Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 15.05.2018

X ZR 17/16

Normen:
PatG § 4

BGH, Urteil vom 15.05.2018 - Aktenzeichen X ZR 17/16

DRsp Nr. 2018/17656

Patentfähigkeit des Patents mit der Bezeichnung "Rohrverband zur Aufnahme von Kabeln" als Erfindung und Neuheit

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 6. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 28. Oktober 2015 unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Normenkette:

PatG § 4 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 670 111 (Streitpatents), das am 7. Dezember 2005 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität angemeldet wurde und einen Rohrverband betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich die übrigen sechs Patentansprüche beziehen, lautet in der Verfahrenssprache wie folgt:

"Rohrverband zur Aufnahme von Kabeln, bestehend aus mindestens drei Innenrohren zur Führung von Kabeln, die in einer Umhüllung aus Kunststoff enthalten sind, dadurch gekennzeichnet, dass ein flexibles Hüllrohr (3) vorgesehen ist, das einen Außenumfang aufweist, der dem genormter, kreisrunder Rohre entspricht, gas- und wasserdicht ausgebildet ist und mindestens eine Innendruckfestigkeit von 0,5 bar aufweist und das Hüllrohr (3) während der Montage und des Transportes eine flache bis ovale Form (4)/(6) aufweist und am Austritt der Innenrohre (2) das beidseitige Ende des Hüllrohres (3) zu einem kreisrunden Querschnitt (7) verformbar ist, wobei die kabelführenden Innenrohre (2) darin lose oder aneinander liegend enthalten sind."

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Zudem offenbare das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten und hilfsweise in elf geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die mit Hilfsantrag VIII neu verteidigte, aus dem Tenor des angefochtenen Urteils ersichtliche Fassung hinausgeht. Mit ihren Berufungen verfolgen beide Parteien ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent ergänzend weiterhin mit ihren erstinstanzlichen Hilfsanträgen sowie mit drei neuen Hilfsanträgen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, die Berufung der Klägerin hingegen unbegründet.

I. Das Streitpatent betrifft einen Rohrverband.

1. Nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift sind im Stand der Technik Verbände von kabelführenden Rohren in unterschiedlichen Ausführungen bekannt. Danach werden kabelführende Rohre entweder mit Bändern, Ringen, extrudierten Schutzprofilen, Rohrmatten mit Verbindungsstegen oder Hüllen, beispielsweise aus Kunststofffolien, zu einem Rohrverband verbunden. Nachteilig an den im Stand der Technik bekannten Umhüllungen aus flexiblen Folien, wie beispielsweise Schrumpffolien, sei, dass diese nicht hinreichend fest und stabil seien und leicht beschädigt werden könnten. Die mit solchen Folien hergestellten Rohrverbände seien weder gas- noch wasserdruckresistent und für Erdverlegungen nicht besonders geeignet. Ferner könnten in diesen Folienumhüllungen nur eine kleine Anzahl Kabelschutzrohre untergebracht werden. Nachträglich zusätzliche Kabelführungsrohre einzuziehen, sei überhaupt nicht möglich.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, einen gas- und wasserdruckresistenten Rohrverband zur Verfügung zu stellen, in dem eine größere Anzahl flexibler Innenrohre Platz finden und der die Nachteile der bekannten Rohrverbände vermeidet.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent einen Rohrverband vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1.

Der Rohrverband dient der Aufnahme von Kabeln [1].

2.

Der Rohrverband besteht aus

2.1

mindestens drei Innenrohren (2) zur Führung von Kabeln [2] und

2.2

einem flexiblen Hüllrohr (3) aus Kunststoff [2; 3].

3.

Die Innenrohre sind im Hüllrohr lose oder aneinander liegend enthalten [9].

4.

Das Hüllrohr (3)

4.1

weist einen Außenumfang auf, der dem genormter, kreisrunder Rohre entspricht [4];

4.2

ist gas- und wasserdicht ausgebildet [5];

4.3

weist eine Innendruckfestigkeit von 0,5 bar auf [6];

4.4

weist während der Montage und des Transports eine flache bis ovale Form (4)/(6) auf [7];

4.5

ist an seinen beidseitigen Enden am Austritt der Innenrohre zu einem kreisrunden Querschnitt (7) verformbar [8].

