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BGH - Entscheidung vom 07.12.2018

VIII ZR 146/18

Normen:
ZPO § 719 Abs. 2
ZPO § 712
ZPO § 719 Abs. 2
ZPO § 712
ZPO § 712 Abs. 1
ZPO § 713
ZPO § 719 Abs. 2

Fundstellen:
MDR 2019, 444
MietRB 2019, 43
NJW-RR 2019, 589
NZM 2019, 141
WM 2019, 78

BGH, Beschluss vom 07.12.2018 - Aktenzeichen VIII ZR 146/18

DRsp Nr. 2019/471

Nichtstellen eines Vollstreckungsschutzantrags durch den zur Räumung einer Mietwohnung verurteilten Schuldner in der Berufungsinstanz; Ausschluss der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO durch das Revisionsgericht

a) Hat der zur Räumung einer Mietwohnung verurteilte Schuldner in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 ZPO nicht gestellt, ist eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO durch das Revisionsgericht in der Regel ausgeschlossen (Bestätigung der Senatsbeschlüsse vom 1. April 2014 - VIII ZR 1/14, juris Rn. 5; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 39/18, WuM 2018, 221 Rn. 5; vom 26. September 2018 - VIII ZR 290/18, WuM 2018, 726 Rn. 7).b) Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht im Rahmen seines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit rechtsfehlerhaft § 713 ZPO angewandt und eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO nicht ausgesprochen hat. Denn diese entfällt - anders als im Fall des § 712 Abs. 1 ZPO -, wenn der Gläubiger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, und schützt damit den Wohnraummieter nicht vor dem (endgültigen) Verlust der Wohnung (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 19. August 2003 - VIII ZR 188/03, WuM 2003, 637 unter II; vom 9. August 2004 - VIII ZR 178/04, WuM 2004, 553 unter II 2 b; vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 107/12, WuM 2012, 510 Rn. 8; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 39/18, WuM 2018, 221 Rn. 9; Abgrenzung zu BGH, Beschlüsse vom 24. März 2003 - IX ZR 243/02, ZVI 2003, 279 unter II 1 a; vom 30. Januar 2007 - X ZR 147/06, NJW-RR 2007, 1138 unter II 2 a; vom 15. März 2007 - V ZR 271/06, WuM 2007, 545 ; vom 4. März 2009 - XII ZR 198/08, juris Rn. 4).

Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung des Klägers aus dem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 24. April 2018 - 16 S 17/16 - einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 712 Abs. 1 ; ZPO § 713 ; ZPO § 719 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Die Beklagten, die von dem Kläger ein Einfamilienhaus gemietet haben, sind durch das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Wuppertal (in der Berufungsinstanz) zur Räumung dieses Hauses verurteilt worden. Das Berufungsgericht hat sein Urteil nach § 708 Nr. 10, §§ 711 , 713 ZPO (ohne Sicherheitsleistung) für vorläufig vollstreckbar erklärt und dementsprechend eine Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO nicht ausgesprochen. Einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO haben die Beklagten in der Berufungsinstanz nicht gestellt.

II.

Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.

1. Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO ). Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO ).

2. Die Beklagten haben die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO nicht dargetan.

a) Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Deswegen kann er sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 1. April 2014 - VIII ZR 1/14, juris Rn. 5; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 39/18, WuM 2018, 221 Rn. 5; vom 26. September 2018 - VIII ZR 290/18, WuM 2018, 726 Rn. 7; jeweils mwN).

b) Die Beklagten haben in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 ZPO nicht gestellt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihnen die Stellung eines solchen Antrags aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war. Schuldners gegen den Gläubiger, durch eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO entgegengewirkt werden.

c) Dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hätte einräumen müssen, weil sein Urteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde anfechtbar war und somit die Voraussetzungen des § 713 ZPO nicht vorlagen, ist unbeachtlich. Ein Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten nach § 712 ZPO wäre auch dann nicht entbehrlich gewesen, weil die Abwendungsbefugnis des Schuldners nach § 711 ZPO entfällt, wenn der Gläubiger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit leistet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. August 2003 - VIII ZR 188/03, WuM 2003, 637 unter II; vom 9. August 2004 - VIII ZR 178/04, WuM 2004, 553 unter II 2 b; vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 107/12, WuM 2012, 510 Rn. 8; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 39/18, aaO Rn. 9). Denn der bei der Räumungsvollstreckung einer Wohnung regelmäßig drohende unersetzliche Nachteil, der (endgültige) Verlust der Wohnung als der bisherige Lebensmittelpunkt des Schuldners, der wegen zwischenzeitlicher Verfügungen oder Veränderungen durch den Gläubiger meist nicht mehr rückgängig zu machen ist, kann durch eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO nicht verhindert werden. Aus der von ihnen herangezogenen Entscheidung des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZR 147/06, NJW-RR 2007, 1138 unter II 2 a; vgl. ferner auch BGH, Beschlüsse vom 24. März 2003 - IX ZR 243/02, ZVI 2003, 279 unter II 1 a; vom 15. März 2007 - V ZR 271/06, WuM 2007, 545 ; vom 4. März 2009 - XII ZR 198/08, juris Rn. 4) können die Beklagten nichts zu ihren Gunsten herleiten, denn dort ging es um die Vollstreckung einer Geldforderung durch einen mittellosen Gläubiger und konnte dem Entstehen eines unersetzlichen Nachteils - anders als hier -, nämlich der (endgültige) Verlust einer etwaigen Erstattungsforderung des Schuldners gegen den Gläubiger, durch eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO entgegengewirkt werden.

Vorinstanz: AG Solingen, vom 03.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 11 C 3/14
Vorinstanz: LG Wuppertal, vom 24.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 16 S 17/16
Fundstellen
MDR 2019, 444
MietRB 2019, 43
NJW-RR 2019, 589
NZM 2019, 141
WM 2019, 78