umfang auszugleichen. Auszugleichen seien die während der Ehezeit durch Vermögen geschaffenen Anrechte, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbs unterscheide, und deshalb auch solche Versorgungsanrechte, die mit einem zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits vorhandenen Vermögen eines Ehegatten erworben wurden. Darunter fielen auch frei werdende Mittel aus einer zertifizierten Altersvorsorge, die auf einen neuen Rentenvertrag übertragen würden.

Die Voraussetzungen für einen - teilweisen - Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG lägen nicht vor, da nicht festgestellt werden könne, dass seine Durchführung zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten der Ehefrau führe. Die bloße Tatsache, dass eine bestehende Altersvorsorge umgeschichtet worden sei, reiche dafür nicht aus.

Die Anschlussbeschwerden, mit denen der Ehemann den vollen Ausgleich des Anrechts bei der Beteiligten zu 1 und die Ehefrau dessen vollständigen Ausschluss begehrt haben, seien wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich dieses Anrechts bereits auf das Hauptrechtsmittel des Versorgungsträgers in vollem Umfang und ohne Beschränkung durch ein Verschlechterungsverbot überprüfen müsse.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Zu Recht hat das Oberlandesgericht allerdings die Anschlussbeschwerde der Ehefrau verworfen.

aa) In Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat jeder Beteiligte nach § 66 Satz 1 FamFG die Möglichkeit, ohne die Einlegung einer eigenen Beschwerde auch nach Ablauf der maßgeblichen Beschwerdefrist im Wege der Anschließung an ein bereits eingelegtes Hauptrechtsmittel seine Rechte in der Beschwerdeinstanz zu verfolgen. Diese Möglichkeit ist weder auf kontradiktorisch geprägte Verfahren beschränkt, noch setzt die Anschließung von vornherein voraus, dass im betreffenden Beschwerdeverfahren für den Führer des Hauptrechtsmittels das Verbot der reformatio in peius gelten muss (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 - XII ZB 706/12 - FamRZ 2014, 827 Rn. 9 mwN). Zwar lässt die Begründung des Gesetzentwurfs die Erwartung erkennen, dass die durch § 66 FamFG eröffnete Möglichkeit der Anschließung "in erster Linie" in solchen Verfahren praktische Bedeutung erlangen wird, in denen sich Beteiligte mit widerstreitenden Anliegen gegenüberstehen (BT-Drucks. 16/6308 S. 206). Ob aber die Zulässigkeit der Anschließung deshalb voraussetzt, dass sich der Anschlussbeschwerdeführer in eine Gegnerstellung zum Führer des Hauptrechtsmittels bringen will, braucht in dieser Allgemeinheit nicht entschieden zu werden. Denn für die Einlegung eines unselbstständigen Anschlussrechtsmittels muss jedenfalls ein Rechtsschutzbedürfnis vorliegen, woran es nach allgemeiner Ansicht auch unter der Geltung des neuen Verfahrensrechts fehlt, wenn mit der Anschließung kein weitergehendes Ziel als mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden kann und soll (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 - XII ZB 706/12 - FamRZ 2014, 827 Rn. 8 mwN).

Ein Beteiligter, der das Begehren des Beschwerdeführers unterstützen möchte, kann auch ohne Anschließung in der durch das Hauptrechtsmittel eröffneten Beschwerdeinstanz seine Beanstandungen zu der angefochtenen Entscheidung zur Sprache bringen und auch sonst zur Sach- und Rechtslage umfassend vortragen. Demgegenüber kann ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Einlegung einer unselbständigen Anschlussbeschwerde bei einem Gleichlauf mit dem Rechtsschutzziel des Hauptrechtsmittels nicht damit begründet werden, dass der Beteiligte durch die Anschließung die Möglichkeit erhalten solle, die im zweiten Rechtszug ergehende Entscheidung selbst mit einer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof anfechten zu können. Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass die unselbstständige Anschließung auch in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit allein der sachgerechten Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens dient und nicht den Zweck hat, eine Fortsetzung des Verfahrens in der dritten Instanz zu ermöglichen (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 - XII ZB 706/12 - FamRZ 2014, 827 Rn. 9 mwN).