3. Nach der erfindungsgemäßen Lehre ist von entscheidender Bedeutung, dass das Hüllrohr flexibel ist, wobei ein zentraler Aspekt der Flexibilität die in den Merkmalen 4.4 und 4.5 zum Ausdruck kommende Variabilität hinsichtlich der möglichen Formen und der Verformbarkeit ist.

a) Weder Merkmal 2.2 noch die Streitpatentschrift enthalten konkrete Angaben in Bezug auf den Grad der Flexibilität des Hüllrohrs, wie beispielsweise den Wert des Elastizitätsmoduls. In der Streitpatentschrift wird insoweit lediglich ausgeführt, das Hüllrohr sei derart flexibel ausgebildet, dass es sich einem verfügbaren freien Querschnitt anpasse, dabei eine ausreichende Festigkeit besitze und gas- und wasserdruckresistent sei. Ein solches stabiles Hüllrohr könne auch mehrere Innenrohre aufnehmen und ermögliche es, auch noch nachträglich Innenrohre einzuziehen (Beschr. Abs. 6).

b) Vor diesem Hintergrund sind für die Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen ein Hüllrohr als flexibel im Sinne von Merkmal 2.2 anzusehen ist, die weiteren das Hüllrohr umschreibenden Merkmale heranzuziehen, die eine Flexibilität voraussetzen.

aa) Nach Merkmal 3 muss das Hüllrohr so beschaffen sein, dass die Innenrohre nicht nur aneinander liegend, sondern auch lose darin angeordnet sein können. Nach Merkmal 4.4 weist das Hüllrohr während der Montage und des Transports eine flache bis ovale Form auf. Merkmal 4.5 sieht vor, dass das Hüllrohr an seinen beidseitigen Enden am Austritt der Innenrohre zu einem kreisrunden Querschnitt verformbar ist.

Mit Blick auf Merkmal 4.5, wonach das Hüllrohr an seinen beidseitigen Enden am Austritt der Innenrohre zu einem kreisrunden Querschnitt verformbar sein muss, ist die Formulierung "flache bis ovale Form" in Merkmal 4.4 entgegen der Annahme des Patentgerichts nicht dahin zu verstehen, dass damit lediglich solche Abweichungen von der runden Form gemeint sind, die beim Aufwickeln des Rohrverbands auf eine Transportrolle oder beim Verlegen des Rohrverbands zwangsläufig eintreten. Vielmehr soll das Hüllrohr nach Merkmal 4.4 so gestaltet sein, dass ihm je nach den Bedürfnissen für den Transport und die Montage eine flache bis ovale Form - wie beispielsweise in den Figuren 1, 2 und 3 des Streitpatents gezeigt - gegeben werden kann, die das Aufwickeln des Verbunds auf eine Spule für den Transport erleichtert und gezielt eine Montage entsprechend den jeweiligen Platzverhältnissen ermöglicht. Daraus ergibt sich, dass Merkmal 4.4 nicht jegliche bereits minimale Abweichung von der Kreisform meint, sondern vielmehr dahin zu verstehen ist, dass das Hüllrohr in seiner Ausdehnung deutlich breiter als hoch sein muss (vgl. Abs. 10 der Streitpatentschrift).

