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BGH - Entscheidung vom 17.05.2018

X ZR 18/16

Normen:
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b)

BGH, Urteil vom 17.05.2018 - Aktenzeichen X ZR 18/16

DRsp Nr. 2018/10718

Patentfähigkeit des Patents mit der Bezeichnung "Filterpatrone für wasserführende Geräte, insbesondere für Getränkemaschinen" als Erfindung und Neuheit

Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 22. September 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Normenkette:

IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2; EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b);

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 049 217 (Streitpatents), das am 10. August 2007 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 11. August 2006 angemeldet worden ist und eine Filterpatrone für wasserführende Geräte, insbesondere für Getränkemaschinen betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:

"1. Filterpatrone für einen Wassertank für wasserführende Geräte, insbesondere Haushaltsgeräte wie Getränkeautomaten, insbesondere Kaffeeautomaten, Trinkwasserspender, Koch- und Backgeräte, Dampfgeräte, insbesondere Dampfbügeleisen, Dampfreiniger, Hochdruckreiniger, Luftreiniger und -konditionierer oder dergleichen, mit einem Gehäuse (10) und einer Steigleitung (2), zur Zufuhr von zu reinigendem Wasser von oben in eine im Abstrom zu betreibende Filterstrecke (4), und wobei ein in Strömungsrichtung der Filterstrecke nachfolgend angeordneter Sauganschluss an der Filterpatrone zum Ansaugen von Wasser aus der Filterpatrone mit Mitteln der Erzeugung eines Unterdruckes vorgesehen ist, wobei die Steigleitung (2) wenigstens in dem Bereich des Gehäuses (10), in welchem der Sauganschluss ausgebildet ist, im Gehäuse (10) der Filterpatrone (1) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Steigleitung (2) innerhalb des Gehäuses (10) freistehend ausgebildet ist."

Die Patentansprüche 2 bis 5 betreffen besondere Ausgestaltungen einer solchen Filterpatrone, die Patentansprüche 6 bis 8 einen Wasservorratstank und eine Getränkemaschine, in denen eine solche Patrone enthalten ist.

Die Klägerin hat das Streitpatent mit der Begründung angegriffen, die Erfindung sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Schutzrechts sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent mit einem Haupt- und drei Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die mit dem Hauptantrag verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen.Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren 5 weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I. Das Streitpatent betrifft eine Filterpatrone für wasserführende Geräte.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift sind Filterpatronen zum Einsetzen in den Wasservorratstank einer Getränkemaschine wie einer Espressomaschine oder dergleichen in der Regel mit einem Gehäuse ausgestattet, in dem ein aus Filtermaterial gebildetes Filterbett angeordnet ist.

Bei im Stand der Technik bekannten Filterpatronen, wie sie etwa in der deutschen Offenlegungsschrift 197 17 054 offenbart seien, werde das Filterbett bzw. die Filterstrecke im Aufstrom von unten nach oben durchströmt. Dies habe zur Folge, dass das Wasser gegen den Strömungswiderstand angehoben werden müsse und die Gravitation des Wassers der Strömungsrichtung entgegenstehe (Abs. 2 f.).

Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, eine verbesserte Filterpatrone zur Verfügung zu stellen.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 eine Filterpatrone vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1.1

Filterpatrone für einen Wassertank für wasserführende Geräte, insbesondere Haushaltsgeräte wie Getränkeautomaten, insbesondere Kaffeemaschinen, Trinkwasserspender, Koch- und Backgeräte, Dampfgeräte, insbesondere Dampfbügeleisen, Dampfreiniger, Hochdruckreiniger, Luftreiniger und -konditionierer oder dergleichen, mit folgenden Bestandteilen:

1.2

einem Gehäuse,

1.3

einer im Abstrom zu betreibenden Filterstrecke,

1.4

einem Sauganschluss,

1.4.a

der in Strömungsrichtung der Filterstrecke nachfolgend angeordnet ist und

1.4.b

zum Ansaugen von Wasser aus der Filterpatrone mit Mitteln zur Erzeugung eines Unterdrucks vorgesehen ist,

1.5

einer Steigleitung

1.5.a

zur Zufuhr von zu reinigendem Wasser von oben in die Filterstrecke,

1.5.b

die wenigstens in dem Bereich des Gehäuses, in dem der Sauganschluss ausgebildet ist, im Gehäuse angeordnet und

1.5.c

freistehend innerhalb des Gehäuses ausgebildet ist,

1.6

wenigstens einer Axialdichtung zum dichten Abschluss des Sauganschlusses in Richtung der Längsachse der Filterpatrone.

3. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.

a) Nach Merkmal 1.5.c ist die Steigleitung freistehend innerhalb des Gehäuses ausgebildet. Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, wird der Begriff "freistehend" in der Beschreibung des Streitpatents nicht näher erläutert. Seine Bedeutung lässt sich aber dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel und den darauf bezogenen Ausführungen in der Beschreibung entnehmen.

Figur 1 zeigt eine innerhalb des Gehäuses angeordnete Steigleitung (2), die nicht mit der Innenwand des Gehäuses verbunden ist. Nach der Beschreibung ist diese Leitung freistehend und/oder vollständig von Filtermaterial umgeben (Abs. 28).

Daraus ist zu entnehmen, dass die Steigleitung so innerhalb des Gehäuses angeordnet sein muss, dass sie jedenfalls nicht in wesentlichem Umfang unmittelbar an die Gehäuseinnenwand angrenzt oder in sonstiger Weise mit dieser verbunden ist.

Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, ist dieses Merkmal auch dann noch verwirklicht, wenn der Raum zwischen der Steigleitung und der Gehäuseinnenwand vollständig von Filtermaterial umgeben ist. Ausschlaggebend ist, dass die Steigleitung jedenfalls keine durchgehende Verbindung mit der Gehäuseinnenwand aufweist. Nicht zum Gegenstand des Streitpatents gehören damit zum Beispiel Ausgestaltungen, bei denen die Steigleitung unmittelbar an die Gehäusewand angrenzt oder sogar in diese integriert ist. Ebenfalls nicht erfasst ist die an anderer Stelle der Beschreibung (Abs. 21) offenbarte Ausgestaltung, bei der die Steigleitung als Ringmaterial um das Filterbett angeordnet ist.

Ob, wie das Berufungsgericht in dem zwischen den Parteien anhängigen Verletzungsrechtsstreit ausgeführt hat, Merkmal 1.5.c darüber hinaus zu entnehmen ist, dass die Steigleitung auch nicht an einzelnen Stellen durch Stege oder dergleichen mit der Innenwand des Gehäuses verbunden sein darf, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben. Selbst wenn diese Frage zu verneinen wäre, ergäbe sich daraus hinsichtlich der Rechtsbeständigkeit des Streitpatents keine abweichende Beurteilung.

b) Nach Merkmal 1.6 verfügt die Filterpatrone über eine Axialdichtung. Auch dieser Begriff ist in der Beschreibung des Streitpatents nicht näher definiert. Figur 1 lässt sich hierzu ebenfalls nichts entnehmen. Er ist entsprechend dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch auszulegen.

aa) Nach den mit dem Vorbringen beider Parteien übereinstimmenden Feststellungen des Patentgerichts ist eine Axialdichtung nach dem üblichen fachlichen Sprachgebrauch eine ringförmig ausgebildete Dichtung, bei der das dichtende Element in axialer Richtung an eine Gegenfläche angepresst wird. Sie unterscheidet sich hierdurch von einer Radialdichtung, bei der das dichtende Element im rechten Winkel zur Längsrichtung angepresst wird.

bb) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass dieses Verständnis auch für die Auslegung des Streitpatents maßgeblich ist.

Nach der Beschreibung des Streitpatents wird durch axiales Andrücken der Dichtung, zum Beispiel am Behälterboden, der erforderliche dichte Formabschluss erzielt. Darüber hinaus ist damit, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Anschlags, eine definierte Betriebsposition der Filterpatrone möglich (Abs. 16).

Daraus ist zu entnehmen, dass als Axialdichtung auch im Zusammenhang mit dem Streitpatent eine in Längsrichtung angepresste Dichtung anzusehen ist. Nur diese Ausgestaltung ermöglicht es, die Filterpatrone ohne zusätzliche Mittel in einer bestimmten Betriebsposition anzuordnen, indem die Dichtung zugleich als Anschlag eingesetzt wird.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung der Klägerin fehle es nicht an einer ausführbaren Offenbarung. In Figur 1 sei ein nacharbeitbarer Weg offenbart, um das der Erfindung zugrundeliegende Problem zu lösen. Bezüglich einzelner konstruktiver Merkmale werde sich der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur mit langjähriger praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Filtertechnik und speziellen Kenntnissen bei der Konstruktion von Filterpatronen, auch der Ausführungen in der Beschreibung bedienen, die ihm ausreichende technische Informationen mitteilten.