bb) Auf das Rechtsmittel eines Versorgungsträgers gegen den ihn betreffenden Ausspruch zum Versorgungsausgleich bildet das betroffene Anrecht insgesamt den Beschwerdegegenstand (Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2012 - XII ZB 588/11 - FamRZ 2013, 207 Rn. 10). Der Prüfungsgegenstand ist weder dadurch beschränkt, dass sich der Beschwerdeangriff gegen ein bestimmtes Element der Entscheidung wie hier die Ausgleichsform richtet, noch durch das allgemeine Verschlechterungsverbot. Denn als Wächter über die rechtmäßige Durchführung des Versorgungsausgleichs verfolgt der Versorgungsträger mit seiner Beschwerde stets auch die Interessen der Solidargemeinschaft. Deshalb hat das Gericht auf eine Beschwerde des Versorgungsträgers stets die Entscheidung zu treffen, die der Sach- und Rechtslage entspricht. Dies verstößt auch dann nicht gegen das Verschlechterungsverbot, wenn die Entscheidung entgegen dem Ziel des Rechtsmittels ausfällt (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2017 - XII ZB 201/17 - FamRZ 2017, 1655 Rn. 8 mwN).

Das Rechtsmittel des Versorgungsträgers ist deshalb nicht auf einen bestimmten Erfolg gerichtet, sondern grundsätzlich auf dasjenige Ergebnis, das mit der bestehenden Rechtslage im Einklang steht. Der somit bereits umfassende Prüfungsumfang kann - in Bezug auf dasselbe Anrecht - nicht durch ein Anschlussrechtsmittel eines Ehegatten erweitert werden. Deshalb fehlt es den Ehegatten in diesem Umfang an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine Anschließung.

b) Keinen Bestand hat die angefochtene Entscheidung jedoch, soweit das Oberlandesgericht die familiengerichtliche Entscheidung auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 abgeändert hat.

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts ist das nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zunächst bei der Sparkasse P. begründete und sodann bei der Beteiligten zu 1 fortgeführte Anrecht als ein einheitliches Versorgungsanrecht anzusehen und als solches nicht in vollem Umfang innerhalb der Ehezeit erworben worden.

aa) Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist. Anrechte im Sinne des Gesetzes sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen (§ 2 Abs. 1 VersAusglG ). Zu den auszugleichenden Versorgungen gehören, unabhängig von der Leistungsform, die im Gesetz ausdrücklich erwähnten Anrechte im Sinne des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ).

bb) Rechtlich umstritten ist die versorgungsausgleichsrechtliche Behandlung eines durch zertifizierten Altersvorsorgevertrag gebildeten Kapitals, das nach Kündigung des Vertrags auf einen anderen zertifizierten Altersvorsorgevertrag übertragen worden ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 b AltZertG ).

Nach einer verbreiteten Auffassung handelt es sich in dem Fall lediglich um eine zweckwahrende Umschichtung innerhalb desselben Versorgungssystems mit der Folge, dass vorehezeitlich auf den Altvertrag angesparte Beträge im Versorgungsausgleich unberücksichtigt bleiben (OLG Stuttgart FamRZ 2016, 131 ff.; OLG Bamberg FamRZ 2017, 1211 ff.; dem folgend: Adamus FamRB 2017, 249 f.; Borth Versorgungsausgleich 8. Aufl. Rn. 110; MünchKommBGB/ Dörr 7. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 9; Erman/Norpoth/Sasse BGB 15. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 5; Schulze/Kemper BGB 9. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 9a; jurisPK-BGB/Breuers [Stand: 14. Mai 2018] § 2 VersAusglG Rn. 48 f.; Palandt/ Brudermüller BGB 77. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 6).

Dem tritt die angefochtene Entscheidung mit der Erwägung entgegen, dass das ursprünglich bei der Sparkasse P. begründete Anrecht erloschen, das bei der Beteiligten zu 1 bestehende Anrecht hingegen insgesamt erst während der Ehezeit begründet worden sei und es deshalb vollumfänglich in den Versorgungsausgleich falle.

cc) Zutreffend ist die erstgenannte Auffassung.

(1) Zwar hat das Oberlandesgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend erkannt, dass sowohl der Versorgungsträger als auch der konkrete Altersvorsorgevertrag wechselten, als die Ehefrau den ursprünglichen Vertrag kündigte und das gebildete Kapital auf den neuen Anbieter zur Fortsetzung der Altersvorsorge übertragen ließ. Das nimmt der von der Ehefrau betriebenen Versorgung indessen nicht den Charakter eines einheitlichen Anrechts.