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei gegenüber der internationalen Anmeldung 03/021324 (NK3) nicht neu. Diese Schrift betreffe einen Rohrverband zur Verlegung in einem Kabelkanal, der ein flexibles Rohr umfasse, das von einer ersten Schicht mit einem Elastizitätsmodul von weniger als 400 Megapascal (MPa) umgeben sei, die ihrerseits von einer Schmierschicht umgeben sei. Bei dem in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel bestehe der Rohrverband aus einem Blindrohr, fünf um das Blindrohr herum angeordneten Innenrohren zur Führung von Kabeln, einer das Blindrohr und die Innenrohre umgebenden äußeren Hülle, die mit einer nicht-metallischen Wasserbarriere versehen und von einer Polymerschmierschicht umgeben sei, sowie einer Reißleine, mit der die Deckschichten entfernt werden könnten, um Zugang zu dem Blindrohr und den Innenrohren zu erhalten. Die NK3 beschreibe Versuche mit einem Rohrverband, der sich von dem in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel dadurch unterscheide, dass die Polymerschmierschicht fehle, die Wasserbarriere aus Aluminiumfolie bestehe und die äußere Hülle loser angebracht sei. Nach den Erläuterungen in der NK3 sei ein derartiger Rohrverband üblicherweise in einen Kabelkanal eingezogen und nicht mittels Druckluft eingeblasen worden, da man ihn hierfür als nicht geeignet angesehen habe. Indessen habe der Rohrverband des Vergleichsbeispiels nach den in der NK3 geschilderten Versuchsergebnissen mittels einer Druckluft von 8 bar 760 m weit in einen gerippten Kabelkanal mit einem Außendurchmesser von 50 mm und einem Innendurchmesser von 40,8 mm eingeblasen werden können. Damit offenbare die NK3 Merkmal 1 und die Merkmalsgruppe 2. Der in der NK3 genannte Elastizitätsmodul des Hüllrohrs von 400 bzw. 350 MPa spreche - anders als die Beklagte meine - dafür, dass das Hüllrohr der NK3 flexibel sei. Von den Merkmalen der Merkmalsgruppe 4 werde die Wasserdichtigkeit nach Merkmal 4.2 explizit offenbart, da das Hüllrohr mit einer Wasserbarriere versehen sei. Dass das Hüllrohr gasdicht sei und die Innendruckfestigkeit nach Merkmal 4.3 aufweise, lese der Fachmann mit, da beim Einblasen eines Rohrverbandes in einen Kabelkanal unter Verwendung von Druckluft von 8 bar definierte Druckunterschiede zwischen dem auf das Hüllrohr wirkenden Außen- und dem Innendruck aufrechterhalten werden müssten. Auf Merkmal 4.1 komme es nicht an, da dieses nicht geeignet sei, einen Unterschied zum Stand der Technik zu definieren, nachdem der Streitpatentschrift nicht entnommen werden könne, auf welche Norm insoweit Bezug genommen werde. Eine flache bis ovale Form des Hüllrohrs nach Merkmal 4.4 werde in der NK3 zwar nicht explizit angesprochen. Die für die Formstabilität eines Rohres im Wesentlichen maßgeblichen Parameter Außenumfang, Wanddicke und Material stimmten jedoch bei dem Hüllrohr der NK3 und dem Gegenstand des Streitpatents überein, so dass davon auszugehen sei, dass das Hüllrohr der NK3, wenn es - wie in Patentanspruch 5 vorgesehen - einen im Wesentlichen kreisförmigen Querschnitt aufweise, unter den beim Transport und der Montage üblicherweise auftretenden Kräften wie das erfindungsgemäße Hüllrohr eine von der runden Form abweichende flache bis ovale Form annehmen könne. Insoweit habe die Beklagte nicht nachweisen können, dass der Fachmann für einen Rohrverband mit fünf Innenrohren eine stärkere Wanddicke als 0,5 mm in Betracht gezogen hätte. Auf das Merkmal 4.5 komme es nicht an, da die Streitpatentschrift keine Angabe dazu enthalte, welche Kräfte oder Umgebungsbedingungen auf das Hüllrohr einwirken sollen, um dieses zu verformen. In Bezug auf Merkmal 3 werde die Variante, dass die Innenrohre aneinander liegen, in Figur 1 der NK3 offenbart, während die Alternative, dass die Innenrohre lose im Hüllrohr liegen, durch das geschilderte Vergleichsbeispiel offenbart werde, bei dem die äußere Hülle lockerer als bei der Anordnung in dem in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel angebracht sei.

Der Gegenstand des Streitpatents in der mit den Hilfsanträgen I bis VII verteidigten Fassung sei ebenfalls nicht patentfähig, da er durch die NK3 entweder vorweggenommen oder dem Fachmann zumindest nahegelegt werde.

