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BGH - Entscheidung vom 21.11.2018

IV ZB 4/18

Normen:
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 21.11.2018 - Aktenzeichen IV ZB 4/18

DRsp Nr. 2019/350

Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung einer Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil

Die Regelung des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO dient nicht allgemein der Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern, sondern stellt eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift dar, die lediglich die Überprüfung ermöglichen soll, ob eine schuldhafte Säumnis tatsächlich vorgelegen hat, mithin die Sanktion des endgültigen Prozessverlustes gerechtfertigt ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 31. Januar 2018 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: 3.837,47 €

Normenkette:

ZPO § 522 Abs. 1 S. 4; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ; ZPO § 574 Abs. 2 ;

Gründe

I. Der Beklagte wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil.

Das Amtsgericht hat der Klage durch ein Teilversäumnis- und Endurteil im Wesentlichen stattgegeben. Die Anträge des Beklagten auf Verlegung des Termins zur Verhandlung über den Einspruch sowie auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens sind zurückgewiesen worden. Einen daraufhin erhobenen Befangenheitsantrag des Beklagten hat das Amtsgericht durch den abgelehnten Richter als unzulässig verworfen. Nachdem der Beklagte im Verhandlungstermin nicht erschienen war, hat das Amtsgericht seinen Einspruch durch zweites Versäumnisurteil verworfen. Dagegen hat der Beklagte am 29. Mai 2017 fristgerecht Berufung eingelegt und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, die bis zum 3. August 2017 gewährt worden ist.

Zwischenzeitlich hatte das Landgericht die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs zurückgewiesen. Dagegen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Juni 2017 Anhörungsrüge erhoben. Seinen Antrag, das Berufungsverfahren auszusetzen, bis über diese Anhörungsrüge sowie eine mögliche Verfassungsbeschwerde entschieden sei, hat das Landgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde vom 1. August 2017 hat das Oberlandesgericht ebenso verworfen wie die gegen diese Beschwerdeentscheidung gerichtete Anhörungsrüge.

Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2017 erneut die Aussetzung des Berufungsverfahrens beantragt hatte, hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss diesen Antrag zurückgewiesen sowie die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe die erforderliche Berufungsbegründung nicht fristgerecht eingereicht. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil könne nur darauf gestützt werden, dass ein Fall der schuldhaften Säumnis nicht vorgelegen habe; hierzu sei im Berufungsverfahren nichts vorgetragen. Die Bezeichnung des Urteils als "verfassungswidrig" unter Nennung der Artikel 101 , 103 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip genüge den Anforderungen offensichtlich nicht. Soweit in der Berufungsschrift die Unzulässigkeit der Klage behauptet worden sei, fehle es schon an einer Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Unzulässigkeit ergeben solle. Es sei nicht Sache des Berufungsgerichts, sich aus Ausführungen im Beschwerdeverfahren betreffend die Ablehnung des Amtsrichters eine Berufungsbegründung zusammenzusuchen. Ein Grund, die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen, bestehe nicht.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist im Übrigen nicht zulässig, denn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO , die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 20. Februar 2008 - IV ZB 14/07, NJW-RR 2008, 889 Rn. 3 m.w.N.), sind nicht erfüllt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten nicht in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ).

1. Das Berufungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der Beklagte seine Berufung nicht ordnungsgemäß begründet hat.

a) Entgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht in seinem Verwerfungsbeschluss den Vortrag des Beklagten aus der Berufungsschrift zur Kenntnis genommen und daraufhin geprüft, ob er inhaltlich den Anforderungen an eine Berufungsbegründung entspricht. Die Kombination von Berufungsschrift und Berufungsbegründung ist in § 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO ausdrücklich anerkannt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2004 - X ZB 45/03, NJW-RR 2004, 1717 unter II [juris Rn. 7]).

Um sonstige Schriftsätze als Berufungsbegründung anzusehen, müssen diese nicht nur den inhaltlichen Begründungserfordernissen genügen, sondern auch zur Begründung bestimmt sein (vgl. Senatsurteil vom 20. März 1991 - IV ZR 230/90, VersR 1991, 936 unter 1 [juris Rn. 8]; BGH, Beschlüsse vom 14. März 2005 - II ZB 31/03, VersR 2006, 567 unter 1 [juris Rn. 5]; vom 16. Oktober 1985 - VIII ZB 15/85, VersR 1986, 91 unter 1 c [juris Rn. 7]). Es kann offen bleiben, ob - wie die Rechtsbeschwerde meint - die weiteren Schriftsätze vom 9. Juni 2017 und 1. August 2017, die während der Berufungsbegründungsfrist dem Landgericht zugingen, bei dem die Berufung wie auch die Rechtsbehelfe betreffend die Ablehnungsentscheidung des Amtsgerichts anhängig waren, in diesem Sinne zur Begründung der Berufung bestimmt waren. Denn diese Schriftsätze enthielten wie auch die Berufungsschrift keine inhaltlich ordnungsgemäße Begründung der Berufung. Der Schriftsatz vom 4. Dezember 2017, auf den sich die Rechtsbeschwerde ebenfalls beruft, kann dagegen schon deswegen nicht berücksichtigt werden, weil er nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen ist.

