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BGH - Entscheidung vom 21.11.2018

VII ZR 1/18

Normen:
HGB § 317
HGB § 323 Abs. 1 S. 3

BGH, Beschluss vom 21.11.2018 - Aktenzeichen VII ZR 1/18

DRsp Nr. 2019/17828

Inanspruchnahme eines Wirtschaftsprüfers auf Schadensersatz wegen der Erstellung von in Anlageprospekten veröffentlichten Testaten über die Prüfung der Jahresabschlüsse einer Firma; Bestehen eines Schadensersatzanspruchs aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Haftung eines Wirtschaftsprüfers gegenüber den Anlegern aus einer Prospekthaftung im engeren Sinn

Ein Wirtschaftsprüfer haftet aus dem Prüfvertrag, der eine obligatorische oder freiwillige Jahresabschlussprüfung nach den Maßstäben der §§ 316 , 317 HGB zum Gegenstand hat, nur der zu prüfenden Gesellschaft und den mit ihr verbundenen Unternehmen. Dies gilt auch, wenn der Bestätigungsvermerk im Zusammenhang mit einem Börsengang oder der Ausgabe öffentlich notierter Wertpapiere in einen Verkaufsprospekt aufgenommen worden ist.

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 29. November 2017 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21. Dezember 2018.

Der Streitwert wird auf 33.752,05 € festgesetzt.

Normenkette:

HGB § 317 ; HGB § 323 Abs. 1 S. 3;

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten als Wirtschaftsprüfer wegen der Erstellung von in Anlageprospekten veröffentlichten Testaten über die Prüfung der Jahresabschlüsse der F. B. K. (im Folgenden: F. B. ) auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Anlagebetrags (30.000 €) nebst entgangenem Gewinn (3.752,05 €) in Anspruch.

Der Kläger zeichnete am 21. November 2008 eine Orderschuldverschreibung der F. B. in Höhe von 30.000 € und zahlte den Anlagebetrag an die Gesellschaft. Der die Anlage betreffende Emissionsprospekt (Stand: 26. Juni 2008) enthielt für die Geschäftsjahre 2006 und 2007 Bestätigungsvermerke des Beklagten, nach denen die Prüfung der Jahresabschlüsse und der Kapitalflussrechnungen der Gesellschaft zu keinen Einwendungen geführt habe.

Im April 2014 wurde das lnsolvenzverfahren über das Vermögen der F. B. eröffnet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen, weil das Verfahren als Musterverfahren für eine Vielzahl weiterer vergleichbarer Klageverfahren gegen den Beklagten geführt werde "und die Sache deshalb für den Oberlandesgerichtsbezirk Dresden grundsätzliche Bedeutung" habe.

II.

Das Berufungsgericht hat, soweit es für die Revision von Bedeutung ist, ausgeführt:

Der Kläger habe keine Schadensersatzansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, weil er nicht in den Schutzbereich des Prüfvertrags einbezogen sei.

Zwar könne der Beklagte als eine Person, die über eine besondere, staatlich anerkannte Sachkunde verfüge, bei Abgabe gutachterlicher Stellungnahmen in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haften. Auch habe der Bestätigungsvermerk eines Abschlussprüfers, mit dem kundgetan werde, dass der Jahresabschluss den gesetzlichen Vorschriften entspreche und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittle, den Zweck, das Vertrauen von Dritten zu erwecken und Grundlage für Investitionsentscheidungen zu werden. Dies könne der Abschlussprüfer bei Übernahme des Prüfauftrags auch erkennen.

Jedoch reiche dies für eine Vertragshaftung gegenüber Dritten nicht aus. Den Bestätigungsvermerken komme zwar aufgrund verschiedener Publizitätsvorschriften wie zum Beispiel § 325 Abs. 1 HGB die Bedeutung zu, Dritten für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben. Ungeachtet dieser auf Publizität und Vertrauensbildung angelegten Funktion habe der Gesetzgeber aber die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers für eine Prüfung nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB auf Ansprüche der Gesellschaft beschränkt; Gläubigern und Aktionären gegenüber hafte er nach dieser Bestimmung nicht. Das gelte sowohl bei nach den §§ 316 , 317 HGB vorgenommenen Pflichtprüfungen als auch bei nach den Maßstäben der §§ 316 , 317 HGB durchgeführten freiwilligen Jahresabschlussprüfungen.

Daran gemessen scheide eine Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Prüfvertrags aus. Aus den im Emissionsprospekt veröffentlichten Bestätigungsvermerken für die Jahresabschlüsse und Kapitalflussrechnungen 2006 und 2007 ergebe sich, dass es sich bei den im Auftrag der F. B. durchgeführten Prüfungen um Jahresabschlussprüfungen nach § 317 HGB beziehungsweise Kapitalflussrechnungen auf der Grundlage von § 7 des Wertpapierprospektgesetzes ( WpPG ) handele. Bei diesen beschränke sich die Haftung des Wirtschaftsprüfers nach dem Rechtsgedanken des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB auf die Auftraggeberin und auf die mit ihr verbundenen Unternehmen. Dass dem Beklagten möglicherweise bewusst gewesen sei, dass seine Testate im Prospekt veröffentlicht würden, erlaube nicht den Schluss, dass die Prüfvertragsparteien die Anleger konkludent in den Schutzbereich des Prüfvertrags einbezogen hätten. Denn die Veröffentlichung sei gesetzlich vorgeschrieben. Da es bereits an einer Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich der Prüfverträge mangele, komme es für einen möglichen Ersatzanspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht darauf an, ob der Beklagte, wie von dem Kläger behauptet, falsch testiert und damit eine Vertragspflicht verletzt habe.