Dagegen habe der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag VIII neu verteidigten Fassung Bestand. Er sei weder gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen unzulässig erweitert noch gehe er über den Schutzbereich des Streitpatents in der erteilten Fassung hinaus. Dass die Umhüllung der Innenrohre aus Kunststoff und als flexibles Hüllrohr ausgebildet sei, sei ursprungsoffenbart.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VIII neu sei auch ausführbar offenbart. Der Fachmann sei in der Lage, mit den in der Streitpatentschrift enthaltenen Angaben zu Außenumfang, Wanddicke und Material des Hüllrohrs einen erfindungsgemäßen Rohrverband mit einem nach den Vorgaben des Streitpatents flexiblen, gas- und wasserdichten Hüllrohr herzustellen. Es sei üblich, dass der Fachmann für die Montage und den Transport von Rohrverbänden die maximal zulässige Zugbelastung und den zulässigen minimalen Biegeradius vorgebe und dabei auch berücksichtige, dass ein Rohrverband mit im Hüllrohr aneinander liegenden Innenrohren nicht zu 100% befüllt werden könne, wenn die Verformbarkeit gewährleistet und eine Beschädigung der Innenrohre vermieden werden solle.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VIII neu sei auch patentfähig. Anders als die übrigen Merkmale von Patentanspruch 1 in dieser Fassung werde das Merkmal, wonach innen am Ende des Hüllrohrs eine Stützhülse eingesetzt ist, durch die NK3 nicht offenbart.

III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung der Beklagten nicht stand. Das Patentgericht hat zu Unrecht angenommen, dass in der internationalen Anmeldung 03/021324 (NK3) alle Merkmale der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 offenbart sind.

1. Die NK3 betrifft einen Rohrverband (tube assembly) zur Installation in einem Kanal (duct), der einerseits nicht mit den Nachteilen der im Stand der Technik bekannten Rohrverbände behaftet sein soll, die wegen ihrer Steifheit nicht sehr weit eingeblasen werden können, und es andererseits ermöglicht, die Innenrohre vor Beschädigungen zu bewahren, wie sie beim Einblasen oder Einschieben ohne Schutzhülle durch den dabei ausgeübten Druck gelegentlich auftreten (NK3 S. 1 Abs. 1 und 2). Der vorgeschlagene Rohrverband umfasst mindestens ein hohles flexibles Rohr (hollow flexible tube), eine erste Schicht (first layer), die das flexible Rohr umschließt und einen Elastizitätsmodul (flexural modulus) von weniger als 400 MPa aufweist, sowie eine Schmierschicht (lubricating layer), die die erste Schicht umgibt (NK3 S. 2 Abs. 3).

Die in Figur 1 der NK3 gezeigte bevorzugte Ausführungsform der Erfindung besteht aus einem Hüllrohr (outer sheath), das aus extrudiertem Polyethylen mittlerer Dichte (0,939 g pro cm3) besteht, mit einer nicht-metallischen Wasserbarriere (non-metallic-water barrier) versehen und von einer Polymerschmierschicht (lubricant polymer layer) umgeben ist, die eine polyethylenbasierte Schmiermittelverbindung enthält, wobei der aktive Bestandteil des Schmiermittels ein organisches Silikongleitmittel ist. In diesem Hüllrohr befinden sich ein Blindrohr (dummy tube) mit 7 mm Außendurchmesser und fünf Hauptrohre (primary tubes) mit einem Außendurchmesser von 10 mm und einem Innendurchmesser von 8 mm, die jeweils aus extrudiertem Polyethylen mittlerer Dichte gefertigt sind, sowie eine Reißleine, mit der später die Deckschichten (covering layers) des Rohrverbands entfernt werden können, um Zugang zu den innenliegenden Hauptrohren und dem Blindrohr zu erhalten (NK3 S. 4 Abs. 4). Eine solche Kabelanordnung soll nach den Ausführungen in der NK3 über eine wesentlich größere Distanz durch Einblasen installiert werden können, als dies bei den im Stand der Technik bekannten Einzelrohren möglich wäre (NK3 S. 4 Abs. 5).

Unter der Überschrift "Beispiel" wird ein Test geschildert, bei dem eine Kabelanordnung eingeblasen wurde, die sich von der Anordnung des Ausführungsbeispiels nach Figur 1 der NK3 nur durch das Fehlen der Wasserbarriere unterschied und eine Installationsgeschwindigkeit von 85 Metern pro Minute ermöglichte (NK3 S. 5).