b) Ein (zweites) Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt der Berufung nur insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO . Eine zulässige Berufung setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. November 2015 - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75 Rn. 5; vom 6. Oktober 2011 - IX ZB 149/11, FamRZ 2012, 27 Rn. 5). Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

aa) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil nicht darauf gestützt werden, Ablehnungsgesuche der säumigen Partei seien fehlerhaft behan delt worden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2017 - IX ZR 81/17, WM 2018, 445 Rn. 5; vom 26. November 2015 - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75 Rn. 6; jeweils zu § 565 Satz 1 i.V.m. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Denn die Vorschrift des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann nicht dahin ausgelegt werden, dass eine schlüssige Darlegung der fehlenden oder unverschuldeten Säumnis auch dann vorliegt, wenn der in erster Instanz schuldhaft säumige Berufungskläger rügt, das erkennende Gericht sei bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil es sein Ablehnungsgesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen habe (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 aaO Rn. 7).

Die Regelung des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO dient nicht allgemein der Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2017 - IX ZR 81/17, WM 2018, 445 Rn. 6). Sie stellt eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift dar, die lediglich die Überprüfung ermöglichen soll, ob eine schuldhafte Säumnis tatsächlich vorgelegen hat, mithin die Sanktion des endgültigen Prozessverlustes gerechtfertigt ist. Ansonsten soll sie einer Verschleppung des Rechtsstreits vorbeugen. Eine Anwendung der Vorschrift auch auf den Fall, dass die schuldhaft säumige Partei in der Berufung die unrichtige Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche durch das erstinstanzliche Gericht rügt, steht diesem Ziel entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2017 - IX ZR 81/17, WM 2018, 445 Rn. 6; vom 26. November 2015 - VI ZR 488/14, BGHZ 208, 75 Rn. 16).

Danach konnte der Beklagte seine Berufung weder mit der Bezeichnung des angefochtenen Urteils in der Berufungsschrift als "verfassungswidrig" unter Hinweis auf die Vorschriften des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zum Recht auf den gesetzlichen Richter und des Art. 103 Abs. 1 GG zum Anspruch auf rechtliches Gehör noch mit den weiteren Ausführungen in den Schriftsätzen vom 9. Juni 2017 und 1. August 2017 zur behaupteten Befangenheit des Amtsrichters und zu der seiner Ansicht nach unzulässigen Verwerfung des Befangenheitsgesuchs durch den abgelehnten Richter begründen. Dieser Vortrag war nicht geeignet, seine Säumnis zu entschuldigen.

bb) Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil kann auch nicht auf die angebliche Unzulässigkeit der Klage gestützt werden. Ist aufgrund mündlicher Verhandlung durch Versäumnisurteil gegen den Beklagten erkannt, sind die Zulässigkeit der Klage, ihre Schlüssigkeit und die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils in dem versäumten Termin richterlich geprüft (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 - V ZB 1/99, BGHZ 141, 351 unter II 2 [juris Rn. 10]). Eine erneute Prüfung sieht § 345 ZPO im Rahmen der Entscheidung über den Einspruch nicht vor (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 aaO). Darauf, ob das (erste) Versäumnisurteil nicht prozessordnungsgemäß ergangen ist, kommt es daher bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 aaO unter II 2 c [juris Rn. 17]). Die Bezeichnung der Klage als unzulässig, wie der Beklagte sie in der Berufungsschrift vorgenommen hat, vermag daher seine Berufung bereits unabhängig davon, dass sein Vortrag sich dort auf diesen Begriff beschränkt, nicht zu begründen.

2. Das Berufungsgericht hat nicht, wie die Rechtsbeschwerde rügt, den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es keinen rechtlichen Hinweis des Inhalts erteilt hat, der Beklagte solle seine in den anderen Schriftsätzen enthaltenen Rügen in einer formgerechten Berufungsbegründung konzentrieren. Nach dem oben Gesagten waren die dort erhobenen Einwände des Beklagten unabhängig von ihrer Einbettung in eine förmliche Berufungsbegründung nicht geeignet, die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil zu begründen. Der von der Rechtsbeschwerde geforderte Hinweis wäre daher rechtlich unzutreffend gewesen.

Vorinstanz: AG Regensburg, vom 26.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 3 C 3529/15
Vorinstanz: LG Regensburg, vom 31.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 22 S 114/17