Der Gegenstand der mit dem Hauptantrag verteidigten Patentansprüche 1 bis 7 sei neu und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit.

In der deutschen Offenlegungsschrift 10 2006 005 780 (K6) sei eine Filterkartusche mit den Merkmalen 1.1 bis 1.5.c offenbart. Die Dichtung wirke aber nicht axial, sondern radial.

Die internationale Anmeldung WO 2006/040120 (K17) betreffe eine Saugfilterkartusche für Wasserbehälter mit den Merkmalen 1.1 bis 1.5.b. Es könne offen bleiben, ob der in der Druckschrift vorgesehene Schnapprand einer Axialdichtung entspreche. Jedenfalls sei die Steigleitung in sämtlichen offenbarten Ausführungsformen nicht innerhalb des Gehäuses der Filterkartusche angeordnet, sondern in einer davon durch eine Wand abgetrennten Abströmkammer.

Die deutsche Offenlegungsschrift 10 2004 023 032 (K11) offenbare eine Filterpatrone für eine Haushaltsmaschine mit den Merkmalen 1.1, 1.2, 1.4 und 1.6. Das zu reinigende Wasser durchströme die Filterstrecke aber im Aufstrom und werde erst danach über eine innerhalb der Filterpatrone angeordnete Fallleitung zum Sauganschluss im Haushaltsgerät abgeleitet. Damit fehle es an einer Offenbarung der Merkmale 1.3 und 1.5. Die Ausführungen in der Beschreibung, wonach der Filtervorgang alternativ im Abstrom erfolgen könne, offenbarten diese Merkmale mangels näherer Angaben zur erforderlichen Konstruktion nicht neuheitsschädlich.

Keine der genannten Entgegenhaltungen gebe dem Fachmann eine Anregung, eine Kombination einer im Abstrom betriebenen Filterstrecke, einer innerhalb des Gehäuses der Filterpatrone freistehenden Steigleitung und einer Axialdichtung in Betracht zu ziehen. Unabhängig davon, welche Offenbarung als Ausgangspunkt herangezogen werde, sei eine entsprechende Ausgestaltung mit erheblichem konstruktivem Aufwand verbunden und für den Fachmann nicht naheliegend.

III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung stand.

1. Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen kann (Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜbkG).

Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 31 - Polymerisierbare Zementmischung; Urteil vom 22. März 2018 - X ZR 128/15 Rn. 38).

Nach den Feststellungen des Patentgerichts sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Aus dem Berufungsvorbringen ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellungen begründen (§ 117 Satz 1 PatG und § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ).

Entgegen der Auffassung der Berufung steht der Ausführbarkeit nicht entgegen, dass bei der in Figur 1 dargestellten Ausgestaltung das untere Ende der Filterpatrone ein Andrücken der Dichtung verhindern könnte.

Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich für den Fachmann aus der Beschreibung hinreichend deutlich die Anweisung, einen dichten Formabschluss zwischen dem Boden des Filtergehäuses und der Filterkartusche vorzusehen. Die Konstruktion einer hierfür geeigneten Axialdichtung gehört nach den Feststellungen des Patentgerichts zum allgemeinen Fachwissen. Vor diesem Hintergrund lassen sich der schematisch gehaltenen Darstellung in Figur 1 keine abweichenden Anforderungen entnehmen.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist, wie das Patentgericht weiter zutreffend angenommen hat, neu.

a) Die nachveröffentlichte, aber prioritätsältere deutsche Offenlegungsschrift 10 2006 005 780 (K6) offenbart eine Filterkartusche (4) für eine Getränkemaschine, die im Abstrom betrieben wird und die ein Gehäuse (6) sowie eine der Filterstrecke nachfolgend angeordnete Aufnahmebuchse (16) zum Ansaugen von Wasser aus der Filterpatrone aufweist. In dem Gehäuse ist ein freistehendes Steigrohr (24) zur Zufuhr von Wasser von oben zur Filterstrecke (32) angeordnet, und zwar in dem Bereich, in dem die Aufnahmebuchse (16) ausgebildet ist.

aa) Damit sind die Merkmale 1.1 bis 1.5.c offenbart.

bb) Nicht offenbart ist eine Axialdichtung im Sinne von Merkmal 1.6.