Unter der Überschrift "Vergleichsbeispiel" wird in der NK3 die Durchführung eines Tests geschildert, bei dem eine Kabelanordnung eingeblasen wurde, die sich von der Anordnung nach Figur 1 dadurch unterscheidet, dass die Schmierschicht fehlte, eine Aluminiumfolie als Wasserbarriere diente und der äußere Mantel aus Polyethylen mittlerer Dichte loser angebracht war. Die mit dieser Anordnung erreichten Werte hinsichtlich Dauer und Distanz belegen nach den Ausführungen in der NK3, dass der vorgeschlagene Rohrverband mit höheren Geschwindigkeiten und über eine längere Distanz als nach dem Stand der Technik eingeblasen werden kann (NK3 S. 5-6).

2. Damit offenbart die NK3 jedenfalls nicht die Merkmale 3, 4.4 und 4.5. Diese Merkmale ergeben sich weder aus dem Patentgericht in Bezug genommenen, in der NK3 beschriebenen Vergleichsbeispiel noch aus den übrigen Ausführungen in der NK3 zu der Erfindung im Allgemeinen und zu dem Ausführungsbeispiel in Figur 1 unmittelbar und eindeutig.

Nach den Erläuterungen in der NK3 soll die beschriebene Umhüllung mit einer ersten Schicht, die eine Flexibilität mit einem Elastizitätsmodul von weniger als 400 MPa aufweist, und einer diese Schicht umgebenden Schmierschicht die im Stand der Technik bekannten Probleme vermeiden, die einerseits beim Einblasen von steiferen Materialien mit einer geringen Reibung, wie beispielsweise Polyethylen hoher Dichte, und andererseits beim Einblasen von Rohren aus flexibleren Materialien mit einer großen Reibung, wie beispielsweise Polyethylen mittlerer Dichte, auftreten. So könnten steifere Materialien wegen der geringeren Reibung an sich besser in einen Leitungskanal eingeblasen, dafür aber schlechter um Biegungen geleitet werden, während flexiblere Materialien besser um Biegungen geleitet werden könnten, dafür aber schlechter in den Leitungskanal eingeblasen werden könnten. Die vorgeschlagene Anordnung bilde für die im Inneren befindlichen Rohre einen Schutzmantel gegen den Druck und die Kräfte, die von der beim Einblasen der Rohre eingesetzten Raupe ausgingen, und lasse die Notwendigkeit entfallen, die Rohre im Inneren mit Druck beaufschlagen zu müssen, um sie vor Beschädigungen zu schützen (NK3 S. 2 Abs. 3). Danach will die NK3 mit der flexiblen Ausgestaltung des Hüllrohrs erreichen, dass der Rohrverband mit wesentlich höheren Blasgeschwindigkeiten und über wesentlich größere Distanzen als im Stand der Technik bekannte Rohrverbände eingeblasen werden kann und außerdem auch mehrere Rohre gleichzeitig eingeblasen werden können (NK3 S. 3 Abs. 1). Dies wird bestätigt durch entsprechende Schlussfolgerungen aus den unter der Überschrift "Vergleichsbeispiel" dargelegten Ergebnissen von Versuchen mit einer Anordnung, die abweichend von dem in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel keine Schmierschicht aufweist (NK3 S. 6). Dagegen wird die Verformbarkeit des Querschnitts des Hüllrohrs, wie sie nach Merkmal 4.5 vorausgesetzt wird, in der NK3 nicht angesprochen. Zwar kann die erste, flexible Schicht nach den Erläuterungen in der NK3 einen im Wesentlichen kreisförmigen oder polygonalen Querschnitt aufweisen (NK3 S. 3). Aus der NK3 ergibt sich indessen nicht, dass das Hüllrohr während der Montage und des Transports eine flache bis ovale Form im Sinne von Merkmal 4.4 aufweist und, wie nach Merkmal 4.5 vorgesehen, am Austritt der Innenrohre zu einem kreisrunden Querschnitt verformbar ist.

Ebenso wenig lässt sich der Angabe, dass bei dem Vergleichsbeispiel die äußere Schicht (outer sheath) loser angebracht worden sei als bei dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel der in der NK3 beschriebenen Erfindung, das Merkmal 3 in der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen. Denn die NK3 verhält sich insoweit nicht dazu, ob und wie sich die Positionierung der Innenrohre durch die losere Anordnung der äußeren Schicht verändert, zumal nicht angegeben wird, dass in dem Vergleichsbeispiel auf das in Figur 1 gezeigte Blindrohr verzichtet wurde.