(2) Allerdings hat der Senat entschieden, dass ein durch Vermögen geschaffenes oder aufrecht erhaltenes Anrecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG auszugleichen ist, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbs unterscheidet. Daher kommt es nicht darauf an, ob das in eine Altersversorgung eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen stammt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG ist nur erforderlich, dass das Geld, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtet hat, zu seinem Vermögen gehörte, während es auf die Herkunft des Geldes nicht ankommt. Insbesondere wird nicht danach gefragt, ob es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte vor oder während der Ehe erworben hatte. Auszugleichen sind im Versorgungsausgleich daher auch Versorgungsanrechte, die mit dem Anfangsvermögen eines Ehegatten nach der Eheschließung erworben wurden (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - XII ZB 213/11 - FamRZ 2012, 434 Rn. 8 mwN).

Denn mit der Einzahlung in die Rentenversicherung verliert der Geldbetrag seine güterrechtliche Zugehörigkeit zum Vermögen und erlangt stattdessen den Charakter einer Altersversorgung. Damit geht einher, dass er nicht mehr dem Verbrauch zum Lebensbedarf der Ehegatten oder dem Ausgleichssystem des Zugewinnausgleichs, sondern fortan dem Ausgleichssystem des Versorgungsausgleichs unterfällt (vgl. § 2 Abs. 4 VersAusglG ; Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - XII ZB 213/11 - FamRZ 2012, 434 Rn. 9).

Hiermit strukturell nicht vergleichbar ist der Wechsel des Trägers einer zertifizierten Altersvorsorge. Denn der neue Altersvorsorgevertrag wird nicht aus Mitteln gespeist, die vorher dem güterrechtlichen Ausgleichssystem unterfielen oder dem gemeinsamen Verbrauch zur Verfügung gestanden hätten, sondern aus gebundenem Versorgungsvermögen. Es handelt sich lediglich um einen Anbieterwechsel aufseiten des Versorgungsträgers innerhalb desselben Ausgleichssystems.

(3) Unter versorgungsausgleichsrechtlichen Gesichtspunkten bedeutet der Wechsel des Versorgungsträgers nicht in jedem Fall eine Auflösung des bisher bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts. So besteht beispielsweise versorgungsausgleichsrechtliche Kontinuität, wenn der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung in dem durch § 7 BetrAVG bestimmten Umfang in die vom ursprünglichen Versorgungsträger übernommene Leistungsverpflichtung eintritt.

Ob der Wechsel des Versorgungsträgers im Versorgungsausgleich als eine Auflösung des bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts oder als Fortführung eines einheitlichen Anrechts anzusehen ist, bedarf ebenso wie die Frage, ob eine Versorgung überhaupt einzubeziehen ist oder nicht (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 46), einer wertenden Betrachtung nach Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs. Diese führt im Falle sukzessiver (zertifizierter) Altersvorsorgeverträge zu einer einheitlichen Betrachtung.

(a) Anrechte aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen sind Gegenstand der nach dem Altersvermögensgesetz öffentlich geförderten Vorsorge. Als solche setzen sie, um den geförderten Vorsorgezweck sicherzustellen, grundsätzlich eine dauerhafte Vertragsfortführung bis zu der - nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginnenden - Auszahlungsphase voraus.

Allerdings räumt das Gesetz dem Vertragspartner die Möglichkeit ein, einen bestehenden Altersvorsorgevertrag unter Aufrechterhaltung der öffentlichen Förderung zu kündigen, um das gebildete Kapital auf einen anderen auf seinen Namen lautenden Altersvorsorgevertrag mit einer ebenfalls zertifizierten Vertragsgestaltung desselben oder eines anderen Anbieters übertragen zu lassen (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 b AltZertG ). Durch diese Regelung soll der Wettbewerb unter den Anbietern gefördert werden (vgl. BT-Drucks. 14/5150 S. 40), ohne dabei den Charakter einer auf Dauer angelegten und deshalb öffentlich geförderten Altersvorsorge infrage zu stellen. Aus dem Blickwinkel der öffentlichen Förderung handelt es sich bei der sukzessiven, durch den anderen Anbieter unter Übertragung des Kapitals fortgesetzten Altersvorsorge um einen einheitlich förderungswürdigen Versorgungsvorgang im Rahmen der sogenannten zweiten Säule der Altersversorgung.