Zu Recht hat das Patentgericht insoweit angenommen, dass mit den in K6 verwendeten Begriffen "Dichtung" (Anspruch 12) und "Ringdichtung" (Abs. 28) nicht jede Art von Dichtung offenbart ist, die unter diese Oberbegriffe subsumiert werden kann. Entgegen der Auffassung der Berufung führt der von ihr unwidersprochen vorgetragene Umstand, dass der Begriff "Ringdichtung" nach herkömmlichem Verständnis nur die Unterbegriffe "Radialdichtung" und "Axialdichtung" umfasst, im Streitfall nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

(1) Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Schrift aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.

Zu dem danach Offenbarten gehört allerdings nicht nur dasjenige, was im Wortlaut der Veröffentlichung ausdrücklich erwähnt wird. Nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs ist vielmehr der Sinngehalt der Veröffentlichung maßgeblich, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt. Hierzu gehören auch Abwandlungen und Ergänzungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gleichsam mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist.

Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören aber ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 26 - Olanzapin; Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 18. März 2014 - X ZR 77/12, GRUR 2014, 758 Rn. 39 - Proteintrennung).

(2) Für die Beurteilung des Streitfalls kann dahingestellt bleiben, welcher Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung aus Sicht des Fachmanns zu entnehmen wäre, wenn diese keine Hinweise darauf enthielte, wie die Dichtung in dem darin geschilderten Ausführungsbeispiel ausgestaltet ist. Den Ausführungen in K6 ist nämlich, wie das Patentgericht zutreffend entschieden hat, zu entnehmen, dass dort eine Radialdichtung eingesetzt wird.

Allein aus der Darstellung in Figur 1 lässt sich zwar nicht ohne weiteres entnehmen, welche Elemente zur Dichtung eingesetzt werden:

In den darauf bezogenen Ausführungen in der Beschreibung von K6 wird aber das mit dem Bezugszeichen (22) versehene Bauteil als Ringdichtung bezeichnet. Diese ist zwischen dem zur Filterkartusche gehörenden Rohrstutzen (12) und der am Boden des Wasserbehälters angeordneten Aufnahmebuchse (16) angeordnet und verhindert, dass Rohwasser an der Filterkartusche vorbei aus dem Wassertank angesaugt wird (K6 Abs. 28). Bei dieser Anordnung wirkt die Ringdichtung (22) radial.

Vor diesem Hintergrund mag sich dem Fachmann dennoch erschlossen haben, dass anstelle einer Radialdichtung auch eine Axialdichtung eingesetzt werden kann. Um zu dieser Überlegung zu gelangen, musste der Fachmann indes zumindest auf sein allgemeines Fachwissen zurückgreifen. Damit fehlt es an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung.

b) Die internationale Anmeldung WO 2006/040120 (K17) offenbart eine Saugfilterkartusche (1) für Wasserbehälter von Getränkemaschinen, bei der das zu filternde Wasser über eine feststehende Aufströmkammer (3a), die ein Wirbelbett aus Filtermaterial enthalten kann, nach oben gefiltert wird, bevor es in der Abströmkammer (2a) in einem Festbett aus Filtermaterial gereinigt wird.

aa) Damit sind die Merkmale 1.1 bis 1.5.b offenbart.

bb) Nicht offenbart ist Merkmal 1.5.c.

In sämtlichen in den Figuren 1, 2a, 2b, 3 und 4 offenbarten Ausführungsformen ist die Aufströmkammer, die der Steigleitung im Sinne von Merkmal 1.5 entspricht, nicht innerhalb des Gehäuses der Filterkartusche angeordnet, sondern durch die Trennwand (6) von der Abströmkammer getrennt. Eine freistehende Steigleitung ist nicht offenbart.

cc) Nicht (eindeutig) offenbart ist ferner, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, eine Axialdichtung im Sinne von Merkmal 1.6.

Bei den in K17 offenbarten Ausführungsformen ist in der Auslauföffnung ein nach innen weisender Schnapprand (22) vorgesehen, der beim Einsetzen der Filterkartusche (1) nach oben umklappt und hierbei am Rohrstutzen (33) des Sitzelementes angreift, so dass die Filterkartusche abdichtend am Rand (33b) des Rohrstutzens (33) anliegt und fixiert ist. Das Umklappen signalisiert dem Benutzer, dass die Filterkartusche (1) ihre vorgegebene Dichtposition eingenommen hat. Beim Herausziehen der Filterkartusche (1) klappt der Schnapprand (22) in seine untere Position zurück (S. 4 Abs. 2 und 3; S. 12 Abs. 2).