IV. Die Entscheidung des Patentgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Das Streitpatent hat vielmehr in der erteilten Fassung Bestand. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Berufung der Klägerin der Erfolg zu versagen ist.

1. Die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhte.

a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann durch die NK3 nicht nahegelegt.

Der Fachmann hatte keine Veranlassung, das in der NK3 offenbarte Hüllrohr in der Weise derart flexibel zu gestalten, dass es während des Transports und der Montage eine flache bis ovale Form aufweist (Merkmal 4.4) und am Austritt der Innenrohre zu einem kreisrunden Querschnitt verformbar ist (Merkmal 4.5). Wie oben dargelegt, kommt es der NK3 darauf an, das Hüllrohr in der Weise flexibel zu gestalten, dass es einerseits die erforderliche Beweglichkeit aufweist, um gut um Biegungen geleitet werden zu können, und andererseits über eine ausreichende Festigkeit verfügt, um mit höherer Geschwindigkeit und über weitere Distanzen als nach dem zum Prioritätszeitpunkt bekannten Stand der Technik in einen Kanal eingeblasen werden zu können. Die Möglichkeit, das Hüllrohr derart flexibel zu gestalten, dass es unterschiedliche Formen annehmen und sein Querschnitt für Transport und Montage je nach Bedarf verformt werden kann, wird in der NK3 nicht nur nicht erörtert. Vielmehr stellt die NK3 es als vorteilhaft heraus, dass bei dem vorgeschlagenen Rohrverband durch entsprechende Materialauswahl vermieden werden könne, dass der Rohrverband sich während der Installation oder, wenn er auf eine Lagertrommel aufgewickelt werde, verforme oder knicke (NK3 S. 4 Abs. 1). Zwar beziehen sich diese Ausführungen ausschließlich auf die Verwendung duktiler Materialien und die damit einhergehende Gefahr einer plastischen und damit in der Regel irreversiblen Verformung. Dennoch geben diese Ausführungen dem Fachmann keinen Anlass, das Hüllrohr so zu gestalten, dass es in seinem Querschnitt für den Transport und die Montage je nach Bedarf verformt werden kann, sondern allenfalls die von der Lösung des Streitpatents wegführende Anregung, Materialien zu wählen, mit denen eine Verformung verhindert werden kann.

b) Zur Entwicklung des Gegenstands von Patentanspruch 1 gab dem Fachmann auch die US-amerikanische Patentanmeldung 2002/0081083 (NK1) keine Veranlassung. Diese Schrift betrifft ein Verfahren zur Einführung von Kabelführungsrohren in einen Kabelkanal, wobei der Kern der erfinderischen Lehre darin besteht, die Kabel nicht in einem festen (solid bundle), sondern in einem losen Verbund (loose bundle) in den Kanal einzuführen und den Kabelkanal auch nur zu 30% bis 60% mit den Kabelrohren zu befüllen. Ein wesentlicher Vorteil dieses Verfahrens besteht neben der einfacheren Installation und Zugänglichkeit der Rohre darin, dass die Rohre auch dann vor Beschädigungen geschützt sind, wenn der Kabelkanal durch äußere Einwirkungen eingedrückt wird, weil durch die vorgeschlagene lose Anordnung im Kanal ausreichend Platz zum Ausweichen zur Verfügung steht (NK1 Abs. 10). Dass mit der losen Anordnung auch eine Verformbarkeit des Rohrverbands während des Transports im Sinne von Merkmal 4.4 sichergestellt werden soll, wird in der NK1 dagegen nicht offenbart. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dieses Merkmal nicht den Figuren 8, 8A, 9 und 9A entnehmen. Die dort gezeigten Einbuchtungen des Kabelkanals zeigen nicht eine durch eine flexible Struktur bedingte und beabsichtigte Verformbarkeit des Hüllrohrs im Sinne von Merkmal 4.4. Vielmehr sollen die Darstellungen die Auswirkungen eine Beschädigung des Hüllrohrs auf die innen liegenden Rohre zeigen und demonstrieren, dass die Innenrohre bei einer losen Anordnung anders als bei einer straffen Anordnung auch dann, wenn das Hüllrohr durch äußere Krafteinwirkungen eingedrückt wird, unbeschädigt bleiben (NK1 Abs. 38-40). Eine Anregung, den Rohrverband eine Form entsprechend Merkmal 4.4 zu geben, vermittelt die NK1 dem Fachmann damit nicht.