III.

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil eine Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreite gegen den Beklagten geführt werde und die Sache deshalb für den Bezirk des Oberlandesgerichts Dresden grundsätzliche Bedeutung habe. Damit ist ein Zulassungsgrund nicht dargetan.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - II ZR 73/16 Rn. 12; Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14 Rn. 3, ZIP 2016, 266 ; Beschluss vom 14. Juli 2011 - VII ZR 113/10 Rn. 2, NJW 2011, 3086 ). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wirtschaftsprüfer gegenüber den Anlegern aus einer Prospekthaftung im engeren Sinn haftet, ist geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 156/13, Rn. 16, 21 f., NJW 2014, 2345 ; Urteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12 Rn. 12 ff., NJW 2013, 1877 ; Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 103/10 Rn. 19 f., BGHZ 191, 310 ; Beschluss vom 11. November 2008 - III ZR 317/07 Rn. 5; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZR 307/07 Rn. 5, NJW 2009, 512 ; Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 185/05 Rn. 15, NJW-RR 2007, 1479 ; Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611 , juris Rn. 19; Urteil vom 2. April 1998 - III ZR 245/96, BGHZ 138, 257 , juris Rn. 9).

b) Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich im vorliegenden Fall nicht. Davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht selbst aus, das ausdrücklich darauf hinweist, dass es seine Entscheidung nach dem von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung für die Wirtschaftsprüferhaftung aufgestellten Grundsätze getroffen habe. Dass und gegebenenfalls welche Rechtsfragen zur Entscheidung des Revisionsgerichts gestellt werden sollen, lässt sich weder der Zulassungsentscheidung noch den weiteren Entscheidungsgründen entnehmen. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhaltskomplex betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine Vielzahl von Einzelverfahren handelt, es aber nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - II ZR 73/16 Rn. 14; Beschluss vom 22. September 2015 - II ZR 310/14 Rn. 5, ZIP 2016, 266 ).

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verneint.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht für den Streitfall angenommen, dass der Beklagte als Wirtschaftsprüfer aus dem Prüfvertrag, der eine obligatorische oder freiwillige Jahresabschlussprüfung nach den Maßstäben der §§ 316 , 317 HGB zum Gegenstand hat, gemäß § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB nur der zu prüfenden Gesellschaft und den mit ihr verbundenen Unternehmen haftet. Dies gilt auch, wenn der Bestätigungsvermerk im Zusammenhang mit einem Börsengang oder - wie hier - der Ausgabe öffentlich notierter Wertpapiere in einen Verkaufsprospekt aufgenommen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 156/13 Rn. 16, NJW 2014, 2345 ; Beschluss vom 11. November 2008 - III ZR 317/07 Rn. 5; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZR 307/07 Rn. 5, NJW 2009, 512 ; Urteil vom 6. April 2006 - III ZR 256/04, BGHZ 167, 155 , juris Rn. 13; Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611 , juris Rn. 12 f.; Urteil vom 2. April 1998 - III ZR 245/96, BGHZ 138, 257 , juris Rn. 9).

bb) Eine Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des zwischen den Vertragsparteien bestehenden Prüfvertrags kommt entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht, weil der Beklagte neben der Erstellung des Jahresabschlusses auch mit der Prüfung der Kapitalflussrechnungen beauftragt war.

Nach § 242 Abs. 3 HGB bilden die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung den Jahresabschluss. Nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB haben die gesetzlichen Vertreter einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft (§ 264d HGB ), die nicht zu der Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und um einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, die mit der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung eine Einheit bilden (vgl. MünchKommHGB/Ebke, 3. Aufl., § 317 Rn. 9). Diese Systematik ist unabhängig davon, ob die Kapitalgesellschaft einen organisierten Markt im Sinn des Wertpapierhandelsgesetzes ( WpHG ) in Anspruch nimmt oder sich in anderer Weise an das Anlegerpublikum wendet. Die Prüfung der Kapitalflussrechnung ist rechtlich die Prüfung (eines Teils) des Jahresabschlusses. § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB gilt folglich auch für Testate bezüglich der Prüfung von Kapitalflussrechnungen. Es kommt insoweit nicht auf die Anzahl der Aufträge an, sondern allein auf den Gegenstand des jeweiligen Prüfungsvertrags. Ist Gegenstand des Vertrags die Jahresabschlussprüfung oder eines Teils davon, gilt auch das Haftungsprivileg des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB . Es ist daher unbeachtlich, ob die F. B. den Beklagten - was nicht festgestellt ist - durch mehrere gesonderte Verträge beauftragt hat.

b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinn sind von der Revision nicht angegriffen worden. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschlussvom 23. Januar 2019 erledigt worden.

Vorinstanz: LG Dresden, vom 01.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 502/16
Vorinstanz: OLG Dresden, vom 29.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 1796/16