In der Beschreibung von K17 ist nicht offenbart, dass der Schnapprand in axialer Richtung abdichtet. Den Figuren 2a und 2b, die die Kartusche in eingesetztem Zustand darstellen, lassen sich ebenfalls keine eindeutigen Hinweise auf eine solche Wirkung entnehmen.

In diesen beiden insoweit übereinstimmenden Darstellungen liegt der Schnapprand (22) auf einer schräg nach oben weisenden Ringschulter (35) auf, die zwischen den beiden in Längsrichtung verlaufenden Abschnitten (33a) und (33b) des Rohrstutzens (33) verläuft. Diese Ringschulter bildet nach der Beschreibung (S. 12 Abs. 1) das Betätigungselement für den Schnapprand (22). Dass sie zugleich Teil einer in axialer Richtung wirkenden Dichtung ist, geht daraus nicht eindeutig hervor. Auch im Übrigen gibt der Inhalt von K17 keinen eindeutigen Aufschluss darüber, in welcher Weise die Dichtwirkung erzielt wird.

c) Die deutsche Offenlegungsschrift 10 2004 023 032 (K11) offenbart eine Filterpatrone (2) für eine Haushaltsmaschine mit einer Wandung (4), die mit einem Filtergemisch (3) gefüllt ist, einem in der Mitte angeordneten Fallrohr (5) und einem am Behälterboden (10) angeordneten Anschluss mit einer Axialdichtung (17). Das zu reinigende Wasser durchströmt die Filterstrecke im Aufstrom. Anschließend wird es über die Fallleitung zum Sauganschluss abgeleitet.

aa) Damit sind die Merkmale 1.1 und 1.2, die Merkmalsgruppe 1.4 sowie die Merkmale 1.5.a, 1.5.b und 1.6 offenbart.

bb) Nicht offenbart sind die Merkmale 1.3 und 1.5.

Bei der in K11 offenbarten Ausgestaltung erfolgt die Filterung im Aufstrom. Die Kombination einer in dieser Weise betriebenen Filterstrecke und einer Fallleitung wird in der Beschreibung als vorteilhaft bezeichnet, weil dadurch die Eintrittsöffnung im Wesentlichen auf der gleichen Höhe wie die Austrittsöffnung angeordnet werden könne, was eine möglichst vollständige Nutzung des im Tank enthaltenen Wassers ermögliche (Abs. 20 f.).

Im gleichen Zusammenhang wird zwar ausgeführt, in Verbindung mit einer solchen Anordnung könnte grundsätzlich auch eine Steigleitung mit einem im Abstrom durchströmten Filterbett vorgesehen werden. Der Betrieb im Aufstrom wird aber als vorzugwürdig bezeichnet, weil das Filterbett durch die aufsteigende Strömung aufgelockert werde (Abs. 22).

Zu Recht hat das Patentgericht darin keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung einer Vorrichtung mit allen in Patentanspruch 1 vorgesehenen Merkmalen gesehen. Aus dem Offenbarungsgehalt von K11 ergibt sich nicht, wie eine Filterpatrone beschaffen sein muss, wenn sie nicht im Aufstrom, sondern im Abstrom betrieben wird. Um eine solche Vorrichtung zu erhalten, hätte der Fachmann zumindest auf ergänzendes Fachwissen zurückgreifen müssen. Damit fehlt es nach den bereits im Zusammenhang mit K6 aufgezeigten Grundsätzen an einer hinreichenden Offenbarung einer solchen Kombination.

d) Die deutsche Offenlegungsschrift 10 2006 006 931 (D2) offenbart eine Filterpatrone zum Einsetzen in einen Wasservorratstank. Nach den zutreffenden und von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts weist diese jedenfalls keine freistehende Steigleitung im Sinne von Merkmal 1.3 auf.

3. Zu Recht hat das Patentgericht ferner angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch den Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt nicht nahegelegt wurde.

a) Der genannte Gegenstand war nicht schon dadurch nahegelegt, dass sich aus einer Zusammenschau von zum Stand der Technik gehörenden Veröffentlichungen wie etwa K10, K11 und K17 alle in Patentanspruch 1 vorgesehenen Merkmale ergaben. Erforderlich wäre vielmehr eine Anregung, diese in ihrer Gesamtheit miteinander zu kombinieren.

b) Eine solche Anregung ergab sich entgegen der Auffassung der Berufung nicht aus K11.