c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann auch nicht durch die US-amerikanische Patentanmeldung 2003/0012527 (NK2) nahegelegt. Diese Entgegenhaltung betrifft einen Rohrverband, bei dem neben den Innenrohren ein Füllkörper oder ein sonstiges Bauteil eingeführt wird, um zu verhindern, dass die Innenrohre im Hüllrohr einknicken oder über Kreuz zu liegen kommen. Diese Schrift befasst sich somit ausschließlich mit dem Füllgrad und der Anordnung der Innenrohre im Hüllrohr, nicht jedoch mit der Gestaltung des Hüllrohrs selbst. Damit fehlt es an einer Anregung für den Fachmann, das Hüllrohr im Sinne von Merkmal 4.4 auszugestalten.

d) Eine solche Anregung erhielt der Fachmann schließlich auch nicht durch die internationale Patentanmeldung 03/006869 (NK4). Diese Schrift betrifft ein Mikrokabelrohrsystem mit einer Ummantelung (sheathed microduct system), in dem mindestens ein Netz- oder Fernmeldekabel (power and/or communications cable) und ein zur Aufnahme eines weiteren Netzkabels geeignetes Mikrorohr (microduct) zu einem Verbund zusammengeschlossen sind. Der Verbund der Kabel und Mikrorohre kann entweder mit Bändern oder mit einer Hülle aus Polyethylen oder jeder anderen Art von Plastik oder plastikähnlichem Material hergestellt werden. Nach dem in der NK4 geschilderten Verfahren wird die Hülle des Rohrverbands mit einem Extruder hergestellt. Dabei wird der Rohrverband mit dem aus der Düse des Extruders austretenden Plastik überzogen und passiert anschließend einen Kühlbehälter, so dass sich um die Rohre eine Schrumpffolie (shrink wrap) bildet, die mit der Abkühlung zunehmend härter wird, wobei die Hülle dabei zunächst noch eine gewisse Flexibilität behalten soll, damit sie, wenn sie vom Abzug aus dem Extruder gezogen wird, noch in die letztlich benötigte Stärke gebracht werden kann (NK4 S. 8 Z. 23 - S. 9 Z. 14). Nach den Erläuterungen der NK4 ist dabei darauf zu achten, dass der Druck im Abzug und das Vakuum in der Vakuumöffnung nach dem Extruder so eingestellt sind, dass die Hülle nicht zu stark angespannt wird, um zu vermeiden, dass die Mikrorohre unrund werden (NK4 S. 9 Z. 17-19). Daraus ergibt sich, dass nach der NK4 die Hülle so dem Umfang des Rohrbündels angepasst werden soll, dass dieses einerseits sicher zusammengehalten wird und andererseits die Rohre nicht eingedrückt werden. Eine Form des Hüllrohrs im Sinne von 4.4 wird damit durch die NK4 nicht offenbart, zumal dort in Bezug auf den Transport lediglich ausgeführt wird, dass der fertige Rohrverbund auf eine Spule aufgerollt werden kann, ohne dass erwähnt würde, dass der Rohrverband zu diesem Zweck eine andere Form als nach dem Austritt aus dem Extruder annimmt (NK4 S. 9 Z. 14-16). Der Fachmann erhält somit auch aus der NK4 keine Anregung, ein Hüllrohr so zu gestalten, dass es während Transport und Montage eine flache bis ovale Form aufweist.