Dieselbe einheitliche Sichtweise ist auch aus dem Blickwinkel des Versorgungsausgleichs geboten. Zu den Voraussetzungen einer Zertifizierung nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz gehört die grundsätzlich dauerhafte Bindung des gebildeten Kapitals an den Versorgungszweck. Deshalb kann der Vertrag nicht frei aufgelöst und das gebildete Kapital nicht steuer- und zulagenunschädlich an den Vertragspartner zur freien Verfügung ausgezahlt, sondern lediglich unter Aufrechterhaltung der Bindung an den Versorgungszweck auf einen anderen Anbieter übertragen werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 b AltZertG ). Aufgrund der zweckgebundenen Übertragung des gebildeten Kapitals auf ein den Zertifizierungsvoraussetzungen weiterhin unterworfenes Rechtsverhältnis zu lediglich einem anderen Anbieter setzt die Ansparung den Versorgungszweck kontinuierlich fort.

(b) Auch unter familienrechtlichem Blickwinkel stellt sich der bei einem anderen Anbieter fortgesetzte Altersvorsorgevertrag als kontinuierliche Aufwendung auf eine einheitliche Altersversorgung dar. Mit der hälftigen Teilung der erworbenen Anrechte soll nämlich grundsätzlich die gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an denjenigen in der Ehe erwirtschafteten Versorgungsvermögen gewährleistet werden, die typischerweise auf einer gemeinsamen Lebensleistung der Ehegatten beruhen. Beruht das Versorgungsendvermögen eines Ehegatten auf sukzessiven Vertragsverhältnissen, deren Kapitalbildung in der durch das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz geforderten Kontinuität aufeinander aufbaut, vermag eine einheitliche Sichtweise auf das insgesamt geschaffene Anrecht dem versorgungsausgleichsrechtlichen Prinzip der unmittelbaren Bewertung von Ehezeitanteilen (§ 39 VersAusglG ) besser gerecht zu werden.

3. Der angefochtene Beschluss kann daher insoweit keinen Bestand haben. Bereits der Ehezeitanteil des bei der Beteiligten zu 1 bestehenden Anrechts ist unter Außerachtlassung von auf vorehelich gebildetem Kapital beruhenden Wertanteilen zu bestimmen, wodurch sich die vom Familiengericht vorgenommene Anwendung des § 27 VersAusglG erübrigt.

4. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit dieses unter Beachtung der hierzu ergangenen Senatsrechtsprechung (Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 2016 - XII ZB 490/15 - FamRZ 2016, 1658 Rn. 9 und vom 30. November 2011 - XII ZB 79/11 - FamRZ 2012, 189 Rn. 22) eine Ermessensentscheidung über das vollständige Absehen vom Ausgleich des Anrechts wegen Geringfügigkeit (§ 18 Abs. 2 VersAusglG ) treffen kann.

Wird danach von einem Ausgleich nicht abgesehen, bedarf es, nachdem die Beteiligte zu 1 die externe Teilung des unter der Wertgrenze des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG bleibenden Ausgleichswerts verlangt hat, der Aufforderung an den ausgleichsberechtigten Ehemann zur Bestimmung eines - nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 VersAusglG auszuwählenden - Zielversorgungsträgers (§§ 15 Abs. 1 VersAusglG , § 222 Abs. 1 FamFG ; vgl. Senatsbeschluss vom 6. Februar 2013 - XII ZB 204/11 - FamRZ 2013, 773 Rn. 17), welcher im weiteren Verfahren zu beteiligen ist (§§ 7 Abs. 2 Nr. 2 , 219 Nr. 3 FamFG ; vgl. Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017 - XII ZB 214/16 - FamRZ 2018, 429 Rn. 17).

Vorinstanz: AG Delbrück, vom 07.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 3 F 267/15
Vorinstanz: OLG Hamm, vom 18.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen II-6 UF 95/17
Fundstellen
FamRB 2018, 470
FamRZ 2018, 1741
MDR 2018, 1245
NJW 2018, 3444