Der bereits erwähnte Hinweis in der Beschreibung von K11, eine möglichst vollständige Nutzung des im Tank enthaltenen Wassers könnte auch mit einer Steigleitung und einem im Abstrom durchströmten Filterbett erreicht werden, belegt zwar, dass eine solche Ausgestaltung möglich war und ungeachtet der in K11 hervorgehobenen Vorteile einer Filterung im Aufstrom als praktikable Alternative in Betracht kam. Daraus ergab sich jedoch nicht die Anregung, eine Filterung im Abstrom mit einer freistehenden Steigleitung zu kombinieren.

Entgegen der Auffassung der Berufung ergab sich eine solche Anregung nicht aus der in K11 verwendeten Formulierung, eine Steigleitung mit einer anschließenden Filterung im Abstrom könne "mit einer solchen Anordnung im Wassertank" kombiniert werden. Dieser Formulierung ist nicht zu entnehmen, dass die in Figur 1 beispielhaft dargestellte Anordnung in allen Einzelheiten übernommen und insbesondere die Steigleitung an derselben Stelle angeordnet werden soll wie die in Figur 1 gezeigte Fallleitung.

Die Ausführungen an der betreffenden Stelle (K11 Abs. 22) beziehen sich nicht auf das in Figur 1 dargestellte Ausführungsbeispiel, sondern auf die in K11 offenbarte Erfindung insgesamt. Die in der Mitte des Wassertanks - und damit freistehend im Sinne des Streitpatents - angeordnete Fallleitung wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Sie wird erst in der nachfolgenden Passage (K11 Abs. 23) behandelt. Ihr Einsatz als Steigleitung würde zusätzliche Modifikationen erfordern, weil sie dann nicht in die Ablauföffnung münden dürfte, sondern eine Verbindung zwischen dem ungefilterten Wasser im Tank und dem Eingang des im Abstrom betriebenen Filters herstellen müsste.

Vor diesem Hintergrund ergab sich auch aus dem in K11 enthaltenen Hinweis, die Anordnung der Fallleitung innerhalb der Filterpatrone ermögliche es, die Patrone drehsymmetrisch und damit leichter anschließbar auszugestalten (K11 Abs. 23), keine hinreichende Veranlassung, dieses Konstruktionsprinzip auf eine Steigleitung zu übertragen. Dass der Fachmann in der Lage gewesen wäre, eine solche Lösung konstruktiv zu bewältigen, reicht hierzu nicht aus. Vielmehr hätte es konkreter Hinweise darauf bedurft, dass die mit der Anordnung der Fallleitung erreichten Vorteile trotz der erforderlichen Anpassungen an die abweichende Anschlusssituation auch mit einer in vergleichbarer Weise angeordneten Steigleitung erreichbar sind. Diesbezügliche Hinweise ergaben sich weder aus K11 noch aus sonstigen Entgegenhaltungen.

c) Der Prüfungsbescheid des Europäischen Patentamts vom 11. August 2006 (K20) führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

In diesem Bescheid wird ausgeführt, der Gegenstand einer Vielzahl der in der Anmeldung des Streitpatents formulierten Ansprüche sei nicht neu, weil in K17 (dort als D1 bezeichnet) eine Filterstrecke im Abstrom und eine direkt an der Innenseite der Gehäusewandung angeordnete und in diesem Bereich im Wesentlichen kreisförmig ausgeführte ringförmige Steigleitung offenbart sei (Abs. 1.1). Die hierzu zitierte Stelle aus der Beschreibung von K17 (S. 2 Z. 24 bis S. 3 Z. 2) bezieht sich indes nicht auf die in K17 offenbarte Ausgestaltung, sondern auf die dort als Stand der Technik angeführte Offenlegungsschrift WO 99/01220 (K10). In dieser ist eine Filterung im Aufstrom offenbart, wie sie in ähnlicher Weise auch in K11 vorgeschlagen wird und von der K17 gerade Abstand nimmt.

4. Die verteidigte Fassung der Patentansprüche 5 und 6 betrifft einen Wasservorratstank bzw. eine Getränkemaschine mit einer Filterpatrone nach Patentanspruch 1. Ihr Gegenstand ist aus denselben Gründen patentfähig wie der Gegenstand dieses Anspruchs.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. Mai 2018

Vorinstanz: BPatG, vom 22.09.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 18/14