2. Die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Nichtigkeitsgründe greifen gleichfalls nicht durch.

a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

aa) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ist Patentanspruch 1 nicht dadurch unzulässig erweitert, dass in der erteilten Fassung im Oberbegriff nach den Wörtern "in einer Umhüllung" die Wörter "aus Kunststoff" eingefügt worden sind. In der Anmeldung des Streitpatents ist von Kunststoff zwar nur im Zusammenhang mit dem "Hüllrohr" die Rede. So ist in der Beschreibung der Anmeldung ausgeführt, dass das Hüllrohr vorteilhafterweise aus Kunststoff gefertigt sei (Abs. 11). Darüber hinaus ist in Patentanspruch 6 der Anmeldung vorgesehen, dass das Hüllrohr aus Kunststoff besteht. Aus dem Zusammenhang von Oberbegriff und kennzeichnendem Teil ergibt sich indessen, dass es sich bei der im Oberbegriff von Patentanspruch 1 genannten "Umhüllung" sowohl in der erteilten als auch in der angemeldeten Fassung um ein Hüllrohr handelt. Somit ergibt sich aus der Aufnahme der Formulierung "Umhüllung aus Kunststoff" in den Oberbegriff keine unzulässige Erweiterung gegenüber den ursprünglich eingereichten Anmeldunterlagen.

bb) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht auch nicht deshalb über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus, weil im kennzeichnenden Teil der bestimmte Artikel "das" vor dem Wort "Hüllrohr" durch den unbestimmten Artikel ersetzt und das Adjektiv "flexibles" hinzugefügt worden sind. Den Anmeldeunterlagen ist unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass das als Umhüllung für die Innenrohre dienende Hüllrohr flexibel ist. So heißt es in der Beschreibung der Anmeldung, dass das Hüllrohr derart flexibel ausgebildet sei, dass es sich einem verfügbaren freien Querschnitt anpasse und dabei eine ausreichende Festigkeit besitze und gas- und wasserdruckresistent sei (Abs. 5 Z. 13-17). Dass aus dieser Passage, die die Flexibilität des Hüllrohrs näher beschreibt, zu der Angabe "flexibel" lediglich die Stabilität gegenüber Gas- und Wasserdruck in die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 aufgenommen worden ist (Merkmal 4.2), nicht aber das Kriterium, dass sich das Hüllrohr einem verfügbaren freien Querschnitt anpasse, stellt keine unzulässige Erweiterung dar. Abgesehen davon, dass diese Anpassungsfähigkeit des Hüllrohrs auch in der Beschreibung des Streitpatents in der erteilten Fassung enthalten und damit auch für die Auslegung des Begriffs "flexibel" im erteilten Patentanspruch 1 heranzuziehen ist, beschreibt dieses Kriterium die Flexibilität nicht in einem abschließenden Sinn.

b) Die Lehre der Erfindung ist so hinreichend offenbart, dass der Fachmann sie ausführen kann.

Die Gründe, aus denen das Patentgericht das Streitpatent in der Fassung des angefochtenen Urteils als ausführbar offenbart angesehen hat, gelten für die erteilte Fassung entsprechend und lassen keine fehlerhafte Beurteilung erkennen.

Dem tritt die Klägerin insoweit nicht mehr entgegen, als das Patentgericht angenommen hat, dass der Fachmann mit den Angaben in der Streitpatentschrift ausreichend Informationen hinsichtlich der strukturellen Beschaffenheit des Hüllrohrs erhalte. Die Klägerin zieht eine ausführbare Offenbarung aber deshalb in Zweifel, weil das Streitpatent als Material für das Hüllrohr ganz allgemein auf Kunststoff verweise. Dies bedeute, dass einerseits der Fachmann aus einer Vielzahl von verfügbaren Kunststoffen in mühevoller Arbeit einen geeigneten Kunststoff finden müsse, der insbesondere den Anforderungen an die Flexibilität entspreche, und andererseits der Gegenstand des Streitpatents nicht über den gesamten Schutzbereich ausführbar sei, weil bestimmte Kunststoffe, wie beispielsweise Duroplaste, nicht die erforderliche Flexibilität aufwiesen. Dem kann nicht beigetreten werden. Ein Fachmann mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Kabelschutzrohren weiß, welche Kunststoffe grundsätzlich für die Fertigung von Hüllrohren in Betracht kommen. Insbesondere ist ihm bekannt, dass Duroplaste, die nicht verformt werden können, von vorneherein nicht für die Herstellung eines erfindungsgemäßen Hüllrohrs in Betracht kommen. Im Übrigen verlangt eine hinreichende Offenbarung nicht, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 36 - Polymerisierbare Zementmischung).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG , § 91 Abs. 1 , § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 15. Mai 2018

Vorinstanz: BPatG, vom 28.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Ni 60/14 (EP)