Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 07.02.2018

IV ZB 17/17

Normen:
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1
ZPO § 574 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 07.02.2018 - Aktenzeichen IV ZB 17/17

DRsp Nr. 2018/3222

Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Verfristung der Berufung

Eine gesonderte Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch muss mit dem statthaften Rechtsmittel angegriffen werden, weil andernfalls die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag rechtskräftig und für die Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels bindend wird. Allerdings ist die betroffene Partei unter dem Aspekt der Rechtskraft nicht gehindert, nachfolgend weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen, über die noch nicht entschieden worden ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg - 8. Zivilsenat - vom 20. April 2017 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: bis zu 13.000 €

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 2 S. 1; ZPO § 574 Abs. 2 ;

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben gegen das ihnen am 3. Januar 2017 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt, diese aber nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Das Oberlandesgericht hat unter dem 13. März 2017 auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Mit einem am 20. März 2017 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Kläger ausgeführt und glaubhaft gemacht: Die mit der Eintragung von Fristen im Fristenkalender betraute Mitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten habe die Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung auf der zugestellten beglaubigten Urteilsabschrift schriftlich vermerkt. Dann habe sie die Frist zur Berufungseinlegung in den Fristenkalender eingetragen, nicht jedoch den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss vom 27. März 2017 abgelehnt.

Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 18. April 2017 weiter vorgetragen und glaubhaft gemacht: Die Organisation im Büro seiner Prozessbevollmächtigten sei so ausgestaltet, dass die zuständige Mitarbeiterin zunächst die Rechtsmittelfristen in den Fristenkalender eintrage und dann als "Erledigungsvermerk" die Fristen auf die jeweilig zugegangene Entscheidung aufbringe, so auch im vorliegenden Fall.

Durch Beschluss vom 20. April 2017 hat das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Kläger Rechtsbeschwerde eingelegt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist nach den §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, jedoch im Übrigen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 , 2. Alt. ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt nicht die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ).

1. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung verfristet ist, weil sie nicht gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils begründet worden ist.

2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wendet, gehen ihre Angriffe ins Leere.

a) Eine gesonderte Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch, die das Berufungsgericht hier nach § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO getroffen hat, muss mit dem statthaften Rechtsmittel angegriffen werden, weil andernfalls die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag rechtskräftig und für die Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels bindend wird (BGH, Beschlüsse vom 1. März 2017 - XII ZB 448/16, NJW 2017, 1554 Rn. 8; vom 8. Januar 2016 - I ZB 41/15, NJW-RR 2016, 507 Rn. 14; vom 16. April 2002 - VI ZB 23/00, NJW 2002, 2397 , 2398; jeweils m.w.N.).

Allerdings ist die betroffene Partei unter dem Aspekt der Rechtskraft nicht gehindert, nachfolgend weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen, über die noch nicht entschieden worden ist , soweit die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt ist, die bei Geltendmachung mehrerer Hinderungsgründe erst mit der Beseitigung des letzten Hinderungsgrundes zu laufen beginnt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2017 aaO Rn. 9; vom 8. Januar 2016 aaO Rn. 14).

b) Gemessen hieran war die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 27. März 2017 über den Wiedereinsetzungsantrag für seine nachfolgende Entscheidung über die Verwerfung des Rechtsmittels bindend. Der Kläger hat es versäumt, gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 27. März 2017 einzulegen.

Daran ändert es auch nichts, dass er zu diesem Beschluss mit Schriftsatz vom 18. April 2017 Stellung genommen und weiter zur Organisation der Fristenkontrolle im Büro seiner Prozessbevollmächtigten vorgetragen hat. Ob dieser Schriftsatz als Gegenvorstellung anzusehen ist, kann dahinstehen. Zum einen hat der Kläger damit nur den bereits von ihm geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund zu bekräftigen versucht und keinen neuen Wiedereinsetzungsgrund genannt. Zum anderen ist die Gegenvorstellung gegenüber dem ordentlichen Rechtsbehelf, hier der Rechtsbeschwerde, nachrangig (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2017 - XII ZB 448/16, NJW 2017, 1554 Rn. 11 m.w.N.).

Schließlich entfällt die Bindung an den Beschluss vom 2 7. März 2017 nicht deshalb, weil das Berufungsgericht in seiner Entscheidung über die Verwerfung der Berufung die Gründe, warum eine Wiedereinsetzung nicht zu gewähren sei, wiederholt und ergänzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2017 aaO Rn. 12).

Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 30.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 2322/15
Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 20.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 260/17